Interviews

Matthias Rohra, ProVeg: „Unsere Mission: den globalen Fleischkonsum bis 2040 um 50 % senken“

Portrait Matthias Rohra
Matthias Rohra, COO ProVeg International

Matthias Rohra startete als Leiter VEBU Business Mitte 2015 und übt seit 2017 die Rolle als Chief Operating Officer bei ProVeg aus. Sein profundes Wissen über die Entwicklung pflanzlicher Produkte im internationalen Bereich und sein stark betriebswirtschaftlicher Hintergrund (Matthias war über viele Jahre unter anderem als Marketingexperte bei Coca-Cola und McFit erfolgreich tätig) prädestinieren ihn für diese Position. Seine starken Managementfähigkeiten und strategischen Kompetenzen sind wichtige Voraussetzungen für ProVeg, die Internationalisierung weiter erfolgreich und effizient umzusetzen. Matthias ernährt sich seit über 25 Jahren pflanzlich und ist ein begeisterter Koch pflanzlicher Gerichte.

Stichwort Internationalisierung: Wie ist der Stand der Dinge?
Nach der Umbenennung in ProVeg und dem gleichzeitigen Anstoß unseres Internationalisierungsprozesses vor drei Jahren sind wir mittlerweile in acht Ländern (Deutschland, Polen, Großbritannien, Spanien, den Niederlanden, Südafrika, den USA und China) vertreten und mit unseren Aktivitäten in insgesamt rund 20 Ländern tätig. Einen großen Fokus legen wir derzeit auf die Etablierung von ProVeg USA. Wir halten eine Präsenz dort für strategisch besonders wichtig. Nicht nur weil es sich um eines der Länder mit dem größten Fleischkonsum pro Kopf insgesamt handelt, sondern auch aufgrund des wirtschaftlichen Einflusses in der Welt. Hinzu kommt, dass die USA ein Innovationsherd für die Entwicklung alternativer Proteinquellen sind, sowohl bei Produkten auf pflanzlicher Basis als auch beim Thema Cultured Meat.

Darüber hinaus ist eine Präsenz in China für uns perspektivisch essenziell, da das Land aufgrund seiner Bevölkerungszahl den weltweit größten Fleischkonsum nachweist – und der Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten schon seit Jahren stark zunimmt.

Den Internationalisierungsprozess wird ProVeg auch in den kommenden Jahren konsequent weiterverfolgen. Einerseits durch die Konsolidierung bestehender Länder und andererseits durch weitere Expansion. Wir stoßen auf großes Interesse aus allen Regionen der Welt, was uns natürlich sehr freut und unseren Ansatz und unsere Vorgehensweise bestätigt.

Wie viele Mitarbeiter arbeiten in welchen Bereichen für ProVeg?
Zurzeit sind rund 150 internationale Mitarbeitende und Freiwillige für ProVeg tätig. Außerdem werden wir durch ein Netzwerk von etwa 100 Regionalgruppen in Deutschland unterstützt, die sich ebenfalls für die Mission von ProVeg einsetzen. Neben Deutschland haben wir etablierte Länderteams in Großbritannien, den Niederlanden, Polen, Spanien und Südafrika. Teams in China und den USA sind vor wenigen Monaten hinzugekommen. Da der Ernährungswandel, den ProVeg herbeiführen will, eine globale Herausforderung darstellt, arbeiten die meisten unserer Mitarbeitenden auch an internationalen Aktivitäten der Organisation.

Inhaltlich liegen die Hauptbereiche unserer Tätigkeiten auf Corporate Engagement sowie Media Outreach & Communications/Campaigning, aber auch Political Outreach und Community Building. Wir arbeiten sowohl mit Institutionen zusammen, unterstützen zudem aber auch Individuen bei der Ernährungsumstellung.

Welche Pläne sollen in den nächsten Monaten umgesetzt werden?
Wir wollen die Internationalisierung und unseren allgemeinen Einsatz in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen weltweit vorantreiben und stärken. Unsere Mission lautet: den globalen Fleischkonsum bis 2040 um 50 % zu senken.

Für den Rest des Jahres stehen dafür noch eine Reihe von Projekten, Events und Kampagnen an, zum Beispiel die erfolgreiche internationale Kampagne zum Weltpflanzenmilchtag (World Plant Milk Day) am 22. August 2019. Hier arbeiten wir unter anderem mit Herstellern pflanzlicher Milch und Kaffeeketten zusammen, um Interessierte anzuregen, die vielen verfügbaren Milchalternativen auszuprobieren. Zudem kommunizieren wir die Vorteile von Pflanzenmilch und zeigen auf, wie groß die Nachfrage danach bereits ist.

Ende August wird das Vegane Sommerfest Berlin, eines der größten veganen Events in Europa, von ProVeg mitorganisiert. Gleichzeitig bringen wir etwa 30 Organisationen aus über 20 Ländern zu einem Global Leadership Summit zusammen, um Best Practices auszutauschen und so die pflanzliche Bewegung weltweit zu stärken.

Am 12. und 13. Oktober organisiert ProVeg UK die erste VegMed außerhalb Deutschlands – in London. Der medizinische Kongress wird einem Fachpublikum aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema pflanzliche Ernährung näherbringen.

Ein weiteres spannendes Projekt ist der Rollout unserer VeggieChallenge, die Menschen für 30 Tage mittels einem täglichen Newsletter mit Tipps, Videos und Rezepten den Einstieg in die pflanzliche Lebensweise vereinfachen soll. Dazu gibt es viele weitere fortlaufende und in Planung befindliche Aktivitäten. 

Was ist der Global Leadership Summit und welche Themen stehen im August auf der Agenda?
Der Global Leadership Summit ist eine 3-tägige Konferenz Ende August, die ProVeg zum ersten Mal organisiert. Die Führungskräfte von über 30 Veggie-Organisationen aus der ganzen Welt kommen hierfür nach Berlin, um Best-Practice-Strategien in allen Arbeitsgebieten miteinander zu teilen: von Outreach-Strategien über Kampagnenführung bis hin zu Fundraising, Events und vieles mehr. Neben dem Netzwerken wird sich darüber ausgetauscht, was effektiv Menschen bewegt und zu nachhaltigem Wandel beiträgt. Auch die Optimierung interner Prozesse und Abläufe wird ein Thema des Summit sein. Schließlich arbeiten wir alle auf dasselbe Ziel hin – und dabei ist wechselseitige Unterstützung wertvoll. ProVeg kann viel von den Fehlern und Erfolgen anderer lernen. Das bietet eine sehr gute Gelegenheit, um die globale Veggie-Bewegung voranzutreiben.

Was bewegt sich in Sachen „veganer Lifestyle“ auf der politischen Ebene?
Derzeit ist es leider so, dass sich der Markt für vegane Produkte gegen politische Einschränkungen in der Lebensmittelkennzeichnung behaupten muss. In Deutschland hat die Lebensmittelbuch-Kommission Ende vergangenen Jahres Leitsätze für die Benennung vegetarischer und veganer Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs veröffentlicht. Darin werden willkürliche Unterscheidungen getroffen und nicht nachvollziehbare Regeln aufgestellt: Während „vegane Streichwurst“ als Kennzeichnung weiterhin zulässig ist, müsste eine „vegane Leberwurst” umbenannt und umständlich mit „vegane Streichwurst nach Art einer Leberwurst” beschrieben werden. ProVeg hat gemeinsam mit einer breiten Allianz aus Unternehmen, die Veggie-Alternativen produzieren, ein Statement veröffentlicht, in dem wir unsere Kritik an den Leitsätzen deutlich machen. Hinzu kommt, dass der Landwirtschaftsausschuss des EU-Parlaments jegliche Bezeichnungen wie „Burger”, „Schnitzel” oder „Würstchen” für pflanzliche Alternativen verbieten möchte. Ein entsprechender Antrag wurde dort im April 2019 eingereicht. Da jedoch noch nicht endgültig darüber entschieden wurde, hat ProVeg eine Petition gestartet, die innerhalb weniger Wochen schon über 60.000 Menschen unterschrieben haben!

Mit unserer Petition fordern wir das künftige EU-Parlament auf, den Vorschlag abzulehnen, da er unnötig und irrational ist. Es gibt keine empirischen Studien oder sonstige Belege, die darauf hinweisen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher durch die aktuellen Bezeichnungen von veganen und vegetarischen Produkten verwirrt oder getäuscht werden. Zu behaupten, dass Konsumentinnen und Konsumenten die Bedeutung des Begriffs „Veggie-Burger” und ähnlicher Bezeichnungen nicht verstehen, ist Unsinn. Begriffe wie „Burger”, „Wurst” und „Milch” für pflanzliche Produkte vermitteln den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Eigenschaften der Produkte, nach denen sie beim Kauf suchen, beispielsweise in Bezug auf Verwendung, Geschmack und Textur. Das hat sich seit Jahren bewährt, warum sollte das erschwert werden?

Hierbei gäbe es nur Verliererinnen und Verlierer: Den Verbraucherinnen und Verbrauchern wird die Auswahl erschwert, wenn sie auf nachhaltigere und tierfreundlichere Alternativen umsteigen wollen und den produzierenden Unternehmen wird es erschwert, derartige Produkte auf den Markt zu bringen. Dies wäre ein vollkommen verfehltes Zeichen – gerade in Zeiten, in denen eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte nicht nur von den Vereinten Nationen und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen wird, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Lösung zahlreicher drängender Probleme leisten kann wie Klimawandel, Artensterben, Regenwaldabholzung, Welthunger und Massentierhaltung.

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