In seiner dritten Ausgabe bietet das Jahrbuch Steuergerechtigkeit 2024, herausgegeben von dem Verein Netzwerk Steuergerechtigkeit, einen systematischen Überblick über die Gerechtigkeitslücken im deutschen Steuersystem. Es werden sieben moderate Reformvorschläge vorgestellt, die für ein gerechteres und ökologischeres Steuersystem sorgen könnten. Zusammen haben diese Vorschläge ein Umsteuerungspotenzial von schätzungsweise 75 Milliarden Euro. Der Fokus lag bei der Ausgestaltung der Reformvorschläge auf einem „ausgewogenen Mix aus einigen wenigen, dafür aber besonders wirksamen und machbaren Maßnahmen, die größere Verwerfungen nach Möglichkeit vermeiden.“ Insgesamt acht Gerechtigkeitsindikatoren dienen dazu, Veränderungen sichtbar zu machen.
Die Mehrwertsteuer braucht ein Update für Gesundheit und Umwelt
Die Autoren befassen sich unter anderem mit der Umsatzsteuer sowie Umsatzsteuer-Ermäßigungen. Sie stellen fest, dass es nicht sinnvoll ist, dass auf Fleischersatz und Sojamilch 19 Prozent Umsatzsteuer fällig werden, während es bei Fleisch aus Massentierhaltung und Gummibärchen nur 7 Prozent sind. „Wer gesunde und nachhaltige Ernährung fördern will, kann nicht Zucker und Fleisch niedriger besteuern als Sojamilch und Fleischersatz.“, so das Fazit der Autoren.
Der Reformvorschlag spricht sich dafür aus, derlei umweltschädliche Steuerregeln abzubauen und mit geeigneten Ausgleichsmaßnahmen zu verbinden. Somit könne die Lenkungswirkung des Steuersystems in Bezug auf Umwelt und Gesundheit deutlich gesteigert werden.
Steuerliche Lenkung entspricht dem Willen der Bürger
Die Autoren verweisen in dem Kontext auch auf die Ergebnisse des Bürgerrats „Ernährung im Wandel“, der seine Empfehlungen für den Bundestag im Januar vorstellte. Die Empfehlung, Grundnahrungsmittel, die vom ermäßigten Steuersatz profitieren, neu zu definieren und z. B. pflanzlichen Milch- und Fleischersatz einzubeziehen, landete auf Platz fünf mit 72,6 Prozent Zustimmung.
Unternehmen und Zivilgesellschaft fordern faire Besteuerung von pflanzlichen Produkten
Neben dem Netzwerk Steuergerechtigkeit und dem Bürgerrat „Ernährung im Wandel“, fordern privatwirtschaftliche Akteure und NGOs schon seit Jahren, die ungleiche Besteuerung zu beheben und einen fairen Wettbewerb für Fleisch- und Milchalternativen herzustellen. Der Nahrungsmittelhersteller Oatly und der Online-Supermarkt Knuspr reduzierten etwa im Januar die Mehrwertsteuer auf eigene Kosten, um gemeinsam die Politik zum Handeln aufzufordern.
ProVeg: Parität als Minimalforderung
Seit der Novellierung der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie ist auch eine Steuersenkung auf 0 Prozent möglich. Im Rahmen der Kampagne „0 % fürs Klima“ fordert ProVeg eine solche Mehrwertsteuerbefreiung für alle pflanzlichen Nahrungsmittel, auch für pflanzliche Alternativprodukte wie Pflanzenmilch – zum Schutz des Klimas und zur Entlastung der Haushalte angesichts der hohen Preissteigerungen im Einzelhandel.