Interviews

Im Interview mit Oatly: „In den aktuellen omnivor-geprägten Ernährungsempfehlungen sind Menschen, die sich pflanzlich ernähren, noch kaum vertreten“

Der schwedische Hafer-Spezialist Oatly bietet ein breites Portfolio an pflanzlichen Molkereialternativen, einschließlich Alternativen zu Milch, Eiscreme, Joghurt, Kochcremes, Brotaufstrichen und On-the-go-Getränken. Das Unternehmen setzt sich seit längerer Zeit auf politischer Ebene für eine Gleichbehandlung von pflanzlichen Alternativen und tierischen Produkten ein und stellt dazu zusammen mit verschiedenen Partnern konkrete Forderungen an die Politik.

Wir sprachen in Interview mit Svenja Fritz, die den Bereich Head of Communication & Public Affairs bei Oatly für Deutschland, Österreich, der Schweiz und Polen verantwortet. Seit 2021 setzt sich Fritz dafür ein, den Wandel hin zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem voranzutreiben. Sie verantwortete bereits leitende Positionen im Abgeordnetenhaus in Berlin, im Ministerium für Integration Baden-Württemberg und im Deutschen Bundestag. Zuvor war sie als Pressesprecherin für die Wirtschaftssenatorin und Bürgermeisterin von Berlin tätig.

Frau Fritz, Oatly bringt sich öffentlichkeitswirksam in gesellschaftspolitische Debatten rund um nachhaltige Ernährung ein. Als Head of Public Affairs, welche Themen beschäftigen Sie in diesem Bereich aktuell?

Ein großer Fokus liegt auf unserer Initiative Together for Carbon Labelling (TCL). Hier setzen wir uns für mehr CO2e-Transparenz in der gesamten Lebensmittelindustrie ein. Mit Partnern, wie unter anderem FRoSTA, Erdbär, Veganz, Nestlé und HelloFresh entwickeln wir einen einheitlichen, industrieweiten Standard für die Kennzeichnung von Klimaauswirkungen auf Lebensmitteln. Dazu wird Oatly dieses Jahr auch noch etwas lauter werden, worauf ich mich sehr freue.

Zudem verfolgen wir die von SPD und Grünen zurecht angeregte Mehrwertsteuersenkung von Pflanzendrinks auf 7 % statt 19 % gespannt. Eine Anpassung, die schon längst überfällig ist und ein wichtiges Zeichen setzt – die Politik muss endlich klimafreundliche Ernährungsgewohnheiten stärken und für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen.

oatly
Svenja Fritz © Oatly

Was hat es mit der Überarbeitung der DGE-Ernährungsempfehlungen auf sich und warum ist es für Oatly als Unternehmen wichtig, dazu Stellung zu beziehen?

Die DGE überarbeitet im Auftrag des BMEL umfassend die lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen. Diese sind für Deutschland bedeutend, denn sämtliche öffentliche Einrichtungen wie z.B. Kantinen orientieren sich daran. Erstmalig möchten sie nun auch Umweltauswirkungen von Lebensmitteln – etwa Treibhausgasemissionen und Landnutzung – mitberücksichtigen.

In den aktuellen omnivor-geprägten Ernährungsempfehlungen sind Menschen, die sich pflanzlich ernähren, noch kaum vertreten und angereicherte Pflanzendrinks, wie z.B. Oatly sie als Ersatz für Kuhmilch herstellt, sucht man vergebens. Das ist bedenklich und steht im Gegensatz zu den Empfehlungen des IPCC, auf pflanzliche Ernährungsweisen umzusteigen (IPCC 2023). Länder wie Schweden, Großbritannien und Australien sind da schon weiter und haben ihre Ernährungsempfehlungen folgerichtig um angereicherte Pflanzendrinks ergänzt. Deutschland muss jetzt endlich nachziehen! 

Welche konkreten Forderungen haben Sie an die DGE?

Wir sehen das Vorhaben der DGE als dringend notwendig, die Guidelines entsprechend veränderter Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung anzupassen und dabei auch nachhaltige Gesichtspunkte einbeziehen zu wollen. Schließlich besteht Deutschland inzwischen zu 44 % auch aus einem erheblichen Anteil an Flexitariern (BMEL 2022) und vegane und vegetarische Produkte werden im Alltag der Konsumenten immer beliebter.

Allerdings hat sich in einer ersten Vorstellung der zugrundeliegenden DGE-Berechnungsmethodik gezeigt, dass dem noch nicht in genügendem Maße Rechnung getragen wird: Bisher scheint es nicht angedacht zu sein, Kuhmilch und Milchprodukte im selben Umfang zu reduzieren wie z.B. Fleisch und Fleischprodukte. Wir sehen es als unerlässlich an, dass Vitamin- und Mineralstoff-angereicherte pflanzliche Milchalternativen endlich mit in die Empfehlungen der DGE aufgenommen werden. Hierdurch würden die Verbraucher und Verbraucherinnen neben einer günstigen Fettsäurekomposition nicht nur mit hochwertigen Ballaststoffen, welche Deutsche beispielsweise in viel zu geringem Maße konsumieren, versorgt werden, sondern auch ihre Bedarfsdeckung an wertvollen Mikronährstoffen, entsprechend denen der Kuhmilch, sicherstellen.

Auch aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten wäre eine Änderung der DGE-Empfehlungen wichtig, da die Umweltbelastung durch die Kuhmilchproduktion deutlich höher ist. Beispielsweise hat einer aktuellen Studie zufolge die in Deutschland verkaufte Oatly Barista eine um 65 % geringere Klimabelastung als vergleichbare Kuhmilch.

die neue Oatly Barista für Kaffeeliebhaber
© Oatly

Als Teil der Initiative „Together for Carbon Labelling“ fordert Oatly mit Mitstreitern von der Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur CO2e-Kennzeichnung auf Lebensmitteln. Was sind die Hauptargumente für ein verpflichtendes Carbon Labelling?

Um sowohl bei den Lebensmittelherstellern als auch bei den Verbrauchern ein Bewusstsein für die Klimaauswirkung von Lebensmitteln zu schaffen, bedarf es einer verpflichtenden und standardisierten CO2e-Kennzeichnung auf Nahrungsmitteln. Was tagtäglich auf unseren Tellern und in unseren Tassen landet, hat erhebliche Auswirkungen und ist ein wichtiger Hebel – dies muss sichtbar gemacht werden, damit Verbraucherinnen und Verbraucher nachhaltigere Kaufentscheidungen treffen können.

Immer mehr Lebensmittelfirmen weisen für ihre Produkte CO2e-Werte aus, allerdings basieren diese Fußabdrücke auf unterschiedlichen Berechnungsmethoden und Darstellungsweisen, sodass keine Vergleichbarkeit möglich ist. Das Ziel von TCL ist daher die wissenschaftlich fundierte Entwicklung einer standardisierten und produktspezifischen CO2e-Berechnung für Lebensmittel und deren transparente Kommunikation. 

Wie geht es damit voran? Sind Sie mit der Bundesregierung im Austausch und optimistisch, dass ein solcher Gesetzentwurf noch in der aktuellen Legislaturperiode umgesetzt wird?

Die zentrale Forderung von TCL ist die Vorlage eines Gesetzesentwurfs in Deutschland noch in der aktuellen Legislaturperiode. Schließlich wurde im Koalitionsvertrag betont, dass die Entwicklungen von Kriterien für einen ökologischen Fußabdruck unterstützt werden sollen, wir haben also keine Zeit mehr zu verlieren. TCL steht mit der Bundesregierung im stetigen Austausch und wir konnten den Prototypen eines standardisierten CO2e-Scores für die Lebensmittelindustrie auf der Veranstaltung „Klimafreundlicher Essen und Trinken“ im Juli unter der Schirmherrschaft des Büros der SPD-Abgeordneten Rita Hagl-Kehl im Bundestag vorstellen. 

In vier weiteren Veranstaltungen im Bundestag werden wir gemeinsam mit Abgeordneten auch in den kommenden Monaten diskutieren, wie Rahmenbedingungen und Standards für eine branchenweite CO2e-Kennzeichnung von Lebensmitteln aussehen können. Dabei konzentrieren wir uns auf die drei Interessensgruppen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, die für den Prozess der Einführung einer gesetzlich verpflichtenden und regulierten Klimakennzeichnung von Lebensmitteln eine bedeutende Rolle spielen. Deutschland hat die Chance, die von Konsumenten schon lange geforderte, wichtige Klimaschutzmaßnahme noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen und international eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Das treiben wir voran.

oatly sortiment
© OatlyAB

Was sind aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren die größten Chancen und Herausforderungen für Unternehmen im Bereich pflanzlicher MoPro-Alternativen?

Der Konsum von Trinkmilch sinkt weiterhin, während die positive Marktentwicklung in der Kategorie pflanzenbasierter Produkte anhält. Die Präferenz und Nachfrage bei den Verbrauchern nach pflanzlichen Milchalternativen nimmt rasant zu.

Ungleichbehandlung und unfaire Wettbewerbsbedingungen behindern den Wandel hin zu stärker pflanzenbasierten Ernährungsgewohnheiten allerdings, weil unser Lebensmittelsystem Produkte tierischer Herkunft nach wie vor deutlich bevorteilt – zu sehen beispielsweise an den sehr hohen Subventionen für die Milchwirtschaft, den erwähnten steuerlichen Benachteiligungen pflanzlicher Lebensmittel oder auch an der anhaltenden Diskussion in EU-Mitgliedsstaaten rund um die Verschärfung des Bezeichnungsschutzes. Es ist uns daher ein besonderes Anliegen, kontinuierlich auf dieses ungleiche System hinzuweisen und die Politik aufzufordern, zukunftsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen!

Frau Fritz, wir bedanken uns für das Gespräch.

 

Weitere Informationen zu Oatly finden Sie unter: www.oatly.com/de

Hier klicken, um das historische Aktienchart des in diesem Artikel erwähnten Unternehmens anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von Stockdio.

Teilen

Newsletter

Entscheidendes für Entscheider: Erhalten Sie regelmäßig die wichtigsten News aus der veganen Wirtschaft per E-Mail!

Kostenlos Abonnieren!

Börsennotierte Unternehmen

Hier finden Sie eine Liste von über 80 börsennotierten Unternehmen, über die wir in der Vergangenheit berichtet haben. Mit direkten Links, um alle Artikel zu den einzelnen Unternehmen zu lesen.