Interviews

Im Interview mit dem IFPE: „Häufig beraten wir zur Nährstoffoptimierung von veganen Milch-, Fleisch- oder Käsealternativen, sowohl von bereits eingeführten Produkten als auch bei der Entwicklung innovativer neuer Produkte“

Das IFPE erforscht unter anderem die Ernährungsqualität von pflanzenbasierten Kostformen und arbeitet zusammen mit Unternehmen an der Produktoptimierung neuer Innovationen.

Das Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung, kurz IFPE, ist ein privates Forschungs- und Beratungsinstitut und kompetenter Ansprechpartner für öffentliche und private Akteure in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Der Fokus des IFPE liegt vor allem auf der Erforschung und wissenschaftlichen Bewertung pflanzenbasierter Ernährungsweisen.

Zu den Zielen des Instituts zählen unter anderem die Förderung von Wissenschaft und Forschung, des öffentlichen Gesundheitswesens, der Volks- und Berufsbildung, des Tierschutzes und von Verbraucherberatung und Verbraucherschutz. Dafür realisiert das IFPE verschiedene wissenschaftliche Forschungsvorhaben im Bereich pflanzenbasierter Ernährung.

Wir sprachen im Interview mit Dr. Markus Keller, dem Mitbegründer und Leiter des IFPE, der die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit auf die Themen Vegetarismus/Veganismus, alternative Ernährungsformen sowie nachhaltige Ernährung gelegt hat.

Herr Dr. Keller, was ist das IFPE und wofür steht es?

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Dr. Markus Keller © IFPE

Das Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung, kurz IFPE, ist ein gemeinnütziges, außeruniversitäres Forschungs- und Beratungsinstitut. Wir befassen uns vor allem mit der Erforschung und wissenschaftlichen Bewertung pflanzenbasierter Ernährungsweisen, sowohl aus ernährungswissenschaftlicher als auch aus ernährungsökologischer Sicht. Denn hier gibt es noch zahlreiche Forschungslücken. Mit seiner Arbeit will das IFPE zur Verbreitung einer pflanzenbasierten, nachhaltigen Ernährung in der Gesellschaft beitragen.

Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt es für Startups und KMU? Welche Beratungsservices bietet das IFPE an? 

Wir arbeiten seit Anfang an mit Unternehmen der Lebensmittelbranche zusammen. Häufig beraten wir dabei zur Nährstoffoptimierung von veganen Milch-, Fleisch- oder Käsealternativen, sowohl von bereits eingeführten Produkten als auch bei der Entwicklung innovativer neuer Produkte.

Denn diese Produkte stehen zunehmend in der Kritik von wissenschaftlichen Fachverbänden, Ernährungswissenschaftlern und Medizinern. Hierbei geht es um die vermeintlich starke Verarbeitung, das völlig andere Nährstoffprofil im Vergleich zu den tierischen Originalprodukten oder auch das allergene Potenzial. Aus unserer Sicht ist diese Kritik oft sehr pauschal, teilweise aber auch gerechtfertigt. Ernährungswissenschaftliches Know-how einzubeziehen ist für Hersteller und Handel durchaus empfehlenswert. Gerade für Startups und KMU gibt es zu diesem Zwecke öffentliche Fördergelder, die man für Kooperationsprojekte zwischen Wirtschaft und Wissenschaft beantragen kann.

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© aamulya – stock.adobe.com

Wo liegt Ihr Forschungsschwerpunkt und an welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?

Ein aktueller Forschungsschwerpunkt ist die Ernährungsqualität von pflanzenbasierten Kostformen sowie die Nährstoffversorgung von Menschen, die sich vegetarisch, vegan oder überwiegend pflanzlich ernähren. Neben dem bereits laufenden EU-Projekt VeganScreener planen wir aktuell eine große Kohortenstudie mit rund 6000 Teilnehmern. An der COPLANT-Studie sind sieben Studienzentren in Deutschland sowie eines in Österreich beteiligt. Hier wollen wir gesundheitliche Vorteile und mögliche kurzfristige und langfristige Risiken sowie soziale, ökologische und ökonomische Auswirkungen verschiedener pflanzenbasierter Ernährungsformen (vegan, vegetarisch, mit Fisch) im Vergleich zu einer Mischkost untersuchen. Neben zahlreichen gesundheitlichen Aspekten wird der ökologische Fußabdruck oder auch die Frage nach den Kosten der verschiedenen Ernährungsweisen eine wichtige Rolle spielen.

Da wir für die COPLANT-Studie leider keine Gesamtförderung erhalten, freuen wir uns über alle Unternehmen oder auch Einzelpersonen, die uns beispielsweise bei der Anschaffung von medizinischen Messgeräten oder den Laborkosten mit steuerlich absetzbaren Spenden unterstützen. Studieninteressierte aller Ernährungsformen können sich bereits jetzt in unserer Teilnehmerdatenbank vormerken lassen. Diese Datenbank findet man unter www.ifpe-giessen.de/studienteilnehmer_innen-datenbank.

Warum liegt Ihnen das Thema vegane Ernährung bei Säuglingen und Kindern am Herzen?

Das hat sehr viel damit zu tun, dass ich selbst Vater bin. Besonders in den sensiblen Lebensphasen der frühen Kindheit muss eine vegane Ernährung gut geplant und vollwertig sein. Leider gibt es immer wieder Einzelfallberichte von gestillten Säuglingen mit schweren Nährstoffmängeln, weil beispielsweise die Mutter kein Vitamin B12 supplementiert hat und auch schlecht mit Jod versorgt war. Diese tragischen Fälle wären jedoch völlig vermeidbar.

Erfreulicherweise haben unsere beiden VeChi-Studien gezeigt, dass auch vegane Kinder und Jugendliche im Durchschnitt ähnlich gut mit Nährstoffen versorgt sind wie vegetarische oder mit Mischkost ernährte. Bestätigt haben sich jedoch einige kritische Nährstoffe, auf die besonders geachtet werden muss, beispielsweise Kalzium, Jod oder Vitamin D. Das galt übrigens nicht nur für die veganen Kinder, sondern für alle drei Ernährungsformen. Auch hier wollen wir gerne weiterforschen, denn es fehlen vor allem auch Langzeitstudien zu veganer oder vegetarischer Kinderernährung.

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© kasia2003 – stock.adobe.com

Wo sehen Sie Trends und Notwendigkeiten der Lebensmittelherstellung, z.B. bei Fleisch- und Käsealternativen, in den kommenden Jahren?

Der wachsende Markt für vegane Alternativprodukte hilft mit, den Konsum und mittelbar auch die Produktion von tierischen Lebensmitteln zu reduzieren. Insbesondere bei Käsealternativen sind jedoch Geschmack, Konsistenz und Rohstoffzusammensetzung weiterhin eine Herausforderung. Das ganz große Thema sehe ich aber beim Nährstoffprofil, denn wenn wir es hinbekommen, dass Fleisch-, Milch- und Käsealternativen nicht nur aus ökologischer und ethischer Sicht, sondern auch hinsichtlich der Nährwerte eine echte Alternative zu Tierprodukten darstellen, werden viele Menschen ihre Skepsis gegenüber diesen Produkten ablegen.

Große Chancen sehe ich da im Bereich der Fermentation, beispielsweise zur Vitamin-B12-Anreicherung. Auch das vor allem in Hülsenfrüchten vorhandene Phytoferritin sollten wir viel stärker erforschen und bei der Produktherstellung berücksichtigen. Der große Vorteil dieser Eisenform ist, dass es völlig unbeeinflusst von pflanzlichen Hemmstoffen wie der Phytinsäure vom Körper aufgenommen wird und somit sehr gut zur Eisenversorgung von Risikogruppen wie Frauen, Schwangere und Kinder, ganz besonders bei vegetarischer oder veganer Ernährung, beitragen kann.

Wo kann man sich mit Ihnen und Ihrem Team in diesem Jahr persönlich austauschen?

Ich bin auch dieses Jahr mit Vorträgen und Workshops auf verschiedenen Veranstaltungen, die aktuellen Termine sind auf der IFPE-Webseite unter www.ifpe-giessen.de zu finden.

Herr Dr. Keller, wir bedanken uns für das informative Gespräch.

 

Weitere Informationen zum IFPE finden Sie unter www.ifpe-giessen.de.

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