Gastbeitrag

Rügenwalder Mühle auf der OMR 2025: KI-Lösungsansätze für die Plant-Based Produktentwicklung

Im Rahmen einer Masterclass auf dem OMR Festival 2025 in Hamburg gab Rügenwalder Mühle spannende Einblicke in ihre Tests mit KI-gestützten Lösungen im Plant-Based-Bereich.

Der deutsche Marktführer für pflanzliche Fleischalternativen, Rügenwalder Mühle, testet derzeit den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Neuproduktentwicklung. In Zusammenarbeit mit dem Berliner Unternehmen foodhacker nutzt das Unternehmen eine Beta-Version der von der Hamburger Innovationsagentur Red Rabbit, Gründungsgesellschafter des Food Harbours Hamburg, entwickelten Plattform „Next Food AI“, die eine strukturierte, beschleunigte und datengetriebene Herangehensweise an die Produktinnovation ermöglichen soll.

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© Rügenwalder / OMR

Reaktion auf ein verändertes Marktumfeld

Seit dem Markteintritt mit vegetarischen Produkten im Jahr 2014 hat sich Rügenwalder Mühle im deutschen Veggie-Segment als feste Größe etabliert. Doch wie bei vielen etablierten Playern im Bereich pflanzenbasierter Lebensmittel steht das Unternehmen mittlerweile vor einem gesättigten Marktumfeld, in dem Differenzierung schwieriger geworden ist. Neue Anbieter – von Startups wie Planted bis zu Großkonzernen mit flexiblen Markenportfolios – haben die Dynamik erhöht.

In Kombination mit inflationärem Kostendruck, wachsender Preissensibilität und stagnierender Kategorieentwicklung ergibt sich ein klarer Handlungsbedarf. Rügenwalder Mühle reagiert darauf nicht primär mit Preispolitik, sondern mit struktureller Innovationsarbeit – unter anderem durch die Einbindung KI-basierter Tools.

Plattformansatz: KI als strukturierender Innovationsmotor

„Next Food AI“ kombiniert Large Language Models (LLMs), visuelle Interfaces und eine umfangreiche Datenbasis aus Trendanalysen, Wettbewerbsprodukten und Social Signals. Nutzer:innen können über eine interaktive Oberfläche neue Konzepte generieren, anpassen und – besonders wichtig – simulativ testen. Die Plattform erlaubt zudem die Visualisierung von Verpackungen, die Entwicklung von Storylines sowie die Definition potenzieller Zielgruppen und Positionierungen.

Ein integraler Bestandteil ist die Möglichkeit, über synthetische Konsumentenmodelle oder digitale Pre-Launch-Kampagnen (z. B. über Meta-Ads) die Resonanz auf Produktideen zu evaluieren. Der Vorteil: Schnelle Iterationen bei gleichzeitig reduziertem Risiko, vergleichbar mit Ansätzen, die auch im D2C-Umfeld zum Einsatz kommen.

Interne Transformation: Von Silos zu agilen Strukturen

Begleitend zur Plattformnutzung hat Rügenwalder Mühle die eigene Innovationsstruktur neu aufgestellt. Ehemals getrennt arbeitende Bereiche wie F&E, Marketing und Vertrieb wurden organisatorisch stärker verzahnt. „Die größte Innovationsbremse ist oft das Ego“, hieß es dazu intern. Heute werde gezielt in bereichsübergreifenden Teams gearbeitet – unter anderem mit externer Unterstützung, etwa durch das Foodhub-Ökosystem oder Handelspartner wie Koro.

Das Unternehmen spricht in diesem Zusammenhang von einem „Shift von Ego-Vation zu echter Kollaboration“ – mit sichtbaren Ergebnissen: Laut eigenen Angaben konnte 2023 ein signifikanter Anstieg sowohl bei der Anzahl als auch bei der Relevanz neuer Produkte verzeichnet werden.

Einordnung: Vom Pionierstatus zur strukturierten Innovation

Rügenwalder Mühle blickt auf mehrere Transformationsphasen zurück – von der Markenbildung Anfang des 20. Jahrhunderts über die Einführung verpackter Wurstwaren bis hin zum Eintritt in den pflanzenbasierten Markt. Der Schritt zur KI-gestützten Innovationsarbeit ist in dieser Linie zu sehen: nicht als radikaler Bruch, sondern als logische Fortsetzung eines kontinuierlichen Wandels.

Intern wird dies als erneuter Versuch verstanden, vom „Red Ocean“ (Verdrängungswettbewerb) zurück in einen „Blue Ocean“ (differenzierte Marktsegmente) zu gelangen. Dass der ursprüngliche Veggie-Vorsprung aus 2014 zunehmend aufgeholt wurde, ist auch dem Unternehmen bewusst. KI soll nun helfen, neue Differenzierungspotenziale zu erschließen.

Wie KI-Tools die pflanzliche Lebensmittelwirtschaft beschleunigen und verändern

Die Einführung von „Next Food AI“ steht exemplarisch für einen Trend, der sich zunehmend auch in der pflanzlichen Lebensmittelwirtschaft beobachten lässt: Der Innovationsprozess wird datengetriebener, strukturierter – und schneller. Ob daraus ein dauerhafter Wettbewerbsvorteil entsteht, hängt jedoch davon ab, wie gut digitale Tools mit realer Marktdynamik, sensorischer Produktqualität und Vertriebspraxis zusammenspielen.

Für etablierte Marken im Segment bietet das Beispiel von Rügenwalder Mühle eine Perspektive darauf, wie klassische FMCG-Prozesse mit technologischer Unterstützung weiterentwickelt werden können – ohne den Bezug zur Marke oder zum Endprodukt zu verlieren.


Dieser Artikel wurde von Nils Knoop, Gastautor bei vegconomist, verfasst. Mit fast zwei Jahrzehnten Erfahrung in den Bereichen Marketing und Markenaufbau hat Nils Knoop mit globalen Marken wie Nike, Ben & Jerry’s und Seventh Generation zusammengearbeitet und sich auf wirkungsvolles Storytelling und nachhaltigkeitsorientierte Kampagnen spezialisiert. Als Mitbegründer von Apollonia und Berater für HEYHO bringt er fundiertes Fachwissen in den Bereichen ethisches Branding und soziale Verantwortung mit.

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