Die Autorinnen und Autoren empfehlen unter anderem, einen stärker pflanzenbasierten und damit nachhaltigeren Konsum zu fördern, indem die bisher nicht berücksichtigten Kosten der tierischen Lebensmittelproduktion sichtbar gemacht werden.
Die Art und Weise, wie Menschen die Flächen der Erde nutzen, hat einen großen Einfluss auf die Ernährungssicherheit, die Biodiversität und das Klima. Die hohe Nachfrage beispielsweise nach Soja als Futtermittel oder Palmöl als günstiges, vielseitiges Pflanzenöl bewirkt, dass Flächen intensiv bewirtschaftet oder neu erschlossen werden. Oft gehen damit der Verlust von Biodiversität und die Beschleunigung des Klimawandels einher. Die Wirkmechanismen des internationalen Agrarhandels können aber auch genutzt werden, um positiv auf diese Zielkonflikte einzuwirken, so die Autorinnen und Autoren eines heute erschienenen Diskussionspapiers der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
In dem Papier „Wie kann der internationale Agrarhandel zu Biodiversitätsschutz, Klimaschutz und Ernährungssicherung beitragen?“ beschreiben sie politische, rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für eine positive Hebelwirkung. Das zeitgleich veröffentlichte digitale Dossier „Agrarhandel und Konsum“ veranschaulicht das Thema am Beispiel von Soja, Kaffee und Palmöl.

Landnutzung und nachhaltiger Konsum
Die Autorinnen und Autoren des Diskussionspapiers verweisen auf bereits bestehende internationale Vereinbarungen (UN-Nachhaltigkeitsziele, Biodiversitätskonvention, Pariser Klimaabkommen) und kritisieren, dass die derzeitige Wirtschaftsweise und die Effekte des globalen Handels den Zielen dieser Abkommen entgegenlaufen. Dabei erläutern sie die Wirkzusammenhänge zwischen Klima, Biodiversität und Ernährungssicherheit. Der internationale Agrarhandel hat einen hohen Einfluss darauf, wie Land genutzt wird. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler formulieren deshalb Handlungsoptionen, um den internationalen Agrarhandel so auszurichten, dass er sowohl zur Ernährungssicherung als auch zu Klima- und Biodiversitätsschutz beiträgt. Empfehlungen für Deutschland und die EU können dabei sowohl eine inländisch nachhaltige Landnutzung als auch positive Effekte in anderen Regionen der Welt bewirken.
Studienauoren empfehlen, die unsichtbaren Kosten der tierischen Lebensmittelproduktion sichtbar zu machen
Für einen nachhaltigen Konsum ist ein geringer Flächenanspruch bei der Produktion der Nahrungsmittel wichtig. Die Produktion von tierischen Lebensmitteln hat im Vergleich zu pflanzlichen Lebensmitteln einen höheren Flächenverbrauch und verursacht höhere Treibhausgasemissionen. Eine Möglichkeit, einen stärker pflanzenbasierten und damit nachhaltigeren Konsum zu fördern, wäre es laut der Autorinnen und Autoren, die bisher nicht berücksichtigten Kosten der tierischen Lebensmittelproduktion sichtbar zu machen. Dies könnte über Änderungen der Mehrwertsteuern, Kennzeichnung und Ernährungsbildung befördert werden. Für eine Verringerung des Flächenanspruchs sollten zudem Lebensmittelabfälle verringert und die Biokraftstoffherstellung für den Straßenverkehr aus Ackerbauprodukten eingestellt werden.

Vorgaben und politische Instrumente
Bei der Produktion von Lebensmitteln gibt es in der EU bereits zahlreiche Vorgaben für Biodiversitäts- und Klimaschutz. Die Autorinnen und Autoren weisen darauf hin, dass diese zuweilen aber zu Verlagerungseffekten in andere Regionen der Erde führen. Externe Effekte wie Klima- und Umweltwirkungen der Produktion sollten immer dort reguliert werden, wo sie entstehen, empfehlen die Fachleute. Ein umfassendes EU- oder novelliertes deutsches Landwirtschaftsgesetz könnte die vielen Anforderungen einheitlich und rechtlich sicher regeln. Die Autorinnen und Autoren stellen Ansätze vor, wie Produktivität und Biodiversitätsschutz in Einklang gebracht werden können, beispielsweise durch die Ausweitung des Ökolandbaus, die Verringerung des Einsatzes von Pestiziden und Herbiziden oder durch biodiverse Produktionssysteme wie Agroforstsysteme. Ein wichtiger Hebel wäre zudem, Gemeinwohlleistungen stärker als bisher zu honorieren. Sie empfehlen zudem, das gegenwärtige System pauschaler Flächenprämien in der EU abzuschaffen.
Beim Handel sollten politische Instrumente stärker als bisher daraufhin ausgerichtet werden, dass sie auch dem Biodiversitäts- und Klimaschutz sowie der Ernährungssicherung dienen, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie empfehlen der Bundesregierung, darauf hinzuwirken, die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten zügig umzusetzen und weiterzuentwickeln. Sie sollte beispielsweise um zusätzliche Ökosysteme wie Savannen und Feuchtgebiete und relevante Produktgruppen wie den Biodiesel erweitert werden, so die Autorinnen und Autoren. Sie empfehlen, die Berichtspflichten in der Lieferkettengesetzgebung zu vereinfachen und zu harmonisieren, ohne den substanziellen Schutz vor Menschen- und Umweltrechtsverletzungen entlang der Lieferketten abzusenken.
Das Diskussionspapier „Wie kann der internationale Agrarhandel zu Biodiversitätsschutz, Klimaschutz und Ernährungssicherung beitragen? Für eine kohärente Governance von Konsum, Produktion und Handel“ ist auf der Website der Leopoldina veröffentlicht.
Begleitend zum Diskussionspapier wurde das digitale Dossier „Agrarhandel und Konsum“ veröffentlicht. Am Beispiel von Soja, Kaffee und Palmöl stellt das Dossier die komplexen Zusammenhänge zwischen Biodiversität, Klima und Ernährungssicherheit anschaulich vor.
Publikationen in der Reihe „Leopoldina-Diskussion“ sind Beiträge der genannten Autorinnen und Autoren. Mit den Diskussionspapieren bietet die Akademie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, flexibel und ohne einen formellen Arbeitsgruppen-Prozess Denkanstöße zu geben oder Diskurse anzuregen und hierfür auch Empfehlungen zu formulieren. Die in Diskussionspapieren vertretenen Thesen und Empfehlungen stellen daher keine inhaltliche Positionierung der Akademie dar.
Das Diskussionspapier wurde von der Leopoldina-Arbeitsgruppe „Internationaler Agrarhandel“ erarbeitet.





