Food & Beverage

Im Interview mit ProVeg: „Deutschland verzeichnet als eines von wenigen Ländern einen stetig sinkenden Fleischkonsum, der sogar ein Rekordtief erreicht hat“

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© Proveg International

Die Ernährungsorganisation ProVeg International setzt sich auf vielen Ebenen für eine Transformation des globalen Nahrungsmittelsystems ein, welches weniger von der Tierhaltung abhängt und nachhaltiger für Menschen, Tiere und den Planeten ist. Auch im Jahr 2022 war ProVeg äußerst aktiv. So hat die Organisation unter anderem den Food4Climate Pavillon auf der Klimakonferenz COP27 mitorganisiert sowie eine bundesweite Petition gestartet, um pflanzliche Lebensmittel einschließlich Alternativprodukten unverzüglich und dauerhaft von der Mehrwertsteuer zu befreien. Matthias Rohra, der ProVeg-Geschäftsführer, gibt uns im Interview einen Überblick über die vielfältigen Aktivitäten von ProVeg International im Jahr 2022 und verrät uns, was die größten Herausforderungen und Highlights des Jahres waren.

Herr Rohra, was waren aus Sicht von ProVeg die größten Herausforderungen im Jahr 2022?

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ProVeg-Geschäftsführer Matthias Rohra © Proveg International

Unsere Ernährung ist eine der zentralen Ursachen der Klimakrise. Die Weltgemeinschaft muss dies dringend anerkennen und entsprechend handeln. Die gute Nachricht: Gemeinsam mit über 20 Partnern konnte ProVeg das Thema Ernährung und Klima mit dem Food4Climate-Pavillon auf der Weltklimakonferenz COP27 platzieren. Denn ohne eine Transformation unserer Ernährungssysteme sind die Klimaziele nicht einzuhalten.

Weltweit gibt es derweil Versuche, die Benennung pflanzlicher Alternativprodukte zu erschweren. Studien belegen aber, dass Begriffe wie „Veggie-Burger“ und „Veggie-Wurst“ die Verbraucher gar nicht verwirren. ProVeg hat sich deshalb auch 2022 entschieden gegen diese Zensur eingesetzt. Mit Erfolg: Die Regierung in Südafrika hat inzwischen ein Verbot von traditionell für Fleischprodukte verwendeten Begriffen für pflanzliche Alternativen pausiert.

Auch die immens steigenden Preise für Lebensmittel erschweren vielen Menschen in Deutschland eine klimagerechte Ernährung. Seit November fordern wir die Bundesregierung mit der Petition „0 % fürs Klima“ auf, pflanzliche Lebensmittel und Alternativprodukte von der Mehrwertsteuer zu befreien. Verbraucher müssen für pflanzliche Alternativprodukte im Vergleich zu den tierischen Pendants immer noch deutlich mehr zahlen: Dies hat die erste explorative Preisvergleichsstudie auf breiter Sortimentsebene in Deutschland bestätigt, die ProVeg im November veröffentlicht hat. Es wird Zeit, dass die klimafreundliche Wahl zur günstigeren wird.

Und natürlich war die Pandemie auch 2022 eine Herausforderung. In diesem Jahr war der wichtige persönliche Austausch auf Fachveranstaltungen wieder möglich. ProVeg präsentierte erstmals auf der IFFA, der Leitmesse für die Fleischwirtschaft, die Welt der alternativen Proteine: von pflanzenbasiert bis zellkultiviert, nicht nur für Flexitarier und hartnäckige Fleischfans. Nach zwei Jahren Pandemiepause ging 2022 auch die New Food Conference wieder erfolgreich an den Start: mit 400 Teilnehmern aus aller Welt, über 45 Speakern und 30 Start-ups, die spannende Produktneuheiten präsentierten.

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© Proveg International / David Barnes

Was waren die Highlights dieses Jahres?

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat es sich zur Aufgabe gemacht, unser Ernährungssystem zu transformieren. Zur Ausarbeitung der neuen nationalen Transformationsstrategie berät unter anderem ProVeg das BMEL. Die Strategie soll bis 2023 erarbeitet werden und eine gesunde pflanzenbasierte Ernährung fördern, die unsere Ressourcen schont.

Auch in der Gastronomie steigt das Interesse an pflanzlichen Speiseangeboten. Das hat unter anderem unser Vegan-Ranking der Systemgastronomie gezeigt, das in diesem Jahr die Restaurantkette Hans im Glück anführte. Head of Food Services & Events Katleen Haefele präsentierte die Ranking-Ergebnisse auf dem foodservice-Forum der Internorga vor 1.600 Branchen-Experten und stellte die überzeugendsten Plant-based-Konzepte der Markengastronomie vor. 

Ernährungsgewohnheiten festigen sich in jungen Jahren. ProVeg hat sich deshalb mit einer Petition an die Europäische Union gewandt und gefordert, Pflanzenmilch in das EU-Förderprogramm für Schulmilch aufzunehmen. Zusammen haben die europäischen ProVeg-Länder mehr als 70.000 Unterschriften gesammelt, über 20.000 davon kamen aus Deutschland.

Auch an den Universitäten fordern Studierende klimafreundliche pflanzenbasierte Mahlzeiten. ProVeg hat im Herbst sieben Studenten- und Studierendenwerke als Planetary-Health-Mensen ausgezeichnet – und die beliebtesten, buntesten und leckersten Rezepte der Mensen in einem Kochbuch veröffentlicht, das zum Nachahmen einlädt.

Nicht zuletzt haben sich einige Alumni unseres Incubator-Programms große Fördersummen gesichert, darunter Mushlabs mit einer achtstelligen EU-Förderung für Fleischalternativen aus Pilzen. Der ProVeg Incubator hilft aufstrebenden Start-ups, sich zielgerichtet und erfolgreich aufzustellen. Dank der erzielten Fördersummen können sie den Markt weltweit entscheidend verändern.

vegane Start-Ups
© ProVeg Incubator

Über welche Entwicklungen habt ihr euch in 2022 ganz besonders gefreut?

Deutschland verzeichnet als eines von wenigen Ländern einen stetig sinkenden Fleischkonsum, der sogar ein Rekordtief erreicht hat. Immer mehr Menschen machen sich Gedanken über die Auswirkungen ihrer Ernährung auf Klima, Tiere und ihre Gesundheit – und konsumieren weniger tierische Lebensmittel.

Diese Entwicklung erreichte zuletzt sogar das Oktoberfest und den Fußball – zwei Bereiche, die bisher nicht für pflanzenbasierte Köstlichkeiten bekannt waren. Im Hofbräuzelt waren 40 Prozent der verkauften Currywürste und 20 Prozent der Weißwürste vegan. Vereine wie der VfL Bochum bieten neuerdings pflanzliche Alternativen im Stadion an. Und unser Nationalspieler Thomas Müller verriet in einem Interview, dass er hin und wieder gern Fleischalternativen in seine Ernährung einbaut.

All das zeigt uns, dass wir wirklich viel bewegen können – selbst dort, wo wir es nicht erwartet hätten.

Was plant ihr für 2023?

Pflanzliche Alternativen müssen nicht nur lecker, sondern auch bezahlbar sein. Deshalb nehmen wir die Preisunterschiede zwischen ihnen und ihren tierischen Pendants unter die Lupe: Im kommenden Jahr soll auf unsere diesjährige Preisvergleichsstudie eine umfangreichere Studie folgen, die Daten und Preisentwicklungen der europäischen Nachbarländer einbezieht.

Erstmals planen wir für alle Kaffee-Fans auch ein Kaffeeketten-Ranking, das unser bekanntes Vegan-Ranking der Systemgastronomie ergänzen wird.

Zudem geht 2023 unsere VeggieChallenge-App in Deutschland an den Start: Wer die Challenge annimmt, den begleitet die App 30 Tage lang mit Tipps, Hintergrundinfos und Rezepten und ermuntert dazu, den Fleischkonsum zu reduzieren.

veggie challenge
© Proveg

Live-Kochshows sind in unserer Community sehr gefragt. Das haben einige erfolgreiche Sessions in diesem Jahr gezeigt. Daher können sich alle, die Lust auf eine leckere und kreative pflanzliche Küche haben, auf noch mehr Gelegenheiten zum Mitkochen freuen. 

Der ProVeg Incubator weitet seine Arbeit mit Partnern im Ausland aus und will insbesondere mehr Start-ups aus Lateinamerika und Asien aufnehmen.

Wie viele Mitarbeitende habt ihr derzeit und wo in der Welt seid ihr überall vertreten?

Inzwischen gibt es ProVeg in zehn Ländern auf vier Kontinenten: in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Polen, Spanien, Südafrika, Tschechien, den Vereinigten Staaten und – seit Neuestem – in Belgien und China. Mit dem neuen Asien-Büro sind wir in China die erste westliche Ernährungs-NGO und ebnen den Weg für pflanzliche und zellkultivierte Innovationen im bevölkerungsreichsten Land der Welt. So arbeiten über 200 Menschen an der ProVeg-Mission, die Ernährungssysteme zu transformieren.

Wir bedanken uns für das Gespräch, Herr Rohra.

 

Weitere Informationen zu ProVeg International finden Sie auf www.proveg.com.

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