Schon in ihrer Jugend hat sich Dr. Zoe Mayer politisch engagiert. Mit 14 Jahren ist sie der Partei Bündnis 90/Die Grünen beigetreten. Seit 2021 ist die aus Karlsruhe stammende Politikerin Abgeordnete im Bundestag. Vor allem Tier- und Klimaschutz liegen ihr am Herzen. Wenn Teile des gesellschaftlichen Fleischbedarfs durch Zellkulturfleisch gedeckt werden, könne die Tierhaltung ihrer Meinung nach ab- und umgebaut werden. Und das sei gut für die Tiere und das Klima. „Die Frage ist nicht, ob zellkultiviertes Fleisch kommt, sondern wie“, meint sie.
Im Interview spricht Dr. Zoe Mayer mit uns darüber, warum sie Ängste gegenüber der neuen Technologie durchaus nachvollziehen kann, dass sie auch in Deutschland mit einer Bewegung gegen Kulturfleisch rechnet und warum sie selbst auf Dauer keine In-Vitro-Produkte essen würde.
Frau Mayer, Klimaschutz und Tierschutz sind Ihre beiden Schwerpunktthemen. Seit wann interessieren Sie sich für Tierschutz?
Schon seit meiner Kindheit. Es hat mich schon immer emotional mitgenommen, wenn ich gesehen habe, wie Menschen mit Tieren umgehen. In der sechsten Klasse habe ich mit meinen Mitschülern und Mitschülerinnen Spenden für ein Tierheim gesammelt. Später habe ich mir viele der einschlägigen Videos angeschaut. Ich habe nur gedacht: Was passiert da? Und ich habe mit der Zeit gemerkt, dass es sich eben nicht nur um Ausnahmen handelt.
Wie sind Sie dann auf das Thema Kulturfleisch gestoßen?
Das Thema entwickelt sich seit Jahren und ich habe es interessiert verfolgt. Ich denke, es kann eine Alternative für viele Menschen sein.
Glauben Sie, dass wir in einigen Jahren oder Jahrzehnten alle nur noch Kulturfleisch essen, oder wird es eher ein Nischenprodukt bleiben?
Das wäre jetzt sehr ins Blaue hineininterpretiert. Letztendlich kann das keiner sagen. Vor allem wissen wir nicht, wie sich die Akzeptanz in der Bevölkerung entwickelt. Was aber auf keinen Fall geschehen sollte, ist eine Art Kulturkampf. Bei allen unterschiedlichen Sichtweisen darf nicht vergessen werden, dass ja niemand Kulturfleisch essen muss. Und wenn es auf den Markt kommt, dann nur, wenn es den höchsten Sicherheitsstandards der Europäischen Union genügt.
Das Thema Kulturfleisch ist in den vergangenen Jahren immer bekannter geworden. Doch haben es alle Politiker auf dem Schirm?
Ich denke schon, dass es alle mittlerweile auf dem Schirm haben – aber es sind nicht alle demgegenüber positiv eingestellt. Das sehen wir zurzeit auch in vielen anderen Ländern wie Italien, Österreich und Frankreich, wo es Bewegungen gegen kultiviertes Fleisch gibt. Das wird auch in Deutschland auf uns zukommen – beispielsweise vonseiten der AFD.
Auch bei den Grünen gibt es kritische Stimmen. Und es gibt ja auch Punkte, die noch geklärt werden müssen. So ist die Kultivierung von Fleisch sehr energieintensiv. Das bedeutet, dass vielleicht nicht jedes tierische Lebensmittel kultiviert werden sollte. Und es bleibt außerdem notwendig, dass insgesamt weniger tierische Produkte konsumiert werden. Unter dem Strich wollen wir Grüne die Entwicklung von zellkultiviertem Fleisch aber mit begleiten und gestalten.
Die Fernsehköchin Sarah Wiener, die für die österreichischen Grünen bis Juni 2024 im Europäischen Parlament sitzt, wettert öffentlich gegen Kulturfleisch, bezeichnet es unter anderem als unnatürlich.
Diese Debatten werden überall geführt. Bei neuen Technologien, vor allem im Bereich Ernährung, gibt es viele Vorbehalte. Und es ist ja auch ein nachvollziehbarer Instinkt. Viele der Schreckensszenarien, die sich manche ausmalen, sind zwar nicht rational zu erklären, aber man muss dennoch mit diesen Ängsten umgehen.
Und nochmals: Es wird ja niemand gezwungen, kultiviertes Fleisch zu essen. Die Produkte werden zudem natürlich klar gekennzeichnet. Schon allein deshalb, weil viele Menschen überhaupt kein Fleisch essen wollen – egal, ob konventionell hergestellt oder kultiviert. Letztendlich ist es wichtig, dass eine Wahlfreiheit besteht, dass die Produkte sicher und gesund sind und dass eine gute Aufklärung gewährleistet ist.
Würden Sie als Veganerin Kulturfleisch essen?
Wenn die Produkte sicher und gesund sind, dann bin ich offen dafür. Es wird wohl aber kein regelmäßiger Bestandteil meiner Ernährung werden. Denn letztendlich ist es Fleisch und unter Umweltschutzaspekten nicht so vorteilhaft wie beispielsweise Gemüse.
Frau Dr. Mayer, wir bedanken uns für das Gespräch.
Dieses Interview wurde geführt und zur Verfügung gestellt von der Journalistin Susanne van Veenendaal. Im Rahmen eines Buchprojekts über kultiviertes Fleisch, das den Titel „Die neue Fleischkultur – Warum Cultured Meat gut für Tier, Mensch und Umwelt sein kann“ tragen wird, an dem Susanne van Veenendaal gemeinsam mit Christoph Werner und Bastian Huber von cultured-meat.shop arbeitet, spricht sie mit verschiedenen deutschen Unternehmen, Forschern und Initiativen der Branche.