Interviews

100 Tage Planteneers: Pflanzenbasierte Lebensmittel für eine nachhaltige Ernährung der Welt

Dr. Matthias Moser, Geschäftsführer der Food Ingredients Division der Stern-Wywiol Gruppe © Stern-Wywiol Gruppe GmbH & Co. KG

Planteneers – The Plant Based Pioneers“ heißt das junge Start-up, das bereits über jahrelange Erfahrung im Bereich pflanzenbasierter Lebensmittel verfügt. Der Hintergrund: Im Herbst vergangenen Jahres hat die Hamburger Stern-Wywiol Gruppe die plant-based Unit ihrer Tochtergesellschaft Hydrosol in ein eigenständiges Unternehmen umgewandelt. Dr. Matthias Moser, Geschäftsführer der Food Ingredients Division der Stern-Wywiol Gruppe, zieht Bilanz nach 100 Tagen.

Dieses Jahr hat nicht nur die Branche, sondern die gesamte Welt vor besondere Herausforderungen gestellt. War es eine gute Entscheidung, mitten in der Corona-Pandemie ein neues Unternehmen zu gründen – insbesondere, wenn man bedenkt, dass internationale Leitmessen wie die FIE abgesagt wurden?

Die Voraussetzungen für den Markteintritt hätten natürlich noch günstiger sein können. Wir sind aber mit dem Start überaus zufrieden: Planteneers hat sich sehr gut entwickelt. Im Zuge der allgemeinen Verunsicherung durch das neuartige Virus und die Pandemie-Situation haben Aspekte wie Nachhaltigkeit und Gesundheit bekanntlich bei den Verbrauchern einen neuen, hohen Stellenwert erhalten. Und so haben wir trotz oder vielleicht sogar gerade wegen der Pandemie viele spannende Anfragen von neuen Kunden bekommen – national und international. Hinzu kommt, dass wir auch nicht bei null angefangen haben, sondern auf den Erfahrungen von Hydrosol aufbauen konnten.

Was bedeutet das konkret?

Wir haben mit Hydrosol bereits vor mehr als sechs Jahren die ersten Funktionssysteme für die Herstellung von pflanzlichen Alternativen zu Käse und Wurst auf den Markt gebracht. Seitdem ist nicht nur das Sortiment, sondern auch unser Know-how in diesem neuen Markt stark gewachsen. Wir konnten uns im Laufe der Zeit als Experten für pflanzenbasierte Alternativen im internationalen Markt etablieren.

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Wäre es da nicht sehr viel einfacher gewesen, die erfolgreiche Marktposition von Hydrosol weiter auszubauen, statt ein neues Unternehmen zu gründen?

Nein, wir sind vom Fokus auf die Kunden und ihre Anwendungen überzeugt. Die Umsetzung dieser Strategie hätte sich unter dem Dach von Hydrosol nicht konsequent realisieren lassen. Hydrosol ist Spezialist in der Stabilisierung und Texturierung von Lebensmitteln. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um traditionelle Molkereiprodukte, Fleisch-, Wurst- und Fischerzeugnisse handelt oder um deren pflanzliche Alternativen. Mit Planteneers verlassen wir definitiv das Feld des ausschließlichen Stabilisierens und Texturierens. Wir konzentrieren uns auf die Entwicklung trendiger Produktkonzepte in den Wachstumssegmenten. Unsere Ingredients werden nicht mehr in homöopathischen Größen eingesetzt, um bestimmte Eigenschaften des Endprodukts zu verbessern, sie SIND mehr oder weniger das Endprodukt.

Welche Ziele verfolgen Sie mit Planteneers?

Als eigenständige Tochtergesellschaft innerhalb der Stern-Wywiol Gruppe ist Planteneers ab sofort Experte für pflanzliche Alternativen. Dieses Marktsegment hat inzwischen eine beachtliche Größe erreicht. Es bietet allerdings noch außerordentliche Wachstums-Chancen, die wir mit einem separaten Unternehmen und einer eigenen, darauf abgestimmten Strategie sehr viel besser realisieren können. Unser Claim „Planteneers – The Plant Based Pioneers“ deutet bereits darauf hin. Durch intensive Forschung, kreative Ideen und unermüdlichen Pioniergeist wollen wir mit Planteneers die Zukunft der Branche aktiv mitgestalten.

Auf welche Kundenklientel konzentrieren Sie sich dabei?

Unsere Lösungen richten sich an alle Unternehmen, die pflanzenbasierte Produkte oder „hybride“ Endprodukte – also Produkte, in denen der Anteil tierischer Bestandteile teilweise durch pflanzliche Zutaten ersetzt wird – auf den Markt bringen. Das können Firmen sein, die bereits im plant-based Segment zuhause sind, ebenso wie traditionelle Branchen, zum Beispiel Fleisch- und Geflügelindustrie, Fischproduzenten, Molkereiindustrie oder auch Feinkost- und Speiseeis-Hersteller, die ihr Sortiment um pflanzliche Erzeugnisse erweitern möchten. Auch Hersteller von Convenience-Produkten und Catering-Unternehmen können mit unseren Lösungen eigene Produkte kreieren.

Eine breite Zielgruppe, die ganz unterschiedliche Ansprüche und Produktionsbedingungen hat. Wir werden Sie dem gerecht?

Wir denken stets applikationsbezogen. Deshalb konzentrieren wir uns vorrangig auf Produktlösungen, die unsere Kunden auf bewährten und marktüblichen Produktionsanlagen herstellen können. Aber natürlich begleiten wir auch die Unternehmen, die sich mit ausschließlich für das „plant-based“-Segment konzipierten neuen Produktionstechnologien und -anlagen befassen. Unabhängig von den Produktionsbedingungen gibt es viele Parallelen. Ob plant-based Start-up, klassische Molkerei oder traditioneller Fleischproduzent, wer eine pflanzliche Alternative zu Joghurt, Käse, Fleisch und Wurst auf den Markt bringen will, muss sich mit den verschiedenen pflanzlichen Proteinen und funktions- bzw. eigenschaftsbeeinflussenden Zutaten sehr genau auskennen. Dieses Know-how haben wir über viele Jahre erarbeitet und in unserem 2019 gegründeten Plant Based Competence Center gebündelt.

Produktlösungen für Fertigprodukte

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Welchen Vorteil haben Ihre Kunden vom Plant Based Competence Center?

Mittlerweile haben wir hunderte von Anwendungsversuchen hinter uns und eine fundierte Datenbank zu den Charakteristika der neuen Proteinqualitäten und auch Zwischenprodukten wie Proteintexturaten aufgebaut. Dieser Erfahrungsschatz ist das Fundament unseres Plant Based Competence Centers. Hier beraten wir unsere Kunden nicht nur hinsichtlich der optimalen Proteinauswahl und -kombination, sondern auch in puncto Aromatisierung oder Nährstoffanreicherung. Und natürlich beobachten und teilen wir auch aktuelle Trends aus den globalen Märkten mit unseren Partnern. Das Plant Based Competence Center versteht sich somit als Keimzelle für zukunftsträchtige Lebensmittelkonzepte und zugleich aber auch als Dialog-Plattform für unsere Kunden.

Im Vision-Statement von Planteneers heißt es „Plant-based is the new normal” – glauben Sie das wirklich?

Wir sind davon überzeugt, dass eine pflanzenbasierte Ernährung maßgeblich dazu beitragen wird, die wachsende Weltbevölkerung auch in Zukunft mit ausreichend Lebensmitteln zu versorgen. Pflanzliche Produkte, die eine echte Alternative zu tierischen Erzeugnissen sind, unterstützen zugleich eine nachhaltigere Lebensweise. Und sie müssen in Zukunft ein völlig normaler Bestandteil unserer Ernährung sein. Das können sie nur werden, wenn die Lebensmittelindustrie in der Lage ist, den Geschmack der Kunden zu treffen und Lebensmittel zu entwickeln, die der Verbraucher in seine alltägliche Ernährung einbauen kann, ohne das Gefühl der Einschränkung zu haben. Unsere Mission lautet daher: We empower the world with delicious plant-based food solutions to feed everyone sustainably.

Die ganze Welt nachhaltig zu ernähren, ist eine große Herausforderung. Welche Lösungen bieten Sie konkret an?

Im Mittelpunkt stehen pflanzliche Alternativen zu Fleisch-, Wurst- und Fischprodukten sowie zu Milcherzeugnissen und Käse. Darüber hinaus entwickeln wir pflanzenbasierte Lösungen im Bereich Feinkost und Eiscreme, aber auch Convenience-Konzepte für pflanzliche Ei-Alternativen. Pflanzliche Backwaren ergänzen das Portfolio. Das Spektrum reicht bis hin zu Hybrid-Produkten, die aus pflanzlichen und tierischen Komponenten bestehen.

Ihre Produktkonzepte erscheinen unter der Dachmarke „fiild“. Die Assoziation zum Ackerbau ist sicherlich kein Zufall, oder?

Das stimmt, mit der Marke „fiild“ transportieren die Produktnamen den pflanzlichen Ursprung. Die markenbetonte Vorsilbe soll verdeutlichen, dass die pflanzenbasierten Lösungen echte Alternativen zu den konventionellen Produkten sind. Sie entsprechen dem tierischen Erzeugnis in Geschmack, Konsistenz, Zubereitung und Verzehr, kommen aber vom Feld anstatt aus dem Stall. Die Vorsilbe „fiild“ macht das deutlich – ob fiildMeat als pflanzliche Alternative zu Fleisch, fiildEgg für Ei-Alternativen, fiildDairy für Milchalternativen oder fiildDeli für Feinkostalternativen.

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Welche Produkte haben Sie bereits unter der neuen Dachmarke eingeführt?

Mit unserem Vollcompound aus der fiildFish-Reihe haben wir ein Produkt eingeführt, mit dem unsere Kunden auf Basis von Reistexturat pflanzenbasierte Varianten zu panierten Produkten wie Fischstäbchen und Fischfilet herstellen können. Hinzu kommt alternativer Thunfisch, der optisch und geschmacklich an Thunfisch aus der Dose erinnert und vielseitig einsetzbar ist. Eine weitere Lösung sind pflanzliche Sushi-Alternativen. Außerdem führen wir mit fiildEgg P eine Produktreihe für Alternativen zu Egg-Pattys ein. Die pflanzlichen Erzeugnisse eignen sich zum Beispiel ideal für den Convenience- und Außer-Haus-Markt – insbesondere für Bäckereien und Quick-Service Restaurants. 

Was befindet sich aktuell in der Pipeline?

Zurzeit forschen wir im Bereich pflanzenbasierter Käse-Alternativen nach Lösungen, die nicht nur mit ihren technologischen Eigenschaften überzeugen, sondern auch mit ihrem Nährstoffprofil. Hier haben wir bereits einige Erfahrungen gesammelt. Durch die enge Zusammenarbeit mit unserer Schwestergesellschaft SternVitamin haben wir angereicherte Pflanzendrinks für spezielle Zielgruppen entwickelt. Dieses Wissen nutzen wir jetzt, um auch das Nährstoffprofil von pflanzlichen Käse-Alternativen zu verbessern und Genuss mit gesunder Ernährung zu vereinen. Im Bereich Backwaren haben wir zusammen mit unserer Schwestergesellschaft DeutscheBack pflanzliche Burger-Buns entwickelt. Konzepte für pflanzenbasierte Feinbackwaren sind aktuell in Arbeit, um dieses Segment zu komplettieren. Unsere Entwickler und Produktmanager haben ihr Ohr immer am Markt, um die neuesten Trends im plant-based Bereich zu bedienen. Dieser Markt entwickelt sich rasant und wir werden noch einige Neuheiten präsentieren.

Schwestergesellschaft ist ein gutes Stichwort: Welche Rolle spielt Planteneers innerhalb der Stern-Wywiol-Gruppe?

Unser Ziel ist es, Planteneers als eine wesentliche Säule innerhalb der Gruppe zu positionieren. Die Chancen dafür stehen gut, da plant-based auch für unsere Schwestergesellschaften interessante Optionen bietet. Angesichts der globalen Herausforderung, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, haben pflanzliche Alternativen eine enorme Bedeutung. Mit Planteneers möchten wir attraktive Lösungen entwickeln und unseren Beitrag leisten. Auf der anderen Seite können wir unseren Kunden durch die Zusammenarbeit mit unseren Schwestergesellschaften Konzepte aus einer Hand bieten – von Stabilisieren und Texturieren bis Aromatisieren und Fortifizieren.

Wird dabei die enge Verbundenheit von Planteneers und Hydrosol weiter fortgesetzt?

Auf jeden Fall, das Know-how von Hydrosol in der Stabilisierung und Texturierung von Lebensmitteln ist von großer Bedeutung für Planteneers. Ein enger Austausch zwischen den Technologen gewährleistet, dass pflanzliche Desserts mit cremiger Textur überzeugen und Fleisch-Alternativen den bekannten Biss haben. Die Texturierung von Produkten, um den perfekten Geschmack zu erreichen, ist schließlich die Kernkompetenz von Hydrosol. Denn auch die besten pflanzlichen Alternativen sind nur dann erfolgreich, wenn sie lecker schmecken und eine vertraute Konsistenz haben.

Welche Ziele verfolgen Sie mit Planteneers in 2021? Was haben Sie sich vorgenommen?

Ein wesentliches Ziel ist die Internationalisierung. Wir konzentrieren uns auf den Ausbau unseres Vertriebsnetzwerks und auf eine intensive Zusammenarbeit mit unseren Auslandsgesellschaften. In bedeutenden Schlüsselmärkten wie den USA planen wir auch eigene Produktionsstätten. In puncto Portfolio sind der Launch einer umfangreichen Hybrid-Reihe und der Ausbau des Bereichs Backwaren zwei Meilensteine. Bei diesen Aktivitäten spielt Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle – unter anderem bei der Rohstoffbeschaffung. Hier setzen wir bevorzugt auf regionale Lieferanten. Generell wollen wir das Thema auch in der Produktion und in der Logistik weiter vorantreiben.

Herr Moser, vielen Dank für das ausführliche Gespräch!

 

Über Planteneers:

Die Planteneers GmbH mit Sitz in Ahrensburg entwickelt und produziert individuelle Systemlösungen für pflanzenbasierte Alternativen in den Bereichen Fleisch-, Wurst- und Fischwaren sowie Käse, Milchprodukte und Feinkost. Als Tochtergesellschaft der konzernunabhängigen, inhabergeführten Stern-Wywiol Gruppe mit insgesamt 12 Schwesterfirmen nutzt Planteneers diverse Synergien. Dem Unternehmen steht das gesammelte Know-how von rund 100 F&E-Spezialisten im großen Ahrensburger Stern Technology Center mit umfangreicher Anwendungstechnik zur Verfügung. Als Teil des Technologiezentrums ist das 2019 gegründete Plant Based Competence Center der Kreativpool für alternative Lösungen und das Herzstück von Planteneers. Kunden profitieren zudem von dem internationalen Netzwerk der Gruppe, bestehend aus 17 Filialen und zahlreichen qualifizierten Auslandsvertretungen in den bedeutenden Schlüsselmärkten. Hinzu kommen gemeinsam genutzte Produktionsanlagen bis hin zur gruppeneigenen Logistik. Die Stern-Wywiol Gruppe zählt mit einem Umsatz von über 500 Mio. EUR und weltweit knapp 1700 Mitarbeitern zu den erfolgreichen international operierenden Unternehmen in der Welt der „Food & Feed Ingredients“.

 

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