Das Thema nachhaltige Investments findet immer mehr Anhänger in der Finanz-Branche und darüber hinaus. Ebenso investieren auch immer mehr größere Unternehmen aus der konventionellen Wirtschaft in junge, vegane Start-ups und lassen sich diese einiges kosten. Eine Entwicklung, die für Mensch, Tier und Umwelt gleichsam lohnend ist.
Das findet auch Claire Smith, die sich mit ihrer Beratung für nachhaltige Investments einen Lebenstraum erfüllt hat. Im Interview erzählt Claire Smith uns mehr über ihre Philosophie, ihre persönliche Geschichte und wie „vegane Investments“ die Märkte beeinflussen (werden).
Frau Smith, was genau ist Ihre Anlagephilosophie?
Ich arbeite derzeit an einer Plattform für vegane Investments. Der Fokus liegt hierbei sowohl in der Investition in Unternehmen, die vegane Produkte und Dienstleistungen anbieten, als auch in Unternehmen, die vegane und klimafreundliche Investitionsprodukte schaffen. Darunter fallen somit alle Produkte, in die Veganer und Umweltschützer ohne Bedenken investieren können, ohne ihre Prinzipien zu verletzen.
Im Rahmen unseres veganen „Impact-Fonds“, welcher sowohl in Frühphasen- als auch in Wachstumsunternehmen investiert, verfolgen wir die Philosophie der pflanzlichen, tierversuchsfreien und veganen Investments. Die Unternehmen, die hierbei in Frage kommen, sind aus verschiedensten Branchen wie Nahrungsmittel, Konsumgüter, aber auch dem Dienstleistungssektor. Und diese überzeugen mit ebenso guter, wenn nicht sogar höherer Qualität, als die tierischen Produkt-Originale. Das lässt schnell erkennen, dass ein veganer Lebensstil nicht nur gut für die Gesundheit und die Umwelt ist, sondern auch keinen Verzicht bedeutet.
Die Palette der Investitionsprodukte für Veganer, welche wir entwickeln, basiert auf der Analyse der Geschäftsmodelle. Ziel ist es, diejenigen auszusortieren, die den Tieren schaden und die Umwelt zerstören. Beim Veganismus geht es schließlich darum, nicht nur die Tiere auf dem Bauernhof oder im Labor zu schützen, sondern grundsätzlich alle Tiere. Ebenso sollen unsere Investitionsprodukte die Zerstörung der natürlichen Umwelt durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe oder chemischer Verschmutzung reduzieren, welches ein wichtiger Baustein unserer Philosophie ist.
Was sind Ihre Schlüsselbereiche?
Mit dem „Impact-Fonds“ konzentrieren wir uns auf die Sektoren Biotechnologie, Nahrungsmittelherstellung, neuartige Materialien, nachhaltige Kleidung und Lifestyle. Wir werden hauptsächlich global in den Industrieländern anlegen. Wir ziehen es vor, Unternehmen zu unterstützen, die einen gewissen technologischen Vorteil in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse oder Patente haben. Dieses Vorgehen verschafft unseren Investments einen langfristigen Wettbewerbsvorteil und diese sind damit besonders für strategische Käufe von Investoren attraktiv.
Was sind Ihre bisherigen Bestände?
Beispiele für unsere Investitionen sind vegane “High-End” Schuhe, die vegan und frei von Tierleid produziert werden und dabei hochwertige, recycelte Materialien verwenden (zum Beispiel Lebensmittelabfälle und recyceltes Plastik aus dem Meer). Wir investieren des Weiteren in synthetisch hergestelltes Kollagen, das geruch- und farblos ist. Damit eignet es sich besser als tierisches Kollagen für die Verwendung in Kosmetik. Auch helfen wir beim Vertrieb eines veganen Eis, das wenig Zucker, aber dafür eine große Menge an essentiellen Vitaminen und Mineralstoffen enthält. Eine andere Investition ist eine Mikroalgenfirma, die eine Mayonnaise mit 50% weniger Fett als traditionelle Mayonnaise herstellt und das bei gleicher Cremigkeit und Geschmacksintensität.
Unser Portfolio enthält natürlich auch Fleisch aus Laboren, das tierischem Fleisch überlegen ist und das nicht nur im Hinblick auf die Vermeidung von Schlachtungen, sondern auch den exzessiven Einsatz von Wachstumshormonen und endemischen Antibiotika in der Tierhaltung vermeidet.
Wie wird der Veganismus die traditionellen Märkte beeinflussen?
Veganismus beeinflusst bereits große Lebensmittelmarken. Diese Unternehmen kaufen vegane und pflanzliche Nahrungsmittelunternehmen auf und investieren direkt in pflanzliches Protein und in „saubere“ Fleisch-Produkte, aus Angst, diesen massiven Konsumententrend zu verpassen. Sie merken auch, dass diese Trendwende ihre bestehende Produktpalette bedroht. Die Verlagerung der Konsumentennachfrage sorgt bereits für Umsatzeinbrüche in den Unternehmen, die sie dieses Umdenken nicht integrieren.
Darüber hinaus haben diese Unternehmen das Risiko von unvermeidlichen Skandalen, bezüglich ihrer Produktionsmethoden, Gesundheitsrisiken und den Kosten der zunehmenden Regulierung. Nicht umsonst zeigen die Backtestings eines Portfolios, das Tierausbeutung und umweltschädliche Unternehmen ausschließt, eine überdurchschnittliche Wertentwicklung gegenüber konventionellen Portfolios. Das liegt besonders daran, dass die Märkte erkannt haben, dass diese Unternehmen in ihrer derzeitigen Form keine Zukunft haben.
Wird Veganismus die Spielregeln für Industriesektoren wie Fleisch, Leder, Kosmetik, Mode oder Interior-Design nachhaltig verändern?
Der Veganismus ist nur ein Element im Trend zur nachhaltigen Produktion. Dieser Trend ist so wichtig, weil es damit vermeidbar wäre, jedes Jahr Milliarden Tiere umzubringen. Natürlich vorausgesetzt, dass gute Qualitӓtsprodukte verfȕgbar sind. Denn seien wir mal ehrlich: Welcher Konsument würde noch ein Produkt kaufen, dessen Produktion Tierleid und Umweltverschmutzung verursacht, wenn es eine ӧkologische und tierleidfreie Alternative gibt?
Ebenso bei pflanzenbasierten und synthetisch hergestellten Proteinen. Diese “sauberen” Fleischprodukte werden hergestellt, ohne Tieren zu schaden und dazu noch mit einem niedrigen Gesundheitsrisiko und einem ökologisch gutem Fußabdruck. So sind auch Alternativen für Leder chemie- und schadstofffrei im Vergleich zum traditionellen Leder. Fast jedes tierische Material, welches derzeit in der Schönheits-, Mode- und Innenarchitekturindustrie verwendet wird, kann durch eine pflanzliche oder synthetisch hergestellte Alternative ersetzt werden und damit meine ich auch: keine Kunststoffe aus Erdöl, sondern aus Algen oder Pilzen.
Mit anderen Worten: die Spielregeln sollten geändert werden!
Warum ist es so wichtig, sich von Tierzucht und Fischerei abzuwenden?
“Animal agriculture” gilt als Hauptursache für das Artensterben, tote Meereszonen, Wasserverschmutzung und Lebensraumzerstörung. Sie erzeugt mehr Treibhausgase als alle Transportarten zusammen. Ohne eine Veränderung der Trends bei unseren Essgewohnheiten und dem Bevölkerungswachstum werden diese Emissionen bis 2050 um 80% steigen. Stickstoffausflüsse von Abfalllagunen verunreinigen Wasserstraßen, fließen ins Meer und hinterlassen dort zerstörte Meereszonen, wie zum Beispiel im Golf von Mexiko. Die Fleischproduktion verbraucht tausend Mal mehr Süßwasser als die entsprechende Produktion von Pflanzen, die direkt konsumiert werden können.
Hinzu kommt, dass das Vorkommen der heimischen Tier- und Pflanzenarten von den Chemikalien und Pestiziden für den Tierfutteranbau beeinflusst werden. Große Waldflächen werden dezimiert, um Mais und Soja anzubauen. Überfischung ist eine massive Bedrohung für die maritime Vielfalt. Bis zu 2,7 Billionen Meerestiere werden jedes Jahr aus dem Meer gezogen und von diesen kommen nur 20% in die Lieferkette. Der Rest ist sogenannter Beifang, der tot ins Meer zurückgeworfen wird. Wahrscheinlich werden nur 60% von diesen 20% aus der Lieferkette auch tatsächlich verbraucht. Das ist unglaublich verschwenderisch und es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass wir in den nächsten 35 Jahren fischlose Ozeane sehen könnten, wenn die derzeitige Überfischung anhält.
Etwas muss sich ändern, um diese vermeidliche Katastrophe zu durchbrechen. Obwohl wir uns natürlich schon sehr schnell von fossilen Brennstoffen entfernen, müssen wir uns ebenso von industrieller Tierwirtschaft und Fischerei abwenden.
Eine persönliche Frage: Wie sind Sie von einer Analystin bei Chase Manhattan zu einer veganen Investorin geworden?
Ich habe über 30 Jahre meines Lebens mit den Themen Finanzen und Investment verbracht. Erst als Bankerin, später als Journalistin und nun als Anlageberaterin. Mindestens genauso lange war ich Vegetarierin und dann Veganerin. Durch die Jahre hindurch war ich stets umweltbewusst. Ich war aktiv in der Bewegung gegen genetisch veränderte Organismen in den 90ern und persönlich aktiv, um ein möglichst “grünes Leben” zu führen, zum Beispiel mit der Installation von Solaranlagen. Ich habe mir ein Elektroauto gekauft und entfernte alle fossilen Treibstoffe aus den Investmentportfolios, über die ich Kontrolle hatte.
Zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar, dass es keine Produkte gibt, die komplett auf Tierausbeutung verzichten – und dies war die Geburtsstunde meiner Idee, ein solches Produkt zu schaffen. Und diese Idee ist heute schon sehr weit fortgeschritten. In den letzten Jahren wurde außerdem klar, dass Veganismus, der früher als obskurer Kult angesehen wurde, sich schnell durchsetzt und Mainstream wird. Ich habe überlegt, dass es keinen besseren Weg gibt meine Erfahrungen in den Bereichen Finanzen und Investment mit meinen persönlichen Überzeugungen zu kombinieren. Ich musste veganer Investor werden!
Ich möchte eine Alternative bieten, um den Übergang in eine mitfühlende Welt zu erleichtern und Veganern wie mir zu erlauben, Firmen zu meiden, deren Praktiken sie verabscheuen. Meine Aufgabe ist aufzuzeigen, dass es möglich ist, überdurchschnittliche Ergebnisse zu liefern, in denen man in die zukünftige Gesundheit und Sicherheit unseres Planeten und in alle ihn bewohnenden Lebewesen investiert.
Frau Smith, vielen Dank für das ausführliche Gespäch.
Biographie
Claire Smith ist eine vegane Unternehmerin und “Impact-Investorin” mit Sitz in Genf, Schweiz. Sie entwickelt Investitionsprogramme sowohl fȕr öffentliche als auch private Mӓrkte und damit investiert sie direkt in alternative Geschӓftsmodelle. Vor dieser Entwicklung war Claire Forschungsanalystin, Partnerin und Aktionärin bei Albourne Partners, eine alternative Beratungsfirma mit Sitz in Genf. Albourne berät Investoren mit einem Kapital von über 350 Milliarden Dollar, welche komplett in alternative Anlagen investiert sind. Bevor sie 2004 zu Albourne kam, stellte Claire maßgeschneiderte Hedgefonds-Recherchen für Londoner Dachfonds zur Verfügung und veröffentlichte über 100 Artikel für diverse, renommierte Finanzpublikationen. Von 1986 bis 1998 war Claire bei verschiedenen UBS-Konzerngesellschaften als Derivatenmaklerin, Vermarkterin und Strukturiererin tätig. Claire hat ihre Karriere 1985 als Kreditanalystin bei der “Chase Manhattan Bank” begonnen, nachdem sie am Imperial College in London ein Master-Programm in Chemie-Ingenieurwesen und Management abgeschlossen hatte. 2007 hat Claire außerdem die “100 Women in Hedge Funds” in Genf gegründet und hat bis 2014 die Strategie und Entwicklung der Organisation in der Schweiz geleitet. Ab 2009 war sie Mitglied des Londoner Boards von 100 Women in Hedge Funds und ab 2012 ebenso im “Global Advisory Council”. Claire ist zudem Mitglied des Vorstands von AVVEC, einer Wohltätigkeitsorganisation mit Sitz in Genf, die Frauen und Kinder unterstützt, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind.