Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg meldet, plant Aerofarms, einer der aktuellen Weltmarktführer für Indoor Vertical Farming, den Gang an die US-Börse. Die Unternehmensbewertung von 1,2 Milliarden US-Dollar zeigt: Die Vertical-Farming-Revolution ist in vollem Gange. Die News aus Übersee freut auch Maximilian Lössl und Philipp Wagner, Gründer des deutschen Food-Tech-Start-ups Agrilution. Mit ihrem innovativen „Plantcube“ bringen sie das Thema Indoor-Farming näher an die Verbraucher als jeder andere, nämlich in deren eigene vier Wände.
„Hyper Regional“, „Local Superfood“, „Healthy Living“, – vor dem Hintergrund des steigenden Bewusstseins für gesunde Ernährung und im Wissen um die dramatischen Bodenschäden durch konventionelle Landwirtschaft entsteht derzeit eine Vielzahl von Bewegungen, deren Ziel unterm Strich dasselbe ist: Back to the Roots.
Mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung, fast vier Milliarden Menschen, leben heute laut dem „Atlas of the Human Planet“ im urbanen Umfeld. Bis 2050 werden mehr als zwei Milliarden Städter hinzukommen. Nicht nur, dass diese Agglomerationen ernährt werden müssen – die Ausdehnung der Ballungsräume kostet auch fruchtbaren Ackerboden, zusätzlich zur enormen Bodenerosion. Vertical Farming gilt deshalb als eine der zukünftigen Säulen, 9,7 Milliarden Menschen zu ernähren, ohne die Belastungsgrenzen der Erde unwiederbringlich zu überschreiten.
Das Prinzip der vertikalen Landwirtschaft wurde bereits 1999 vom Mikrobiologen Dickson Despommier, Professor an der New Yorker Columbia University, bekannt gemacht: Die Produktion pflanzlicher Erzeugnisse unter Gewächshausbedingungen in mehrstöckigen Gebäuden könnte die ganzjährige Versorgung der Stadtbevölkerung mit frischem Gemüse, Früchten, Pilzen und Algen sichern, so seine These.
Von der größten zur kleinsten Einheit
Max Lössl und Philipp Wagner beschlossen 2013, das Konzept noch einen Schritt weiter zu denken. Ihre Idee: „Den Ort der Produktion so nah wie möglich an den Ort des Konsums zu bringen.“ Mit ihrem Start-up Agrilution konzentrierten sich die beiden Gründer auf die kleinste Zelle, nämlich den privaten Haushalt, und entwickelten mit dem „Plantcube“ einen vollautomatisierten Gewächsschrank, in dem sich Blattgemüse, Kräuter, Salate, und neuerdings auch Tees in der eigenen Wohnung ganzjährig ziehen und ernten lassen. Als Hydrokultur, unter LED-Beleuchtung, kontrolliert und gesteuert per App. Das bedeutet: keine Transportwege, kein Plastikmüll, keine Pestizide und 98 Prozent weniger Wasserverbrauch als auf dem Acker und on top intensiver Geschmack und nachweislich 30 Prozent mehr Vitamine, Antioxidantien und Spurenelemente – denn geerntet wird ja immer erst kurz vor dem Verzehr, was einen größtmöglichen Erhalt sekundärer Pflanzenstoffe garantiert.
Mittlerweile arbeiten am Headquarter des Unternehmens in München mehr als 35 Biologen, Pflanzenkundler und Softwareentwickler an den Umgebungsparametern (Klima, Licht, Wasser), um so die Optimierung des Ertrags, Geschmacks und der gesunden Inhaltstoffe essbarer Pflanzen voranzutreiben. Das Saatgut – ausschließlich nicht genmanipuliert – wird in vollständig biologisch abbaubarem Substrat geliefert, 18 solcher sogenannter Seedbars finden Platz in einem der unterbaufähigen Hightech-Geräte.
Nachdem die Zahl der Haushalte mit Plantcubes steigt und auch mehrere Chefköche die Mini-Vertical-Farm – nebenbei ein Design-Highlight – in ihre Küchen integriert haben, wurde Miele auf das Start-up aufmerksam. Unter dem Dach des Premiumherstellers haben die Gründer nun mit einem langfristigen Plan die Chance, ihre Mission weiter zu verfolgen und die Innovation nach ihren Vorstellungen weiterzuentwickeln und international auszurollen.
„Mit vertikalen Farmen allein können wir die Erdbevölkerung nicht satt machen, aber schon heute frischere und nährstoffreichere Zutaten in die Küchen von Städtern liefern. Und mit den Daten, die wir dabei generieren und unseren Erkenntnissen können wir langfristig einen entscheidenden Beitrag zum effizienteren Anbau und zur gesünderen Ernährung der Welt leisten“, so Agrilution-CEO Maximilian Lössl.