Würzige Currys aus Asien, Fischgerichte aus Skandinavien, Käse aus der der Alpenregion und Backkunst aus dem Baltikum: Auf der Grünen Woche in Berlin (20. – 29. Januar) kann wieder eine kulinarische Weltreise erlebt werden. Wenn man sich das leisten kann, denn immer mehr Menschen müssen gerade wegen der hohen Inflation und den steigenden Energiepreisen jeden Cent sparen.
Entlastung könnte eine Mehrwertsteuerreform bringen, die sich stärker an ökologischen und sozialen Gesichtspunkten ausrichtet. Das schlägt das Umweltbundesamt (UBA) vor. Im Gespräch mit UBA-Präsident Dirk Messner.
Herr Messner, wie sieht das Mehrwertsteuer-Reform-Konzept des UBA konkret aus?
Das UBA schlägt vor, die Mehrwertsteuer auf pflanzliche Grundnahrungsmittel, das ist Obst, Gemüse und so weiter, von 7 Prozent auf 0 Prozent zu senken. Das würde die privaten Haushalte um vier Milliarden Euro entlasten – und das würde natürlich insbesondere Rentnerinnen und Rentner, Leute mit geringem Einkommen entlasten. Das ist genau das, was wir wollen. Und zugleich haben wir es dann mit einer gesunden Ernährung zu tun, die auch klimaverträglich ist.
Wie profitieren Klima und Umwelt davon, wenn mehr pflanzliche Produkte verkauft und gegessen würden?
Das ist ein wirklich wichtiger Punkt, weil pflanzliche Produkte haben gegenüber tierischen Produkten nur einen Bruchteil des Klimafußabdruckes. Wenn Sie daran denken, dass wir ein Kilo Rindfleisch produzieren, dann geht das einher mit sieben bis 28 Kilogramm Treibausgasen, die ausgestoßen werden. Und für ein Kilo Gemüse werden weniger als ein Kilogramm Treibhausgase ausgestoßen. Also hier haben wir wirklich einen richtigen Hebel in der Hand, auch als Konsumentinnen und als Konsumenten. Und wir müssen wissen: In Deutschland gehen zwei Drittel der Treibhausgasemissionen, die mit der Landwirtschaft zu tun haben und unserer Ernährung, die gehen einher mit der Tierhaltung und dem Fleischkonsum.
Wenn Sie eine Mehrwertsteuersenkung für klimafreundliche pflanzliche Lebensmittel vorschlagen, müsste langfristig gesehen dann nicht auch die Mehrwertsteuer für umweltbelastende Lebensmittel steigen?
Grundsätzlich sehen wir das tatsächlich so, dass in Zukunft die Subventionierung von Fleisch-, Wurst- und Milchprodukten zurückgefahren werden müsste. Das hieße, dass der Mehrwertsteuersatz von heute 7 Prozent auf dann die normalen 19 Prozent angehoben werden müsste. Das schlagen wir aber nicht vor für die aktuelle Situation, weil die aktuelle Situation durch hohe Inflation gekennzeichnet ist. Viele Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Lebensmittel überhaupt zu finanzieren. Also im Augenblick ist unser Kernvorschlag: Mehrwertsteuer runter bei pflanzlichen Lebensmitteln.
Wo sehen sie denn bei einer sozialen und klimaorientierten Mehrwertsteuerreform weiteren Handlungsbedarf?
Wir schlagen ganz konkret vor, durch steuerliche Vergünstigungen Klimaschutzmaßnahmen in einer ganzen Reihe von Bereichen voranzubringen: Heizungsmodernisierung ist ein Fall, ein anderer Bereich sind Häusersanierungen. Also da auf Klimaneutralität zu setzen, das sollte steuerlich begünstigt werden. Ein anderer Bereich, der uns wichtig ist, da geht’s um die Reparatur zum Beispiel von Kleidung, von Fahrrädern, von Schuhen: Auch da wollen wir Steuerermäßigungen sehen, weil, das stärkt die Kreislaufwirtschaft. Und vielleicht ein letztes Beispiel: Beim öffentlichen Nahverkehr schlagen wir vor, die Mehrwertsteuer gänzlich runterzufahren, auf null, um öffentlichen Verkehr insgesamt zu unterstützen.
All diese Vorschläge haben Sie schon Mitte des vergangenen Jahres auf den Tisch gelegt. Woran liegt es, dass diese bisher nicht in die Tat umgesetzt wurden?
Also ich freue mich, dass jetzt vielleicht auch gerade zur Grünen Woche der Landwirtschaftsminister genau diese Fragestellung, Mehrwertsteuerabsenkung für pflanzliche Lebensmittel, aufgegriffen hat. Vielleicht wird das jetzt was, vielleicht wird das schnell umgesetzt. Und das hätte eben einen dreifachen Effekt: Der Landwirtschaftsminister würde drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Klimaschutz, Gesundheitsschutz, sozialer Ausgleich. Das geht zusammen!
Sollte es zu einer Mehrwertsteuersenkung auf pflanzliche Lebensmittel kommen, was macht Sie so sicher, dass diese am Ende dann auch wirklich bei den Menschen im Land ankommt?
Das haben wir gesehen, dass man darauf achten muss, dass es kein Automatismus ist, das haben wir bei den Tankstellenrabatten ja gesehen. Und da sind zwei Mechanismen von großer Bedeutung: Die Verbraucherschutzverbände müssen da draufgucken, also die Öffentlichkeit sozusagen, und sichtbar machen, wenn diese Preissenkung nicht weitergegeben werden. Und dann haben wir ja Wettbewerbshüter in Deutschland, die auch schauen, ob die Preise den Wettbewerb widerspiegeln, den wir brauchen. Und die Wettbewerbshüter können deswegen als zweiter Akteur uns darauf hinweisen, ob die Preissenkungen wirklich weitergegeben werden an Bürgerinnen und Bürger oder nicht.
Herr Messner, wir bedanken uns für das Gespräch.
Mehr Infos zum Thema „Mehrwertsteuerreform aus ökologischer und sozialer Sicht“ finden Sie auf der Webseite des UBA unter www.umweltbundesamt.de.