Politik & Gesellschaft

Europa: Genehmigungsverfahren von Lebensmitteln und Pestiziden sollen transparenter werden

Schon seit langem stehen Lebensmittelstudien und Zulassungsverfahren in der Kritik, nicht nur undurchsichtig zu sein, sondern häufig durch einflussreiche Großkonzerne und Lobbyverbände manipuliert zu werden. Zuletzt wurde auf europäischer Ebene das umstrittene Pestizid Gyphosat für weitere 5 Jahre für die Agrarwirtschaft zugelassen, was EU-weite Proteste nach sich zog. Die EU-Kommission hat sich der Problematik der intransparenten Genehmigungsverfahren nun angenommen und eigene Vorschläge zur Verbesserung der Kontrolle und Transparenz innerhalb dieser Verfahren vorgelegt.

Die geplanten Gesetzesänderungen sind nach Meinung vieler Kritiker längst überfällig, denn von öffentlicher Seite werden viel zu häufig industrienahe Studien und Forschungsergebnisse als Entscheidungsgrundlage für etwaige Genehmigungen bei  Lebens- und Schädlingsbekämpfungsmitteln herangezogen. Die Europäische Union hatte damit bislang kein großes Problem. Hier vertritt man die Ansicht, dass die Kosten solcher Studien von den Unternehmen selbst zu tragen sind, da sie diejenigen sind, die davon profitieren. Hier wird der Industrie also überwiegend freie Hand gelassen, ohne das stabile Kontrollmechanismen zur Überprüfung des Datenmaterials flächendeckend Anwendung finden würden. Der EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans meint, dass viele dieser Studien ‚unstrittig‘ seien. Im Fall von Glyphosat hat die EU, trotz Warnungen der WHO, das Pestizid sei ‚wahrscheinlich krebserregend für den Menschen‘, die Genehmigung für weitere fünf Jahre erteilt. Die europäische Lebensmittelbehörde Efsa, die Chemikalienagentur Echa und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung sahen also keine ausreichenden Belege für ein erhöhtes Krebsrisiko des Pestizides.

Nach heftiger Kritik von Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen zu dieser Entscheidung hatte auch eine Bürgerinitiative über eine Million Unterschriften gesammelt, um ein Verbot von Glyphosat und eine Reform der bisherigen Zulassungspraktiken einzufordern. Als direkte Reaktion darauf möchte die EU nun die Transparenz erhöhen und den Verbrauchern schnelleren und leichteren Einblick in relevante Studien und Zulassungsanträge von Konzernen ermöglichen. Die umfassende Informationsweitergabe soll schließlich auch durch eigene Studien und mehr personelle Expertise in den entsprechenden Gremien ergänzt werden.

Schwächen im System sitzen tiefer

Die Entscheidung der EU, für mehr Transparenz zu sorgen und im Zweifelsfall auch eigene Studien aus dem EU-Haushalt zu finanzieren, ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn dafür vorab viel Kritik notwendig war. Doch wie die Vergangenheit zeigt, gab es schon eine ganze Reihe umstrittener Zulassungsverfahren, die die bestehenden Kontrollschwächen im System aufzeigten.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte deshalb den aktuellen Vorstoß der Kommission als ‚zu kurz gegriffen‘ und fordert stattdessen eine grundlegende Reform des EU-Lebensmittelrechts. „Da wird meiner Meinung nach eine Riesenchance vertan“, sagte Foodwatch-Chef Thilo Bode der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Er kritisiert das mittlerweile schon 15 Jahre alte Lebensmittelrecht und verweist auf weitere Skandale wie den Pferdefleischskandal, die Fipronil-Eier oder die verseuchte Babymilch. Im Fall der Fipronil-Eier wurde beispielsweise die Rückverfolgungspflicht der Produkte nie europaweit umgesetzt und die Verbraucher seien erst einige Wochen nach Bekanntwerden des Skandals darüber informiert worden, als schon Millionen Eier im Umlauf waren.

Auch von politischen Akteuren werden umfassendere Reformen gefordert. „Die Vorschläge der EU-Kommission sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, dem aber noch weitere folgen müssen“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. „Die Zulassungsverfahren müssen aber insgesamt völlig neu organisiert werden. Studien und deren Bewertung dürfen nicht länger von den Herstellern selbst gemacht werden. Solche Studien müssen stattdessen öffentlich vollkommen herstellerunabhängig vergeben werden, finanziert über Gebühren.“

Die europäische Union sollte hier dringend klar Verhältnisse schaffen und von der häufig industriefreundlichen intransparenten Entscheidungspolitik abrücken; nicht nur um die Verbraucher besser zu schützen, sondern vielmehr um die eigene Glaubwürdigkeit ihrer Zulassungs- und Genehmigungsprozesse zu stärken.

 

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