Interviews

Dr. Volker Heinz: „Das Thema Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren immer weiter in den Fokus gerückt.“

Bevor ein Produkt zur Marktreife gelangt, geht einige Zeit der Entwicklung ins Land – besonders bei Lebensmitteln, die eine neue Art der Verfahrenstechnik benötigen wie z.B. vegane Produkte. Und genau hier kommt das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik e.V. ins Spiel. Unter der Leitung von Dr.-Ing. Volker Heinz verhelfen ein Team aus Experten und ein Gelände mit diversen Laboren besonders innovativen Produkten das Licht der Welt zu erblicken. Grund genug für uns im Interview mehr über das spannende Forschungsfeld veganer Produkte erfahren zu wollen.

Wie lange beschäftigt sich das DIL schon mit der Entwicklung pflanzenbasierter/veganer Produkte?
Die Anfänge einer solchen Entwicklung liegen mittlerweile ungefähr 30 Jahre zurück. Dabei ist der Forschungsansatz am DIL ausschlaggebend: Das DIL verfolgt einen verfahrenstechnischen bzw. materialwissenschaftlichen Ansatz. Hierbei ergibt sich keine Unterscheidung von pflanzlichen und tierischen Produkten, sondern eine Fokussierung auf die Struktur und Funktionalität der vorliegenden Rohstoffe.

Wie können Sie Unternehmen bei der Entwicklung pflanzenbasierter Produkte unterstützen?
Das DIL hat verschiedene Ansatzmöglichkeiten Unternehmen bei der Entwicklung pflanzenbasierter Produkte zu unterstützen. Beim Produktionsverfahren ergeben sich eine Vielzahl von Entwicklungsaufgaben, bei denen wir unterstützend und optimierend tätig werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Sensorik. Neben der eigentlichen Produktion spielen hierbei natürlich die Lebensmittelsicherheit und die organoleptischen Eigenschaften eine große Rolle. Dafür ist das DIL mit mehreren akkreditierten Laboren sehr gut aufgestellt.

Weiterer Ansatzpunkt ist der Herstellungsprozess, bei dem die gesamte Produktionskette von der Erlangung der Rohstoffe bis zur Logistik des fertigen Produkts betrachtet wird. Entsprechend ist neben den Sicherheitsaspekten, verfahrenstechnischen Optimierungen und der Bildung einer attraktiven Struktur und Funktionalität der Produkte auch die Nachhaltigkeit von Bedeutung. Das DIL ist eines der wenigen Forschungseinrichtungen, welches die Lebenszyklusanalysen für Produkte, Prozesse und Infrastruktur bei Lebensmitteln nach standardisierten Verfahren durchführen kann.

Welche Experten halten Sie für diese Entwicklung im Hause vor?
Unser Expertenteam setzt sich aus Lebensmitteltechnikern, Ingenieuren, Chemikern, Biologen, Technologen, Qualitätsmanagement-Experten, Ökotrophologen, Data-Scientists und vielen weiteren zusammen. Durch die übergreifende Aufstellung können wir jeden Bereich der Lebensmitteltechnologie abdecken.

Woher stammen Ihre Kunden aus diesem Bereich?
Letztlich sind hier aus allen Bereichen der Lebensmittel produzierenden Unternehmen, Kunden vertreten, auch fleischproduzierende Unternehmen. Aber auch Zulieferer aus den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau sowie Ingredients sind bei uns vertreten.

Welche Art Kunden kommen zu Ihnen, nur Konzerne oder auch Start-ups?
Eine tragende Rolle übernehmen tatsächlich die Kooperationen mit global aufgestellten großen Konzernen. Aber natürlich gehören auch klein- und mittelständische Unternehmen aus der Region, sowie verschiedene Start-ups zu unserem Kundenkreis. Hierbei sehen wir uns verpflichtet unsere Kompetenz und unser Wissen auch den regionalen Unternehmen und den vielen Start-ups im Lebensmittelbereich zur Verfügung zu stellen.

Warum ist Clean Meat weniger nachhaltig als pflanzenbasierte Fleischprodukte?
Beim Clean Meat werden für das Zellwachstum unter anderem Kohlen- und Stickstoffquellen benötigt. Diese entstammen der landwirtschaftlichen Produktion und sind daher primär pflanzlichen Ursprungs. Das bedeutet, dass für die Produktion von Clean Meat Pflanzenmaterial einer weiteren Umwandlung unterzogen werden muss. Durch die Umwandlung entsteht ein großer Energieverlust. Sinnvoller ist es das Pflanzenmaterial beispielsweise durch Extrusion direkt zu strukturieren und zu einer fleischähnlichen Textur zu verarbeiten. Der aktuell sehr hohe Energiebedarf macht die Clean Meat Produktion sogar im Vergleich zur konventionellen Fleischproduktion energetisch deutlich ineffizienter.

Stichwort Nachhaltigkeit: Ist dieses Thema bei Ihren Kunden pflanzenbasierter Produkte in letzter Zeit stärker in den Fokus gerückt?
Das Thema Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren immer weiter in den Fokus gerückt. Neben Nachhaltigkeit sind außerdem Lebensmittelsicherheit, Lebensmittelqualität und Authentizität Großthemen in Bezug auf die Vermarktung von Lebensmitteln. Aktuell arbeiten wir mit unseren Partnern an verschiedenen Projekten im hybriden und pflanzenbasierten Produktbereich.

Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf bei pflanzenbasierten Fleischprodukten?
Insgesamt stellt die mangelnde Attraktivität der Produkte mit Blick auf Struktur und Funktionalität einen einschränkenden Faktor bei pflanzenbasierten Fleischprodukten dar. Es ist der Industrie noch nicht gelungen durch geeignete Verfahrenstechniken aus den Rohwareneigenschaften entsprechende Texturen und ansprechende Geschmacksvarianten zu generieren. Die Entwicklung und Forschung ist in diesem Bereich noch lange nicht abgeschlossen. Einige vielversprechende Alternativlösungen sind der Lebensmittelindustrie noch kaum bekannt. Dabei kann zum Beispiel die Nassextrusion für die Umwandlung landwirtschaftlicher Rohstoffe in verzehrfähige Lebensmittel ein effizientes Werkzeug darstellen.

Aber natürlich spielen auch das Image und die Vermarktungsstrategien der pflanzenbasierten Fleischprodukte eine wichtige Rolle und bieten Möglichkeiten der Verbesserung. Hierbei stellt schon die Begrifflichkeit ‚pflanzenbasierte Fleischprodukte‘ ein Problem dar.

An welchen Verfahren arbeiten Sie gerade im Bereich pflanzenbasierter Produkte?
Aktuell arbeiten wir primär im Bereich der Extrusion. Weitere Bereiche in denen wir mit pflanzenbasierten Produkten arbeiten, sind die hydrostatische Hochdrucktechnik, gepulste elektrische Felder sowie die Hochdruckhomogenisierung. Als weiterer Bereich ist die additive Fertigung, in Form des 3D-Drucks, hinzugekommen.

Geschieht in Deutschland genug, um im weltweiten Wettbewerb bei pflanzenbasierten Produkten mithalten zu können?
Deutschland bringt aktuell im internationalen Vergleich die meisten neuen veganen Produkte auf den Markt. Leider führen diese Produkte, gemessen am Umsatz, ein Nischendasein. Als echte Alternative zu den konventionellen Produkten auf tierischer Rohstoffbasis hat sich bisher keines der verfügbaren veganen Produkte am Markt etabliert. Diese Veränderung des weltweiten Wettbewerbs nimmt auch noch deutlich mehr Zeit in Anspruch und kann nur durch die Steigerung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten verkürzt werden. Zumindest lässt sich eine Zunahme der Verbraucherwahrnehmung in diesem Bereich, wenn auch gemäßigt, wahrnehmen.

Was sollte unternommen werden, damit Deutschland als Produzent pflanzenbasierter Produkte ganz vorne mitspielen kann?
Insgesamt ist ein Trend zur Dezentralisierung und Regionalisierung der Lebensmittelproduktion erkennbar. Hier bieten sich auch bei Produkten aus pflanzlichen Rohstoffen Möglichkeiten: Pflanzliche Rohstoffe, kohlenhydrat- bzw. proteinreiche getrocknete Konzentrate, eignen sich hervorragend zur Umsetzung von Dezentralisierungskonzepten. Durch diese rückt die Endfertigung viel näher an die Konsumenten und es kann flexibel auf die Vorlieben der Kunden eingegangen werden. Der Aufbau von Lebensmittelstrukturen, die durch additive Fertigung entstehen, ist hier sicherlich eine logische Konsequenz, aber es benötigt auch Mischformen von klassisch großskalierter automatisierter Fertigung und der additiven Fertigung in Form des 3D-Drucks.

 

Über Dr.-Ing. Volker Heinz
Dr. Volker Heinz hat an TU Berlin Verfahrenstechnik und Lebensmitteltechnologie studiert. Nach der Promotion 1997 zu einem Thema der nicht-thermischen Prozesstechnik war er als Oberassistent an der TU Berlin Leiter einer Fachgruppe zur nicht-thermischen Prozesstechnik. Dr. Heinz leitet seit 2006 das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik, eine außeruniversitäre Einrichtung zur angewandten Forschung zu technischen Fragen der Lebensmittelproduktion. Seit 2014 ist Dr. Heinz wissenschaftlicher Koordinator der Niedersächsischen Landesinitiative der Ernährungswirtschaft (NieKE).

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