Buchautor, Unternehmer und „The Vegan Strategist“ – so könnte man Tobias Leenaert beschreiben. Der Gründer von ProVeg hat mit seinem Buch „How to Create a Vegan World – a pragmatic approach“ nun auch literarisch seinen grünen Fußabdruck hinterlassen. Grund genug uns einmal im Interview mit Tobias Leenaert über die Möglichkeiten einer veganeren Welt zu unterhalten.
Wie können wir Ihrer Meinung nach eine veganere Welt kreieren?
Es gibt sicherlich viele Wege, aber ich denke nicht, dass es das Ziel sein sollte noch mehr Veganer zu kreieren. Ich glaube eine kritische Masse von „Reduzierern“ könnte schneller erreicht werden und ist das, worauf das System abzielen sollte. Die Reduzierer z.B. Flexitarier sind einer der Hauptgründe für die gestiegene Nachfrage nach veganen Produkten – und wenn das Angebot der Nachfrage folgt, dann wird dies in Zukunft noch größer. Vergleichen Sie doch einmal mit dem Thema „glutenfrei“: glutenfrei ist nicht eine solch große Sache, weil das eine Prozent an Zöliakie-Erkrankten Menschen diese kaufen. Nein, es sind eher die zehn Prozent der Verbraucher, die sich dazu entschieden haben ganz oder teilweise glutenfrei zu ernähren – und das ganz ohne dabei zu streng zu sein.
Ich glaube außerdem, dass viele vegane Vertreter zu fokussiert sind auf die moralischen Argumente. Ihrer Ideologie folgend, wollen sie, das alle Menschen sich um die Tiere sorgen, genau wie es Veganer tun. Aber, so lange es nicht einfach genug ist auf tierische Produkte zu verzichten – und ja, für manche ist es immer noch nicht einfach – wird es für Menschen schwer bleiben sich wirklich um die Tiere zu sorgen. Menschen sind, zumindest vom Kopf her, immer noch Fleischesser. Was wir tun müssen ist, dafür zu sorgen, dass Menschen – egal aus welchen Gründen und in welchem Ausmaß – vegan essen können und dann wird es schon von alleine einen Bewusstseinswandel geben.
Wird Clean Meat hierfür ein wichtiger Schlüssel sein in der Maschinerie der Fleischindustrie?
Das könnte es sehr wahrscheinlich sein. Ich vermute, dass was bei Clean Meat mitschwingt ist eher ein psychologischer Faktor, als noch eine Frage der Überzeugung von Geschmack und Textur. Pflanzliche Produkte werden immer weniger unterscheidbar von tierischen Produkte, daher ist die Frage nach Geschmack und Textur redundant. Viele Menschen wollen einfach noch im Kopf haben, dass sie „echte“ Tiere essen. Auf jeden Fall, sobald wir Clean Meat Produkte haben, die identisch sind mit tierischem Fleisch aber dafür tierleidfrei, umweltfreundlicher und wahrscheinlich gesünder, müsste man schon psychopathisch veranlagt sein, wenn man weiterhin „das Originalfleisch“ haben möchte. Ich vermute Clean Meat könnte die technologische Revolution sein, die der moralischen Revolution vorausgeht.
In welcher Art und Weise versucht die Milchindustrie die pflanzliche Bewegung zu sabotieren?
Die europäische Milch- und Molkereiindustrie hat mit ihrer Lobby erfolgreich dafür gesorgt, dass pflanzliche Produkte keine molkereiähnlichen Namen mehr verwenden dürfen. In anderen Worten: Produzenten können ihren veganen Käse nicht als „Käse“ deklarieren. Diese Lobbyarbeit ist schon ein paar Jahre her, und ich glaube in der Zukunft auch weniger Sabotage zu sehen, denn viele konventionelle Hersteller kaufen sich bereits in den veganen Markt ein. Ob sie ihre eigene pflanzliche Alternative anbieten oder pflanzliche Marken und Firmen aufkaufen – sobald sie einmal finanziell verwurzelt sind, werden diese Firmen immer weniger Gründe finden das Wachstum des pflanzlichen Marktes zu sabotieren.
Könnten denn Hybridprodukte aus Teilen tierischer Produkte und anderen Teilen pflanzlicher Produkte erfolgreich sein?
Auf einer strukturellen Ebene können diese Hybridprodukte natürlich für ein abflachen der Nachfrage nach tierischen Produkten sorgen. Stellen Sie sich nur einmal vor, dass alle Würstchen auf dem Markt nur noch 70 statt 100 Prozent Fleisch enthalten würden. Das ist eine Menge Tierleid, die man damit einspart. Manche Menschen denken, dass die Verbraucher schnell selbstgefällig werden und wir in der Entwicklung der Hybridprodukte stecken bleiben. Ich hingegen glaube, dass diese Produkte psychologisch gesehen helfen können das Mindset zu verändern und so Menschen anfangen mehr und mehr von (komplett) tierischen Produkten loszukommen. Es wäre jedoch gut, hier mal ein wenig mehr Nachforschung zu betreiben.
Was sind die potenziellen Vorteile für Fleisch- und Molkereiunternehmen, die in vegane Firmen investieren?
Zuallererst können große Unternehmen mit ihrer Erfahrung und ihrem Know-How qualitativ hochwertige Produkte herstellen, oder dabei helfen bestehende Produkte zu verbessern. Ich habe zum Beispiel von einem Alpro-Verantwortlichen gehört, dass der Zusammenschluss mit Danone es ihnen ermöglicht Danone’s langjährige Erfahrung mit Fermentation zu nutzen – dies können sie nun nutzen um ihre Joghurts weiter zu verbessern. Desweiteren können durch die größeren Werbebudgets, als auch die Kontakte zu den wichtigen Handelspartnern dazu beitragen die Reichweite und Verfügbarkeit von veganen Produkten zu verbessern.
Ich habe jüngst eine Folie gesehen zum Thema Marktpenetration (die Anzahl der Menschen die ein bestimmtes Produkt getestet haben) von vegetarischen und veganen Produkten. Die Produkte von typischen rein pflanzlichen Firmen hatten lediglich einen Marktanteil von einigen wenigen Prozent, wohingegen die pflanzlichen Produkte von großen Fleischproduzenten mit einer großen Reichweite und Marktanteilen von annähernd 40 Prozent auftrumpfen konnten!
Sie haben viele tolle Ansätze – Nennen Sie uns doch gerne noch ein paar Gründe, warum Menschen ihr Buch „How to Create a Vegan World“ lesen sollten.
Ich denke mein Buch gibt weitere spannende Einsichten, die für viele Menschen neu und erfrischend rational sein dürften – vor allem in unserer oft zu ideologisch und manchmal etwas dogmatischen Bewegung. Das Buch zeigt anhand von nicht-intuitiven Ideen, wie eine Strategie für veganere Welt aussehen könnte – Eine Welt mit einem Minimum an menschlich verursachtem Tierleid. Es gibt außerdem ein Kapitel, das sich damit beschäftigt, wie die vegane Bewegung sich gegenüber der kommerziellen Businesswelt verhalten sollte. Hinzu kommt ein langes Kapitel mit Tipps zu Kommunikations-Fähigkeiten. Viele Menschen haben mir in persönlichen Gesprächen oder per Mail mitgeteilt, dass ihnen dieses besonders geholfen hat ein besserer Vertreter der pflanzlichen Bewegung zu sein.