Markt & Trends

Godo Röben im Interview: „In jeder anderen Branche würden bei diesen Zahlen die Sektkorken knallen“

Kaum jemand kennt die pflanzenbasierte Branche in Deutschland so gut wie Godo Röben. Mit seiner beeindruckenden Erfahrung – von seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat bei Bauer über seine Beratungs- und Beiratsmandate bei REWE, LIDL, IFF/Billie Green, Vutter Tiernahrung, Evo4Foods, Project Eaden und Follow Food bis hin zu seiner Rolle als Vorstand bei BALPro – prägt er die Zukunft der pflanzlichen Lebensmittel maßgeblich mit. Als ehemaliger Geschäftsführer der Rügenwalder Mühle brachte er die Marke auf Erfolgskurs im Veggie-Segment, wofür ihn der SPIEGEL 2023 als ‚König der Veggie-Würste‘ adelte.

Im Gespräch verrät Röben seine persönlichen Highlights des vergangenen Jahres, welche politischen Weichenstellungen jetzt dringend nötig sind und welche Erfolgsfaktoren die pflanzenbasierte Branche in Deutschland voranbringen können.

Wie siehst Du den Markt der Alternativen Proteine zum Jahreswechsel 2024-2025?

Insgesamt positiv, auch wenn die Stimmung schlechter ist als die Lage. Der Markt wächst in vielen Bereichen seit 10 Jahren, so auch 2025. Im Fleisch- und Wurstbereich oder im Milchsegment ist er im letzten Jahr sogar wieder knapp zweistellig gewachsen. In jeder anderen Branche würden bei diesen Zahlen die Sektkorken knallen. Man denke nur mal an die Bierbranche, die Spirituosenbranche oder die Fleisch- und Wurst-Hersteller.

Aber so sind wir Deutschen. Neue Märkte, wie beispielsweise die E-Mobilität, die erneuerbaren Energien und auch die Alternativen Proteine wachsen Jahr für Jahr, schaffen Arbeitsplätze und sichern uns die Zukunft für den Innovationsstandort Deutschland – wenn wir dort Gas geben – aber sie werden durchgehend mit Kritik und Innovationsangst begleitet.

Wie meinst Du das?

Es ist doch normal, dass in neuen Märkten nicht alles sofort klappt, die Produkte noch nicht alle sofort perfekt schmecken, es nicht sofort kurze Zutatenlisten gibt, wir nicht sofort nur regionale Rohstoffe nutzen, die Produkte nicht sofort günstiger sind als die tierischen Pendants, usw. Aber das wird gerne verlangt und dabei außer Acht gelassen, dass man, wenn man etwas Neues macht, nie sofort perfekt ist.

Ähnlich wie bei einem Kind, welches schwimmen lernt. Das wird auch nicht am ersten Tag 100 Meter schwimmen, vom Dreier springen und 2 Meter tief tauchen. Und genauso wie wir unsere Kinder dabei begleitet haben, schwimmen zu lernen – kleine Erfolge zu feiern, Schritt für Schritt zu gehen, bei Niederlagen zu motivieren – genauso müssen wir neue Branchen begleiten. Denn wie unsere Kinder sind neue Branchen und neue Märkte unsere Zukunft.

Warum begleitet die Politik, die Gesellschaft diese Veränderungen dann so kritisch?

Der Großteil der Menschen mag keine Veränderungen, aber in den letzten 10 Jahren hat sich die Welt nun einmal so schnell verändert wie noch nie zuvor. Und man muss kein großer Wahrsager sein, um sagen zu können: So langsam wie in den letzten 10 Jahren wird sich die Welt wohl nie mehr verändern.

Das heißt, dass wir uns alle daran gewöhnen müssen und den Fortschritt mit offenen Armen annehmen sollten. Auch wenn er erfolgreiche Firmen und Branchen stark verändert und manchmal auch wegfegt. Das gehört zur Erneuerung dazu.

Es gibt zwei Alternativen für den Agrarstandort Deutschland. Entweder wir verteidigen nur das Alte, fordern Subventionen dafür und bauen eine Verteidigungshaltung auf, indem wir die Neuerungen bekämpfen, ähnlich wie es die deutsche Automobilbranche gemacht hat oder wir lernen aus dem Beispiel und treiben die Veränderung der Agrarbranche selbst voran.

Was müsste die Politik denn machen, um diese Veränderungen in der Agrarbranche voranzubringen?

Neue Märkte benötigen am Anfang die Unterstützung der Politik. Wie ist das Silikon Valley entstanden? Wie ist China Marktführer in der Solarbranche geworden? Wie nehmen uns gerade die USA und China die Marktführerschaft in der Automobilbranche ab? Mit starken Anfangsunterstützungen für die neuen Märkte. Dazu gehören Geld, Forschung & Entwicklung und vor allem eine positive visionäre Begleitung, auch seitens der Politik. Was uns nicht voranbringt, sind Bratwurst-Selfies ;).

Kommen wir zum Tagesgeschäft. Was waren Deine AP-Highlights des letzten Jahres?

Da gibt es einige. Das Steak von planted hat mich begeistert, die Spare Ribs von Juicy Marbles haben mich umgehauen und die Frischkäse-Varianten von Formo und Bresso sind auch grandios. Ebenso die neuen „Not-Milk“ Produkte.

Dazu durfte ich schon einige Produkte von verschiedenen Firmen verkosten, die in diesem Jahr auf den deutschen Markt kommen und ich kann sagen, dass wir auch im Bereich der „Stückware“ (Kochschinken, Rohschinken, Steaks, Medaillons, …) richtig gute Produkte sehen werden.

Foto: Vutter!

Und – es geht im Hundefutter-Bereich jetzt so langsam los. Neben den StartUps wie Veg-Dog kommen jetzt auch traditionelle Hundefutter-Anbieter wie Landguth (Vutter) in den Markt. Natürlich sind Hundebesitzer schwer zu knacken, aber die neuesten Studien, die zeigen, dass veganes Hundefutter gesünder ist als Hundefutter aus Tier, bzw. gesünder ist als Barfen (Anm. d. Red.: sogenannte Barf-Ernährung, bei der rohes Fleisch, Knochen, Innereien sowie Gemüse und Obst gefüttert werden), werden dem Markt auf die Sprünge helfen.

Was bewegt den Markt noch?

Der Scheiben-Käsebereich enttäuscht noch ein wenig, da hier noch keine Produkte entwickelt worden sind, die mit tierischem Käse mithalten können. Das bemerkt aber auch der Kunde und lässt die Varianten dort eher mal liegen. Daher ist die Menge im Scheibenkäse-Markt auch zurückgegangen. Die Verbraucher haben sich im AP-Markt jetzt schon an relativ gute Alternativen gewöhnt. Daher müssen neue Produkte und Marken auch etwas Besonderes liefern. Dann haben sie aber gute Chancen und können in dem Markt auch mal etwas durcheinander wirbeln.

the planty butchers billie green
© The Plantly Butchers GmbH

Ein gutes Beispiel ist Billie Green. Innerhalb von 2 Jahren hat die Truppe über 20 Mio. € Umsatz gemacht, ist auf Platz 3 im Umsatz-Ranking gestiegen und gehört somit zu den erfolgreichsten Food-Startups der letzten Jahre in Deutschland. Dies ist auch ein tolles Beispiel, wie eine Firma der Old Economy (InFamily Foods) in einem neuen Segment Wert schaffen kann.

Beispielrechnung: In diesem Bereich werden erfolgreiche Firmen noch mit dem 3- bis 5-Fachen Umsatz bewertet und somit sind dort innerhalb von 24 Monaten 60-100 Mio. € Wert geschaffen worden.

Es gibt auch Beispiele von Misserfolgen in diesem Segment. Was sind denn die geheimen Erfolgszutaten, damit man auch heute noch in diesem Markt erfolgreich starten bzw. wachsen kann?

Lebensmittel zu verkaufen ist keine Raketenwissenschaft, daher sind es eigentlich Dinge, die jeder weiß. Es geht um Produkte, Marken und Menschen:

Die Produkte, die man in den Markt bringt, sollten schmecken, kurze Zutatenlisten haben, regionale Rohstoffe nutzen und einen ähnlichen Preis wie das tierische Pendant haben. Dazu sollten sie auf den Massenmarkt zielen. Ein veganes Foie Gras ist nett – wird aber nicht zu einem Umsatzbringer.

Die Marke sollte eigenständig und wiedererkennbar sein, sich aber nicht zu sehr den Berlin-Mitte-Käufern anbiedern, denn es geht ja darum, dass wir die Masse erreichen. Wir werden weder den Markt noch die Marke voranbringen, wenn wir nur auf die jungen, urbanen, gut gebildeten Zielgruppen zielen.

Und die Menschen. Meines Erachtens, der wichtigste Punkt. Sucht Euch Leute, die Erfahrung in dem Bereich haben, Menschen, die schon die Fehler gemacht haben, die nicht jede Firma wiederholen muss. Und guckt, dass ihr in jedem entscheidenden Bereich einen „alten Hasen“ an Bord habt. Eine/n vernetzten Key Accounter/in, eine/n Innovations-& Marketingleiter/in mit Erfahrung im AP Markt. Jemanden, der die Feldmannschaft leitet und am besten noch einen Beirat oder Aufsichtsrat aus dem Bereich, damit bei den großen Entscheidungen der neue Bereich nicht immer hinten herunterfällt. Das ist nämlich oft der letzte Punkt, warum richtig gute Ideen nicht durchstarten. Sie bekommen von ganz oben nicht die Unterstützung und das Durchhaltevermögen, was nötig ist. Denn es gibt auch bei jedem erfolgreichen Weg jede Menge Hürden und Gegenwind.

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