Weltweit steigt der Konsum rein pflanzlicher Nahrungsmittel und damit auch der Wettbewerb der verschiedenen Anbieter auf dem Lebensmittelmarkt. In Folge dieser Veränderung mehren sich die Beschwerden der etablierten Fleischindustrie über irreführende Produktbezeichnungen und Wettbewerbsverzerrungen, durch Anbieter tierfreier Fleischprodukte. Der „Kampf ums fleischfreie Fleisch“ hat also unlängst begonnen.
Pflanzliche Alternativen zu Fleisch sind der neue große Trend in der Lebensmittelindustrie, nicht zuletzt wegen der veränderten Konsumgewohnheiten der Verbraucher. Die Anzahl der vegan und vegetarisch orientierten Konsumenten nimmt seit einigen Jahren rasant zu. Weiterhin zeigt sich weltweit ein wachsendes Bewusstsein zu Umwelt- und Gesundheitsfragen bei der Ernährung. Fragen zum Tierschutz und Tierwohl werden heutzutage sogar schon zum Politikum avanciert. Dahinter steht ein zunehmendes Interesse der Bevölkerung, sich mit ethischen und ökologischen Problemen auseinanderzusetzen. Besonders dann, wenn es die eigene Gesundheit und Ernährung betrifft.
Die globalen Märkte reagieren letztendlich ebenfalls auf die veränderten Bedürfnisse der Konsumenten. Produzenten spezialisieren sich mittlerweile auf die Herstellung rein pflanzlicher Produkte oder erweitern ihr bestehendes Sortiment um vegane Alternativen. Die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich zieht ebenfalls deutlich an und viele kleine, innovative Start-ups bereichern den Markt mit neuen Ideen und Kreationen. Dies lockt schließlich auch viele Investoren an, die das wachsende Potenzial ihrerseits erkannt haben und den Markt durch hohe Kapitalinvestitionen weiter beflügeln.
Der Streit um die richtige Produktbezeichnung
Mit der rasanten Entwicklung neuer pflanzlicher Fleischalternativen, den millionenschweren Investitionsrunden, den einprägsamen tierfreien Namen und dem steigenden Verbraucherinteresse, wächst nun auch der weltweite Kampf um die Verwendung des Wortes „Fleisch“ zur Beschreibung von Pflanzenproteinprodukten. Sogar im Bereich des „sauberen Fleisches“, also dem kultivierten Laborfleisch, herrscht Konkurrenz um die legitime Bezeichnung.
In den USA wird derzeit beispielsweise über die richtige Definition von Fleisch gestritten. Eine aktuelle Petition der US-Cattleman’s Association und der National Farmers Union, welche sich an das US-Landwirtschaftsministerium richtet, fordert, dass die Bezeichnung Fleisch nur für konventionelle Tierprodukte verwendet werden darf. Der Verband erklärt dazu: „Produkte, die nicht von Tieren stammen, welche auf traditionelle Weise geboren, aufgezogen und geschlachtet wurden, dürfen nicht als Fleisch-Produkte vermarktet werden.“ Diese Forderung gilt für alle alternativen Proteinquellen, genauso wie für Laborfleisch.
In Neuseeland sorgt das Unternehmen „Sunfed Meats“ mit seinem Produkt „Chicken Free Chicken“ für Aufsehen. Die rein pflanzliche Huhnalternative wird mit dem Slogan „gut für uns, gut für den Planeten, gut für die Tiere“ beworben und ist so erfolgreich, dass das Angebot nicht mit der Nachfrage Schritt halten kann. Dies rief schließlich die „New Zealand Poultry Industry Association“ auf den Plan, die Ende 2017 eine Beschwerde wegen irreführender Kennzeichnung bei der New Zealand Commerce Commission einlegte. Eine Antwort der Behörde steht derzeit noch aus, denn die Sachlage in diesem Fall ist äußerst kompliziert. Die internationale Anwaltskanzlei Allens führt in dieser Angelegenheit zwei wichtige Aspekte ins Feld. Erstens, ob vernünftig gesinnte Verbraucher wirklich getäuscht werden könnten, wenn sie durch die Bezeichnung ein Produkt tierischen Ursprungs vermuten, dies aber nicht der Fall ist. Zweitens, ob man die Verbraucher glauben machen könnte, dass Fleisch und pflanzliche Produkte den gleichen Nährwert haben.
Ein weiteres Beispiel ist Frankreich. Hier hat das Parlament ein neues Gesetz verabschiedet, das Ende Mai in Kraft treten und die Verwendung des Begriffs Fleisch, bezüglich der Produktbezeichnungen, neu regeln soll. Nach der neuen Verordnung, wird das französische Landwirtschaftsministerium damit beauftragt, eine Liste mit tierbezogenen Produktnamen zu bestimmen, die nur zur Beschreibung tierischer Produkte verwendet werden dürfen. Weiterhin muss geregelt werden, wie hoch der Anteil pflanzlicher Stoffe im Produkt sein darf, um als Erzeugnis tierischen Ursprungs vermarktet zu werden. Dieses Begehren ist auch Teil der Strategie der Fleischindustrie, die in Frankreich eine starke Lobby hat und so ihren Status schützen möchte. Ob und wie diese neue Gesetzeslage funktioniert, wird sich erst noch zeigen. Die Entwicklungen hier, könnten aber auch für andere Staaten von Interesse sein.
Keine schnelle Lösung in Sicht
Der Streit um irreführende und legitime Produktbezeichnungen wird wohl auch in Zukunft ein schwieriges Thema bleiben und die Lebensmittelindustrie weiter beschäftigen. Hinter diesem Interessenskonflikt stehen auch immer Profit- und Verlustängste. Etablierte Unternehmen der Fleischindustrie fürchten um ihre Umsatz- und Gewinnzahlen, ihre Marktanteile und nicht zuletzt um ihren guten Ruf. Doch nicht immer sind die Fronten so verhärtet, wie in den oben genannten Beispielen. Als Beispiel dienen zwei der größten globalen Fleischproduzenten – Cargill und Tyson Foods – die beide in das amerikanische Start-up „Memphis Meats“ investiert haben, welches ein Pionier in Sachen Fleischalternativen ist. Und viele andere machen es ihnen nach.
Duncan Williamson, Leiter der Abteilung für Lebensmittelpolitik des „World Wide Fund for Nature“ (kurz: WWF), ist der Ansicht, dass Bedenken hinsichtlich der Verwendung von fleischähnlichen Bezeichnungen für pflanzliche Produkte eine Überreaktion darstellen. „Indem die Gegner dieses Problem aufwerfen, schaffen sie ein falsches Problem. Ich habe kein einziges Anzeichen dafür gesehen, dass Kunden dadurch irregeführt werden. Die meisten Beweise, die ich gesehen habe, zeigen, dass die Leute genau wissen, ob es sich um Fleisch handelt. Die Leute wissen, dass ein „Impossible Burger“ kein Fleisch ist. Die Leute wissen, dass eine „Linda McCartney Wurst“ keine Fleischwurst ist, sondern texturiertes Soja. Die Leute sind nicht dumm. Es gibt einen Platz für alles und ich denke, die Fleischindustrie macht sich unnötigerweise Sorgen.“
Er betont jedoch, wie wichtig die großen Umweltprobleme sind, denen die Menschheit gegenübersteht. Beispiele hierfür sind der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt, aber auch Probleme wie Antibiotika-Resistenzen und die gesundheitlichen Probleme durch übermäßigen Fleischkonsum. „Es ist absolut entscheidend, dass wir das Ernährungssystem neu ausbalancieren und eine Verringerung des Fleischkonsums ist ein notwendiger Teil davon. Wir müssen es tun „, fügt Williamson hinzu.
Der Kampf um das fleischfreie Fleisch steckt sicherlich noch in den Anfängen, obwohl die Wellen bereits sehr hoch schlagen. Dahinter steckt auch immer ein großes Geschäft. Märkte und Verbraucher können von dieser Entwicklung durchaus profitieren, denn die Karten werden zum Teil neu gemischt. Schlussendlich bleibt mit Spannung abzuwarten, wie sich die Zukunft gestalten wird.