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Im Interview mit WACKER BIOSOLUTIONS: „Wir machen kultiviertes Fleisch kosteneffizient und skalierbar und bringen es näher an die Supermarktregale“

WACKER BIOSOLUTIONS trägt mit innovativen biotechnologischen Lösungen entscheidend dazu bei, die Produktion von kultiviertem Fleisch und Meeresfrüchten voranzutreiben. Federführend bei diesem Vorhaben ist Iris Maria Dahlem, Innovation Managerin und Leiterin des Projekts Cultivated Meat, das sich auf die Entwicklung von Schlüsselkomponenten für die Industrie konzentriert.

Mit einem Hintergrund in Ernährungswissenschaften und umfassender Erfahrung in der Lebensmittelbranche hat Dahlem in den letzten zwei Jahren an Lösungen gearbeitet, die sich mit Skalierbarkeit, Kosteneffizienz und Qualität beschäftigen. Im Interview gibt sie Einblicke in die Arbeit von WACKER am Thema Zellkulturfleisch, den Weg der Branche in Richtung Preisparität und die Bedeutung von erfolgreichen Partnerschaften.

Frau Dahlem, Wacker ist für seine Kompetenz in der Biotechnologie und für chemische Innovationen bekannt. Wie unterstützen die Lösungen von Wacker speziell die Entwicklung der Produktion von kultiviertem Fleisch?

WACKER ist führend in der Biotechnologie und bei chemischen Innovationen und wir bringen dieses Know-how in die Kulturfleischindustrie ein. Unsere Life-Science-Sparte, WACKER BIOSOLUTIONS, entwickelt mit modernsten biotechnologischen Verfahren zukunftsweisende Lösungen für die Pharma- und Lebensmittelindustrie.

Speziell für die Herstellung von kultiviertem Fleisch nutzt WACKER BIOSOLUTIONS langjährige Expertise, fortschrittliche Technologien und Kapazitäten im Industriemaßstab, um die für Zellkulturmedien benötigten Proteine und andere Moleküle zur Verfügung zu stellen. Diese Komponenten werden in den erforderlichen Mengen, in der geforderten Lebensmittelqualität und zu kosteneffizienten Preisen hergestellt. Das bedeutet, dass wir den Produzenten von kultiviertem Fleisch helfen können, ihren Prozess zu skalieren, ihre Kosten zu senken und so ihr Produkt für die Verbraucher zugänglicher zu machen.

Wir arbeiten eng mit unseren Kunden zusammen, um Produkte zu entwickeln, die ihre spezifischen Anforderungen erfüllen – vom Gen bis zum fertigen Protein. Die Lösungen von WACKER ebnen den Weg für die großtechnische und nachhaltige Produktion von kultiviertem Fleisch und  tragen dazu bei, diese innovative Nahrungsquelle auf den Markt zu bringen.

Wacker logo
© Wacker Chemie AG

Eine der größten Herausforderungen für die Kulturfleischindustrie ist es, die Preisparität mit konventionellem Fleisch zu erreichen. Wie arbeitet Wacker an Lösungen, die eine großtechnische Produktion ermöglichen und dazu beitragen, langfristig die Kosten zu senken?

WACKER konzentriert sich dabei auf den kostenintensivsten Bereich des Prozesses: das Zellkulturmedium, in dem die Zellen wachsen und sich entwickeln. Derzeit sind viele Bestandteile nur in Pharmaqualität erhältlich. Das bedeutet, sie sind sehr teuer und werden nicht in großen Mengen hergestellt. Das ist so, als würde man versuchen, einen gewöhnlichen Rührkuchen nur mit den exklusivsten und teuersten Zutaten zu backen – einfach nicht praktikabel für den täglichen Gebrauch.

WACKER setzt neue Maßstäbe, indem es seine umfassenden Kompetenzen, von der Forschung und Entwicklung bis hin zur großtechnischen Produktion mit XL-Fermentern nutzt. Durch die Herstellung der notwendigen Komponenten in Lebensmittelqualität und in der erforderlichen Menge tragen wir dazu bei, die Kosten deutlich zu senken. Dieser Ansatz macht kultiviertes Fleisch nicht nur erschwinglicher, sondern ebnet auch den Weg für die großtechnische Produktion und Vermarktung. Einfacher ausgedrückt: WACKER ermöglicht es, kultiviertes Fleisch kosteneffizient und skalierbar zu produzieren. Das bringt uns einen Schritt näher an die Supermarktregale.

Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Motiv für die Kulturfleischindustrie. Wie passen die biotechnologischen Lösungen von Wacker mit den Nachhaltigkeitszielen der Produzenten von Kulturfleisch zusammen?

Nachhaltigkeit ist eine treibende Kraft in der Kulturfleischindustrie und WACKER unterstützt diese Mission mit großem Engagement. Der WACKER-Konzern hat sich der UN-Initiative „Race to Zero“ angeschlossen, die darauf abzielt, unsere Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 2020 zu halbieren und bis 2045 eine Netto-Null-Emission zu erreichen. Dieses ehrgeizige Ziel ist Teil unserer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie, SustainaBalance®.

Unser Ansatz deckt sich perfekt mit den Nachhaltigkeitszielen der Produzenten von kultiviertem Fleisch. Wir konzentrieren uns auf ökologische, soziale und ernährungsphysiologische Nachhaltigkeit. Damit leistet WACKER einen Beitrag zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem. Zum Beispiel können unsere biotechnologischen Lösungen die Umweltauswirkungen der Fleischproduktion reduzieren, faire Arbeitspraktiken unterstützen und den Nährwert von Lebensmitteln verbessern.

Wir bei WACKER sind davon überzeugt, dass alternative Proteine, wie zum Beispiel kultiviertes Fleisch, für eine nachhaltige Zukunft unverzichtbar sind. Mit unseren innovativen Lösungen und unserem Engagement für Nachhaltigkeit sind wir ein wichtiger Partner für Produzenten von Kulturfleisch, die ihre Produkte umweltfreundlicher und zugänglicher machen wollen. Kurzum: WACKER hält nicht nur mit den mit den Nachhaltigkeitszielen der Kulturfleischindustrie Schritt – wir helfen, ihnen den Weg zu ebnen.

Wacker biosolution
Schematische Darstellung von CAVAMAX® W7 β-Cyclodextrin mit hydrophobem Hohlraum und hydrophiler Außenwand © Wacker

Können Sie einige wichtige Erkenntnisse oder Durchbrüche aus Ihrer jüngsten Forschung nennen, die die Produktion von Kulturfleisch voranbringen?

Auf jeden Fall! Einer unserer aufregendsten jüngsten Durchbrüche betrifft Cyclodextrine- natürlich vorkommende ringförmige Zuckermoleküle. Diese werden schon seit vielen Jahren sowohl in der Lebensmittelindustrie als auch in Biopharma-Anwendungen wie Zellkulturen, eingesetzt. WACKER ist weltweit das einzige Unternehmen, das alle drei natürlich vorkommenden Cyclodextrine durch den enzymatischen Abbau von Pflanzenstärke herstellt.

Auch die Hersteller von kultiviertem Fleisch beginnen die Vorteile von Cyclodextrinen für das Wachstum von Tierzellen zu erkennen und für ihre Kulturmedien zu nutzen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts mit der Hochschule Reutlingen haben wir untersucht, wie Cyclodextrine in Systemen funktionieren, die für kultiviertes Fleisch relevant sind. Unsere Ergebnisse bestätigten, dass Cyclodextrine die Zellproliferation in der serumfreien Zellkultivierung positiv beeinflussen, was ein bedeutender Schritt nach vorn ist.

Diese vielversprechenden Ergebnisse wurden kürzlich auf der International Scientific Conference on Cultured Meat (ISCCM10) in Maastricht vorgestellt. Diese Forschung verbessert nicht nur unser Verständnis, sondern ermöglicht es uns auch, unseren Kunden effektivere Anwendungsempfehlungen zu geben und so die Entwicklung der kultivierten Fleischproduktion voranzubringen.

Wacker kooperiert mit Aleph Farms, einem Pionier der kultivierten Fleischproduktion. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus und wie hilft Wacker Aleph Farms bei der Markteinführung von kultiviertem Fleisch?

Im Jahr 2021 ging WACKER eine Partnerschaft mit Aleph Farms ein, einem Vorreiter in der Kulturfleischindustrie, um tiefere Einblicke in den Markt und die spezifischen Bedürfnisse der Produzenten zu gewinnen. Das Hauptziel dieser Zusammenarbeit ist die Entwicklung einer offenen Lieferkette für Proteine, die die großtechnische Produktion von kultiviertem Fleisch unterstützt. Diese Partnerschaft ist nicht exklusiv, was bedeutet, dass jedes Unternehmen auf diese Proteine Zugriff hat und so in der Produktion auf fetales Kälberserum oder andere tierische Bestandteile verzichten kann.

Die offene Lieferkettenlösung soll der Industrie helfen, ihre Produktion schneller zu steigern und Kostenparität mit konventionellem Fleisch zu erreichen. Seit dem Beginn unserer Partnerschaft haben wir einen engen und aktiven Austausch gepflegt, nicht nur mit Fokus auf die Produktentwicklung, sondern auch auf regulatorische Aspekte. Wir wollen sicherstellen, dass unsere Produkte die Anforderungen der Hersteller und des Marktes erfüllen.

Unsere Zusammenarbeit hat bereits zu ersten Ergebnissen geführt. Wir freuen uns, dass wir im Jahr 2025 den ersten Wachstumsfaktor in Lebensmittelqualität auf den Markt bringen werden. Das ist ein wichtiger Schritt. Er macht kultiviertes Fleisch zugänglicher und erschwinglicher und bringt uns einer nachhaltigen Zukunft in der Lebensmittelproduktion näher.

Aleph cuts
© Aleph Farms

Nun, da eine Kommerzialisierung von kultiviertem Fleisch näher rückt, glauben Sie, dass jetzt ein kritischer Zeitpunkt für den Aufbau von Marken ist? Wie sehen Sie die Rolle einer starken Markenbildung, um das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen und die Produkte in einem aufstrebenden, aber wettbewerbsintensiven Markt zu differenzieren?

Ich glaube, dass das Vertrauen der Verbraucher in neue Produkte nicht nur durch Markenbildung, sondern durch direkte Erfahrungen mit dem Produkt wächst. Derzeit sind die Niederlande das einzige Land in der EU, in dem die Verbraucher tatsächlich kultiviertes Fleisch probieren können. Um die Verbraucher wirklich zu überzeugen, müssen sie sich mit dem Produkt auseinandersetzen – es sehen, es riechen und schmecken. Diese sensorische Erfahrung ist entscheidend für die Überwindung von Vorbehalten.

Damit das aber in größerem Umfang geschehen kann, brauchen wir Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, um eine breitere Verkostung und Verfügbarkeit von kultiviertem Fleisch zu ermöglichen. Ohne dies ist es schwierig, etwas über die Akzeptanz der Verbraucher für ein Produkt herauszufinden, das sie nicht einmal probieren können.

Was den Wettbewerb in der Zuchtfleischindustrie angeht, so geht es nicht nur um die Art des Fleisches, das produziert wird. Ein starkes Branding wird eine wichtige Rolle bei der Differenzierung der Produkte spielen. Eine starke Marke kann helfen Verbrauchervertrauen aufzubauen, die einzigartigen Vorteile eines Produkts zu vermitteln und einen treuen Kundenstamm zu schaffen. In einem Markt, der sich noch im Anfangsstadium befindet, kann eine sichtbare und vertrauenswürdige Marke den Unterschied machen und sich von der Konkurrenz abzuheben.

Frau Dahlem, wir bedanken uns für das Gespräch.

Weitere Informationen: wacker.com

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