Interviews

Im Interview: ProVeg stellt das Chinaprogramm vor

Die große Bevölkerungszahl und der steigende Fleischkonsum Chinas zeigen, wie essenziell das Land für die 50by40-Mission von ProVeg ist. Im Interview verraten verschiedene Mitarbeiter des Projektes, mit welchen Herausforderungen sie sich auseinandersetzen und welch großes Potenzial China birgt.

Jing Xu nahm 2017 am Training des Center for Effective Vegan Advocacy in Madrid teil. Diese Erfahrung öffnete ihr die Augen und löste in ihr den Wunsch aus, Teil der veganen Bewegung zu werden. Anfang 2018 begann sie bei ProVeg als Projektmanagerin.

Jing, wie verbreitet ist fleischfreies Essen in China?
In meiner Kindheit gab es überwiegend pflanzliche Gerichte. Veganes Essen konnte damals wie heute nahezu an jeder Straßenecke gefunden werden. Meine liebsten Gerichte sind süß-saure Süßkartoffel-Nudelsuppe, Tofu-Pudding und süßer Reiskuchen.

Woran arbeitest du im Moment?
Derzeit recherchiere ich nach geeigneten Möglichkeiten, in China aktiv zu werden, sowie Verbindungen zwischen chinesischen und europäischen Unternehmen aufzubauen. Ohne ordentlichen Rechtsstatus für ProVeg wird es jedoch schwierig, Personal einzustellen, mit lokalen Partnern zusammenzuarbeiten und uns öffentlich zu präsentieren. Deswegen arbeiten wir momentan mit einem Partner vor Ort daran, eine gesetzliche Zulassung für unsere Arbeit in China zu bekommen.

Inwiefern unterscheidet sich die Herangehensweise von ProVeg von anderen Organisationen, die in China aktiv sind?
Unser Fokus liegt auf der Zusammenarbeit mit Unternehmen. Wir ermuntern sie, sich an der Veggie-Bewegung zu beteiligen und kreieren somit eine Win-win-Situation: Sowohl die Industrie als auch unsere Umwelt profitiert. Diese Herangehensweise ist auf den Entwicklungs- und Wirtschaftsfokus der chinesischen Regierung abgestimmt und kann dadurch sehr wirkungsvoll sein. Als Organisation, die ein Bewusstsein für unsere Ernährungsweise schaffen möchte und die den Ansatz hat, die Lebensmittelindustrie zu beeinflussen, passt ProVeg sehr gut in den chinesischen Kontext.

Doris Pui-Ying Lee wurde 2016 auf die Bemühungen von ProVeg (damals noch VEBU), sich zu internationalisieren, aufmerksam. Nach ihrem Bundesfreiwilligendienst bei ProVeg wurde sie für das Chinaprogramm eingestellt.

Doris, was würdest du gern mit ProVeg in China erreichen?
Als internationale Nichtregierungsorganisation in China zu arbeiten, birgt viele Herausforderungen. Aufgrund unserer Herangehensweise hat ProVeg jedoch die Möglichkeit, auch in China erfolgreich zu sein. Eine Organisation wie ProVeg, die auf pflanzliche Lebensmittel und faktenbasierte Kommunikation spezialisiert ist, gibt es dort noch nicht. Hoffentlich kann ProVeg lokale Nichtregierungsorganisationen stärken, Unternehmen und Entscheidungstragende beeinflussen, Pilotprojekte zur Reduzierung des Fleischkonsums einführen und mit chinesischen Initiativen zusammenarbeiten.

Was war bisher euer größter Erfolg?
Unsere Arbeit in China ist gesetzlich stark eingeschränkt. Einer unserer größten Erfolge war es, die existierenden Initiativen und Unternehmen vor Ort zu analysieren und mit ihnen zu netzwerken. Auf diese Weise konnten wir solides Wissen über die Region aufbauen, was von unseren lokalen und internationalen Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt wird. Darüber hinaus haben wir im März 2019 erfolgreich die erste VeggieWorld in Hong Kong mitorganisiert.

 Siyuan (Kiki) Cui begann im April 2018 als Kommunikations- und Eventmanagerin bei ProVeg. In ihrer Freizeit liebt sie es, zu kochen und ihre Rezepte mit anderen zu teilen.

Kiki, wie groß ist die vegan-vegetarische Gemeinschaft in China?
Es gibt keine offizielle Statistik darüber, wie viele Chinesinnen und Chinesen sich vegetarisch oder vegan ernähren. Die staatlichen Medien zitieren oft amerikanische Quellen, die von 50 Millionen Menschen in China sprechen – also 3,5 % der Bevölkerung. Eine Studie der Shanghai Jiao Tong Universität 2016 ergab, dass sich nur circa 0,77 % der Menschen vegetarisch ernähren. Die Zahlen schwanken also sehr.

Wie wird der vegan-vegetarische Lebensstil in China wahrgenommen?
Der vegan-vegetarische Lebensstil war lange etwas ausschließlich Buddhistisches. Dennoch scheint es aufgrund der modernen Ernährungs- und Gesundheitstrends einen wachsenden Markt für Veggie-Produkte zu geben. Außerdem probieren immer mehr Menschen in den Großstädten einen pflanzlichen Lebensstil aus.

Kaki Yau absolvierte ein Praktikum im Chinaprogramm und begann im Anschluss als studentische Hilfskraft bei ProVeg.

Kaki, kannst du uns ein veganes chinesisches Gericht empfehlen?
Mein Lieblingsessen sind scharfe, frittierte Kartoffelstreifen. Das ist das verbreitetste und einfachste Gericht, das überall in China zu finden ist.

Wie analysiert ProVeg landwirtschaftliche Themen, die für China relevant sind?
Recherchen zu landwirtschaftlichen Themen wie der Tierhaltung helfen nicht nur, zu erkennen, wie sich der Fleischkonsum in China entwickelt, sondern auch, die Haltung der Regierung zu verstehen. Wir arbeiten mit Studierenden und Forschenden zusammen, damit unsere Arbeit auf dem aktuellen Stand ist. Unsere Analyse der Milchindustrie in China zeigt beispielsweise, dass die Regierung enge Verbindungen zu großen lokalen Molkereiunternehmen hat und diese unterstützt. Dementsprechend können wir uns auf eine angemessene Herangehensweise vorbereiten, wenn wir die Probleme dieser Industrie ansprechen.

Durch ihre Wohngemeinschaft inspiriert, begann Ji Li, ihre Ernährung umzustellen. Nach ihrem Masterstudium 2018 beschloss sie, für eine gemeinnützige Organisation zu arbeiten. Momentan absolviert sie ihren Bundesfreiwilligendienst bei ProVeg.

 Ji, was ist dein liebstes chinesisches Gericht?
Ich vermisse sogenannten Stinkenden Tofu (chòu dòufu) aus meiner Heimatstadt Changsha im Süden Chinas. Dieser wird auf Märkten oder an Imbissen verkauft. Außen ist der Tofu knusprig, innen zart und weich. Der Geruch und der Geschmack erinnern mich an meine Kindheit.

Warum ist es für ProVeg wichtig, in China aktiv zu werden?
Auch wenn der Fleischverzehr pro Kopf in China noch nicht so hoch ist wie in Europa, steigt er stetig. Die traditionelle Ernährungsweise in China ist ziemlich pflanzenbetont. Jedoch werden mit den steigenden Lebensstandards fleischlastige Gerichte immer erschwinglicher. Unterdessen sind sich nur wenige Menschen über die Auswirkungen der Tierhaltung in der industriellen Landwirtschaft und somit des Fleischkonsums bewusst.

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