Food & Beverage

COVID-19 verändert das Konsumverhalten mit langfristigen Folgen: Bewusstes Einkaufen mit dem Blick für eine gesunde und nachhaltige Ernährung

Es wird derzeit immer deutlicher, dass die aktuellen weltweiten Entwicklungen einen großen Einfluss auf unser Leben, auf Unternehmen und auf die Wirtschaft  haben werden. Wie reagieren Menschen auf die Pandemie und welche Verhaltensmuster haben sich endgültig verändert? Dieser Gastbeitrag ist von den Marktexperten Expansion.Eco aus Berlin.

Unser Leben hat sich während des Lockdowns eindeutig verlangsamt und viele hatten die Möglichkeit zu überdenken, wie sie durch den Alltag  rennen – und den Supermarkt hetzen. Impulsives Einkaufen und “to go” Essen ist durch intensiveres zu-Hause-Kochen und sorgfältig geplante Einkäufe ersetzt worden. Vor Allem aber sind nun Entscheidungen beim wöchentlichen Einkaufsbummel sehr viel abhängiger von unseren Werten und nicht mehr von wöchentlichen Angeboten:

Diese Gewohnheiten ähneln sich in mehreren Ländern Nordeuropas, so wie Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland. Die deutsche Regierung unterscheidet sich jedoch darin, dass Beschränkungen in Bezug auf Corona weit vor den Nachbarländern gelockert wurden. Daher erweist sich Deutschland als interessantes Beispiel. Wir beobachten, welche Trends nach Abschaffung der endlosen Warteschlangen vor den Supermärkten und Tante-Emma-Läden weiterhin das Einkaufsverhalten vieler Europäer bestimmen wird.

Anders gefragt: Was ist die neue Norm für Verbraucher nach dem Ende der Corona-Krise?

1. Unser Alltag ist verlangsamt, und Kochen bedeutet nicht mehr „etwas in die Pfanne hauen“.

Die Ausgangssperre und die plötzliche Unfähigkeit, sich durch die tägliche Routine zu hetzen, hat vielen Menschen ihr zwanghaftes Einkaufsverhalten vor Augen geführt. Insbesondere das Essen “to go” erweist sich als teuer, ungesund und nicht sehr umweltfreundlich. Zu Hause bleiben gab Zeit zum Überdenken was mit unserer Zeit und unserem Geld geschieht. Dies hat viele Menschen dazu angeregt, sowohl über ihre Gesundheit als auch über ihr Einkaufsverhalten und die damit verbundenen  Konsequenzen auf die Umwelt nachzudenken.

cooking food box
© olhaafanasieva – stock.adobe.com

Ein Beispiel ist die verstärkte Gewohnheit zu Hause zu kochen. Die Zubereitung frischer Mahlzeiten bietet den Verbrauchern die Möglichkeit genau zu wissen, welche Zutaten sie verwenden und woher diese stammen.

Eine Studie der Hans Lohmann Stiftung beweist, wie drastisch die Deutschen auf ihre kulinarischen Fähigkeiten angewiesen waren, als die Angebote von Restaurants, Spätis und dem Italiener um die Ecke nicht mehr in Frage kamen.

Mitglied der Stiftung, Dagmar von Cramm, stellt fest, dass die Pandemie das Kochverhalten der Deutschen langfristig verändert hat. Die Ergebnisse der Studie haben die Experten überrascht, da Berichte zu Beginn der Krise von leergeräumten Gefriertruhen und ausverkauften Instant Suppen das Schlimmste befürchten ließen. Stattdessen zeigten die Ergebnisse der Umfrage, dass Verbraucher in den letzten Wochen öfter gekocht haben als in der Zeit vor Corona.

Und kochen heißt nicht ‚Essen machen‘ – von Cramm verweist auf den Unterschied zwischen Auftauen und Aufwärmen von Fertiggerichten und der Verarbeitung von frischen Lebensmitteln zu einer ausgewogenen Mahlzeit.

2. Gesunde Produkte im Rampenlicht: Kunden achten auf ihre Ernährung und Supermärkte haben vermehrtes Interesse, ihr Angebot an pflanzlichen Produkten zu erweitern.

Nun, da wir gezwungen sind unseren wöchentlichen Lebensmittelkonsum sorgfältiger zu planen und öfter Hause zu kochen, müssen wir auch über die gewünschten Zutaten nachdenken. Das Ergebnis ist ein steigendes Interesse an gesunden Lebensmitteln. Vor allem solche, die das Immunsystem stärken, wie das sogenannte ‘functional food’.

Pflanzenbasierte Käsealternative der Marke Simply V © Simply V

Der Begriff ‘Immunität’ bei der Suche nach Lebensmitteln im Internet ist zwischen Februar letzten Jahres und März 2020 um 27 Prozent angestiegen, wie von dem Food Intelligence Startup Tastewise berichtet wird. Bio-Lebensmittel, auf Pflanzen basierte Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel fallen in diese Kategorie, was erklärt warum solche ebenfalls einen Verkaufsanstieg erfahren haben.

Möglicherweise sind Menschen sich mehr dessen bewusst, dass Ernährung einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit hat. Der Mangel an Pestiziden und Agrochemikalien im Bereich der ökologischen Landwirtschaft gibt Verbrauchern ein sichereres Gefühl bei verarbeiteten Lebensmitteln.

Dieser Trend ist auch in den Niederlanden zu sehen. Brad Vanstone von Willicroft, ein veganer Käseproduzent aus Amsterdam, betont: „Wir haben hier keine harten Fakten, aber die Tatsache, dass wir seit Beginn von COVID einen Verkaufsanstieg verzeichnen konnten, ist ein Beweis dafür, dass die Kunden ihre Ernährung genauer als zuvor beachten. Wir haben auch festgestellt, dass die Supermärkte sehr daran interessiert sind, ihr Angebot an pflanzlichen Produkten zu erweitern.”

Nach einer Schätzung von ProVeg steigt die Anzahl der Veganer in der deutschen Bevölkerung täglich um 200 und bei Vegetariern kommen circa 2.000 täglich hinzu. Auch hier wird erwähnt, dass immer mehr Ärzte und Ernährungswissenschaftler die gesundheitlichen Vorteile einer vegan-vegetarischen Ernährung bei der Prävention und Behandlung von Krankheiten erkennen.

3. Nachhaltige Produkte im Rampenlicht: Das Kaufverhalten wird in der Krise von  Woche zu Woche  umweltfreundlicher

Ein weiterer Grund könnte der Anreiz sein, Geld an Unternehmen auszugeben, die zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen. Eine Umfrage von Oliver Wyman in der Süddeutschen unter 9000 Verbrauchern in neun Bundesländern hat ergeben, dass die Corona Krise das Einkaufsverhalten von 40 Prozent der Deutschen im Hinblick auf klimabewusstes Einkaufen langfristig verändert hat.

„Wir gehen davon aus, dass die Veränderungen im Kaufverhalten mit jeder Woche in der Krise nachhaltiger werden“, sagt Wyman-Einzelhandelsexperte Rainer Münch und verweist darauf, dass die Verbraucher deutlich seltener einkaufen, dafür aber mit einer höheren Sorgfalt darauf achten, was sie kaufen. Außerdem seien sie dazu bereit, trotz des geringeren Haushaltseinkommens mehr Geld für Lebensmittel auszugeben, wie ein Viertel der Befragten angab.

One Planet Pizza
© One Planet Pizza

Mike Hill, Mitgründer des mehrfach preisgekrönten veganen Pizzaherstellers ‘One Planet Pizza’, bekräftigt dasselbe für Großbritannien: „Seit Beginn der Pandemie haben wir einen Anstieg der Verkäufe sowohl über unseren Einzelhandel als auch über unseren eigenen Direct-to-Consumer-Service festgestellt. Dazu gehört sicherlich auch, dass ‚bewusste Verbraucher‘ noch mehr bei ethischen und umweltfreundlichen Marken einkaufen, die Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt ihres Handelns gestellt haben. Der Lockdown und die ‚Verlangsamung‘ des Lebens der Menschen scheint sie dazu ermutigt zu haben, mehr über die Umwelt nachzudenken und in einigen Fällen näher an die Natur heranzutreten, wodurch das Bewusstsein der Menschen für Nachhaltigkeitsfragen geschärft wird.“

Nachhaltigkeit ist einer der großen Megatrends schlechthin, wie die Marktforscher von Facit Research am 26. Mai in ‘Lebensmittel Praxis’ veröffentlichten. 43 Prozent der Befragten sind bereit, bei nachhaltigen Produkten Kompromisse einzugehen, zum Beispiel bei Farbe und Form des Produkts. Für ein Drittel ist es wichtig, dass Lebensmittel in allen Produktionsschritten nachhaltig produziert werden.

Marken, die an der Transparenz ihrer Produktlieferkette gearbeitet haben, erleben die positiven Ergebnisse für ihr Engagement. Andrew Field, Mitbegründer von Humble Warrior in Großbritannien, stellt dasselbe fest: „Covid-19 hat unsere Konsumgewohnheiten ins Rampenlicht gerückt und die Verbraucher setzen ihre Prioritäten neu. Der Übergang zu einer nachhaltigeren Lebensweise ist aber nicht neu. Was wir jetzt sehen ist eigentlich nur eine Beschleunigung dieses Wandels. Online-Kauf bedeutet, dass die Menschen mehr Informationen über Marken als je zuvor abrufen können, so dass sie vor einem Kauf besser informiert sind. Das ist eine große Veränderung für Marken. Die Menschen wollen sehen, dass ihre Marken ihre Behauptungen untermauern und dass ihre Lieferkette transparent ist. Das war für uns schon immer eine Priorität – deshalb kennen wir unsere Züchter persönlich, wir füllen in Glasflaschen ab und spenden 2 % jeder Flasche für wohltätige Zwecke. Seit dem Lockdown konnten wir bei Humble Warrior einen Anstieg der Online-Verkäufe um 500% verzeichnen, wobei die Zahl der wiederkehrenden Kunden um 35% gestiegen ist.“

Seine Einschätzungen stimmen mit der Aussage der deutschen Lebensmittelexpertin Tanja Boga überein. Wie sie in einem Interview mit dem LP-Magazin feststellt, müssen Einzelhändler und Hersteller eine klare Haltung zur Nachhaltigkeit entwickeln und diese in eine konsequente Strategie und Kommunikation umsetzen. Die Kommunikation muss verständlich, glaubwürdig und transparent sein. Für Produkte im Lebensmittelhandel gilt: frei von schädlichen Chemikalien und so wenig Verpackung wie möglich.

expansion.eco
© Expansion.eco

4. Das Leben ist verlangsamt und auch unser Einkaufsverhalten ist verlangsamt: Qualität steht über Quantität

Verbraucher sind dazu bereit, einen Preisaufschlag für Lebensmittel zu zahlen, die das Immunsystem stärken oder Unternehmen zu unterstützen, die es zu ihrem Kerngeschäft machen, für eine nachhaltige Sache zu kämpfen – und dieses Verhalten wird wahrscheinlich auch post-Corona andauern. So wie unser Vergleich mit Ländern wie Großbritannien und den Niederlanden zeigt, gilt dieser Trend nicht nur für deutsche Verbraucher, sondern er könnte auch für Länder mit einem ähnlichen wirtschaftlichen Strukturen wie Österreich, der Schweiz und Skandinavien gelten.

Auf der anderen Seite wird die wirtschaftliche Krise, die wir in Europa erfahren, höchstwahrscheinlich Auswirkungen auf die Kaufkraft haben. Einer Studie der GfK mit dem Titel „COVID-19 Consumer Pulse“ zufolge, fürchtet jede*r fünfte Befragte in Deutschland um seinen Arbeitsplatz oder hat ihn bereits verloren. Dies führt zu einem Zwiespalt im Einkaufsverhalten: Die Menschen wollen mehr Geld für hochqualitative Produkte ausgeben, haben aber geringere Mittel zur Verfügung.

Die Qual der Wahl bleibt aus: Die impulsiven und “on the go” Einkaufsgewohnheiten verändern sich hin zu weniger häufigen, dafür aber besser vorbereiteten Besuchen im Supermarkt. Die Verbraucher werden beim Kauf von Lebensmitteln immer qualitätsbewusster und es besteht ein Anreiz, für die als hochwertig empfundenen Produkte mehr zu bezahlen.

Man kann sagen, dass „mindful shopping” das Ergebnis dieser herausfordernden Zeiten ist. In den letzten Jahren gab es bereits Anzeichen für ein wachsendes Gesundheits- und Umweltbewusstsein. Aus der Krisensituation ist jedoch die Notwendigkeit einer aktiven und sofortigen Veränderung des Einkaufsverhaltens entstanden.

Dies könnte die wichtigste Veränderung sein, die sich auch nach Ende der Covid-19-Pandemie langfristig durchsetzen wird.

 

Weitere Informationen zum Gastautor finden Sie unter www.expansion.eco

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