Food & Beverage

UPFs: Alles hochverarbeitet und ungesund?

Whitepaper von Planteneers stellt pflanzliche Alternativen in den Kontext des NOVA-Systems.

„Precision Wellness“ lautet einer der aktuellen Top Trends von Innova Market Insights. Im Mittelpunkt dabei steht eine gesunde Ernährung, die die Darmgesundheit einschließt und möglichst personalisiert auf die individuellen Bedürfnisse der Konsumenten ausgerichtet ist. Doch was heißt eigentlich „gesunde Ernährung“? Nach welchen Kriterien werden Lebensmittel als gesundheitsfördernd eingestuft?

Gesundheitsorganisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die Weltgesundheitsorganisation oder die US-amerikanische FDA leiten ihre Ernährungsempfehlungen in erster Linie vom Gehalt der Lebensmittel an Makro- und Mikronährstoffen sowie Zucker und Salz ab. Eine weitere Klassifikation, die aktuell stark diskutiert wird, ist das NOVA-System. Dieses unterteilt Lebensmittel ausschließlich nach ihrem Grad der Verarbeitung.

Das vierstufige System unterscheidet nach unverarbeiteten oder minimal verarbeiteten Lebensmitteln, verarbeiteten Zutaten, verarbeiteten Lebensmitteln und ultrahochverarbeiteten Lebensmitteln – den Ultra Processed Foods, kurz UPF. Letztere gilt es nach Einschätzung von Ernährungsexperten differenzierter zu betrachten, zumal die Einstufung auf traditionellen Verarbeitungsmethoden basiert, die vorwiegend in Brasilien eingesetzt werden.

Einen Überblick über die UPFs und ihre Rolle in der modernen Ernährung – insbesondere bei der Auswahl pflanzlicher Lebensmittel – gibt das aktuelle Whitepaper von Planteneers. Rebecca Bohlmann, Produktmanagerin Planteneers und Co-Autorin des Whitepaper, spricht über Inhalte und Hintergründe.

Planteneers
© Planteneers GmbH

Was hat Planteneers zu dem UPF-Whitepaper veranlasst?

Rebecca Bohlmann: Das Whitepaper analysiert das NOVA-Klassifizierungssystem mit besonderem Fokus auf die Anwendung bei ultrahochverarbeiteten Lebensmitteln, die laut NOVA-System nicht konsumiert werden sollten. Angesichts der steigenden Bedeutung von pflanzlichen Alternativen, stellt sich die Frage, ob eine Klassifizierung, die sich ausschließlich auf die Verarbeitungsstufen konzentriert und Parameter wie Nährwert oder Zusammensetzung der Produkte außer Acht lässt, zeitgemäß ist.

Ein Beispiel: Zu den verarbeiteten Lebensmitteln der Gruppe III gehört laut NOVA-System unter anderem frischgebackenes Brot. Ob Weißmehl- oder Vollkornbrot ist demnach irrelevant. Für eine gesunde Ernährung ist diese Unterscheidung aber sehr wohl von Bedeutung. Auch Bio Soja-Drink, der nur aus Wasser und Sojabohnen besteht, fällt in die Gruppe III. Würde man ihn mit Vitamin B12 anreichern, wäre er laut NOVA-System ultrahochverarbeitet und damit ein Produkt der Gruppe 4.

An wen richtet sich das Whitepaper?

Rebecca Bohlmann: Zielgruppe sind in erster Linie relevante Stakeholder wie Industrie und Wissenschaft, aber auch Ernährungsorganisationen oder Verbraucherverbände. Wir möchten damit eine Diskussion anregen, um bestenfalls mehr Studien zu pflanzlichen Lebensmitteln zu initiieren.

Können Sie kurz die Entstehung des NOVA-Systems erläutern?

Rebecca Bohlmann: Das Konzept der UPFs wurde erstmals 2009 von Forschern der Universität São Paulo unter der Leitung von Carlos A. Monteiro in das NOVA-Klassifizierungssystem aufgenommen. Ziel war, die sich verändernden Ernährungsgewohnheiten in Brasilien aufzuzeigen, insbesondere als Reaktion auf die Zunahme von Zivilisationskrankheiten wie Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen etc..

Das Hauptaugenmerk lag darauf, die Rolle der Lebensmittelverarbeitung und nicht die der einzelnen Nährstoffe oder Lebensmittel für die Gesundheit herauszustellen.

Worin liegt die konkrete Kritik am System?

Rebecca Bohlmann: Das NOVA-System lässt den Nährstoffgehalt außer Acht und stützt sich auf zu weit gefasste Kategorien, die jede Art von Verarbeitung mit ungesunden Eigenschaften gleichsetzen. Es vereinfacht die gesundheitlichen Auswirkungen, indem die Komplexität verarbeiteter Zutaten wie hydrolisierte Proteine unberücksichtigt bleibt.

Darüber hinaus werden wichtige Gesundheitsfaktoren nicht einbezogen, was zu einer Voreingenommenheit gegenüber neuartigen Zutaten führt. Der fehlende Konsens über die UPF-Definitionen und die weit gefassten Klassifizierungen des Systems erschweren die Einordnung von Produkten, was wiederum die Ausgangsbasis für Studien beeinträchtigt.

Planteneers fleischalternativen
© Planteneers GmbH

UPFs werden aber von vielen Ernährungsexperten und Gesundheitsorganisationen aufgrund der gesundheitlichen Auswirkungen kritisiert. Zu Recht, oder?

Rebecca Bohlmann: Es stimmt, verschiedene Studien haben einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von UPFs und einem erhöhten Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen nachgewiesen. In Anbetracht der breiten und heterogenen Natur der UPFs hat sich die neuere Forschung allerdings auf die Untersuchung spezifischer Untergruppen innerhalb dieser Klassifizierung verlagert.

In einer Studie wurde zum Beispiel festgestellt, dass UPF-bedingte Gesundheitsrisiken stärker mit tierischen Produkten und zuckergesüßten Getränken in Verbindung gebracht werden, während ultrahochverarbeitetes Brot, Getreide und pflanzliche Alternativen nicht mit dem Risiko negativer gesundheitlicher Folgen verbunden sind.

Mit anderen Worten: Nicht alle UPFs sind gleich?

Rebecca Bohlmann: Ganz genau. Viele pflanzliche Alternativen zu Fleisch, Fisch oder Milchprodukten wie Käse passen nicht in die Kategorie der UPFs. Denn die pflanzlichen Produkte enthalten in der Regel deutlich mehr Ballaststoffe, die in der westlichen Ernährung häufig in viel zu geringem Maß vorkommen. In der EU und den USA nehmen die Menschen im Durchschnitt nur etwa 40-60 Prozent der empfohlenen Tagesdosis auf. Weitere Vorteile der pflanzlichen Alternativen: Sie enthalten kein Cholesterin, wenig gesättigte Fette, dafür aber einen hohen Eiweißgehalt.

An welchen Stellschrauben müsste man beim NOVA-System drehen? Wo gibt es Optimierungspotenzial?

Rebecca Bohlmann: Das NOVA-Konzept geht von der Annahme aus, dass unverarbeitete Lebensmittel von Natur aus gesundheitsfördernd sind. Diese Verallgemeinerung ist aber nicht immer zutreffend. Bestes Beispiel dafür ist rotes Fleisch, das bereits vor zehn Jahren von der WHO als ‚wahrscheinlich krebserregend‘ eingestuft wurde. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, den Kategorisierungsrahmen so zu verfeinern, dass der Nährwert und die evidenzbasierten Gesundheitsergebnisse im Vordergrund stehen, anstatt sich nur auf den Grad der Lebensmittelverarbeitung zu konzentrieren.

Das bedeutet, die Verarbeitungstechniken müssen neu bewertet werden, oder?

Rebecca Bohlmann: Auf jeden Fall. Es muss zum Beispiel anerkannt werden, dass bestimmte Methoden wie die Anreicherung und Fermentierung sowohl die Lebensmittelsicherheit als auch den Nährstoffgehalt verbessern können. Darüber hinaus ist eine gezielte Bewertung der einzelnen Zusatzstoffe unerlässlich.

Diese Verfeinerungen würden einen präziseren Rahmen schaffen, der sich stärker mit den realen gesundheitlichen Auswirkungen auseinandersetzt und klarere, evidenzbasierte Leitlinien für Verbraucher und politische Entscheidungsträger schafft.

Planteneers fleischalternativen
© Planteneers GmbH

Was bedeutet das konkret für pflanzliche Alternativen?

Rebecca Bohlmann: Pflanzliche Alternativen sind sehr vielversprechend. Aber die volle Funktionalität bestimmter tierischer Inhaltsstoffe zu erreichen, bleibt eine technologische Herausforderung. Um das Vertrauen der Verbraucher zu stärken, ist es von entscheidender Bedeutung, Clean-Label-Lösungen einzuführen, die Transparenz in den Zutatenlisten zu gewährleisten und über die verschiedenen Zutaten aufzuklären.

Können Sie dafür konkrete Beispiele nennen?

Rebecca Bohlmann: Eine große Chance liegt zum Beispiel in der Verringerung des Salzgehalts, vor allem bei Fleisch- und Käsealternativen. Im Gegensatz zu den traditionellen tierischen Produkten ist bei den pflanzlichen Alternativen ein hoher Salzgehalt aus technologischer Sicht oft nicht notwendig. Damit ändert sich die UPF-Klassifizierung zwar nicht, allerdings trägt die Salzreduktion zu einer positiveren Wahrnehmung seitens der Verbraucher bei. Der Ersatz von Kokosnussöl durch Alternativen wie Rapsöl ist eine weitere Maßnahme, die bereits umgesetzt wird.

Wie steht es mit der Anreicherung von pflanzlichen Lebensmitteln?

Rebecca Bohlmann: Eine Möglichkeit, die ernährungsphysiologische und funktionelle Vorteile bietet, ist die Integration von Vollwertkost wie Gemüse und Hülsenfrüchte in pflanzliche Produkte. Die Nachfrage nach solch innovativen Produkten wächst zunehmend. Ein weiterer Ansatz ist die Aufwertung der Produkte durch Anreicherung mit essenziellen Mineralien, Vitaminen und Fettsäuren.

Durch die Kombination dieser Ansätze mit einer transparenten Aufklärung lassen sich pflanzliche Alternativen aus ernährungsphysiologischer Sicht sehr gut optimieren. Auf diese Weise könnten alle Marktbeteiligten eine erfolgreiche und nachhaltige Umstellung auf neue Proteinquellen unterstützen. Dazu bedarf es jedoch einer neuen Klassifikation der Lebensmittel, insbesondere der pflanzlichen Alternativen. Zusammensetzung und Nährstoffgehalt sind dabei wesentliche Parameter, die für eine optimale gesundheitliche Kategorisierung der Produkte unerlässlich sind.

Eröffnet die aktuelle UPF-Diskussion eventuell sogar neue Chancen für pflanzliche Alternativen?

Rebecca Bohlmann: Genau das ist aus unserer Sicht der Fall. Die UPF-Diskussion bietet die große Chance, echte Aufklärungsarbeit zu leisten und die Produkte zusätzlich so zu verbessern, dass mehr Verbraucher zu pflanzlichen Alternativen greifen. Eine Möglichkeit wäre, Clean-Label-Lösungen voranzutreiben, denn schließlich spielen die Zutaten im Kontext des NOVA-Systems eine zentrale Rolle. Unserer Einschätzung nach hilft die entfachte Diskussion, den gesamten Plant-based-Sektor nach vorn zu bringen und einen weiteren Meilenstein zu setzen.

Weitere Informationen zum UPF Whitepaper: https://www.planteneers.com/en/upfs-whitepaper/?utm_source=press&utm_medium=vegconomist-interview&utm_campaign=UPF-WP&utm_id=UPF-Whitepaper

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