Investments & Finance

Ein Gastbeitrag von Philipp Wolf von swyytr

Zwischen Hype und Wirklichkeit: Oatly und Beyond Meat als Spiegelbild der Branche?

Der Lebensmittelsektor befindet sich inmitten eines radikalen Wandels, angetrieben von Innovationen in den Bereichen alternative Proteine, AgTech und nachhaltige Lebensmittelproduktion. Während „New Food“-Unternehmen in den letzten Jahren stark gewachsen sind, kommen inzwischen Zweifel, im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit auf, die sich in einem deutlich schwieriger gewordenen Finanzierungsumfeld offenbaren.

Um diese Lage besser zu verstehen, hilft, einen Blick auf börsennotierte Unternehmen wie Oatly und Beyond Meat, aber auch ein Blick auf die breitere globale und nationale Finanzierungssituation.

Oatly und Beyond Meat: Der Fall der Pionier-Aktien

Oatly und Beyond Meat waren einst die Vorreiter der alternativen Proteinrevolution. Beyond Meat (BYND) ging 2019 an die Börse und wurde schnell zum Liebling von Investoren, die auf den pflanzenbasierten Fleischmarkt setzten. Ähnlich erging es Oatly (OTLY), das zwar bereits 1994 gegründet wurde, aber erst 2021 an die Börse ging und die Welle der Hafermilch-Popularität nutzte. Doch trotz eines anfänglichen Hypes haben beide Unternehmen in den letzten Jahren drastische Wertverluste hinnehmen müssen.

Der Aktienkurs von Beyond Meat fiel von seinem Höchststand von über 200 USD im Jahr 2019 auf unter 15 USD im Jahr 2024. Oatly, das nach seinem Börsengang mit einem Kurs von 17 USD startete, notierte im Jahr 2024 unter 2 USD. Diese drastischen Kursverluste werfen die Frage auf, warum die Märkte das Potenzial dieser Unternehmen so negativ beurteilen.

Ein Hauptgrund liegt in den enttäuschenden finanziellen Ergebnissen beider Unternehmen. Beyond Meat kämpfte mit rückläufigen Verkaufszahlen, die auf eine Übersättigung des Marktes und ein abflachendes Interesse an pflanzenbasierten Fleischalternativen hindeuten. Hinzu kamen Probleme in der Lieferkette und ein schärferer Wettbewerb. Oatly wiederum sah sich mit Produktionsproblemen und hohen Betriebskosten konfrontiert, die es schwer machten, Gewinne zu erzielen. Beide Unternehmen mussten zudem als Pioniere ihrer Branche hohe Marketingausgaben tätigen, um ihre Produkte und Marken bekannt zu machen, was die Profitabilität weiter unter Druck setzte.

Ein weiterer Faktor ist die makroökonomische Umgebung. Die steigenden Zinsen und die damit verbundenen höheren Kapitalkosten haben Investitionen in wachstumsorientierte, aber unprofitable Unternehmen weniger attraktiv gemacht. Die Anleger haben sich zunehmend von riskanten Wetten wie Oatly und Beyond Meat abgewandt und suchen stattdessen nach stabileren Investitionen.

Beyond Meat und Oatly als Indikatoren für die Finanzierungs-Lage im „New Food“-Sektor?

Diese Entwicklungen werfen die Frage auf, ob börsennotierte Unternehmen wie Beyond Meat und Oatly tatsächlich als Indikatoren für die allgemeine Finanzierungs-Lage im „New Food“-Sektor dienen können.

Oatly
© David – Adobe Stock

Nicht nur die sinkenden Aktienkurse von Beyond Meat und Oatly, sondern nahezu alle Kurse einschlägiger Unternehmen an der Börse könnten auf den ersten Blick als ein schlechtes Omen für die gesamte Branche gedeutet werden. Doch die Realität ist komplexer. Börsennotierte Unternehmen unterliegen einer Reihe von Faktoren, die nicht unbedingt auf die gesamte Industrie zutreffen. Die Performance dieser Unternehmen spiegelt nicht zwingend die Innovationskraft oder die langfristigen Wachstumsperspektiven der Branche wider. Im Gegenteil, viele der dynamischsten Entwicklungen im „New Food“-Sektor finden in Start-ups statt, die sich noch in privater Hand befinden.

Globale Investitionslage von FoodTech

Trotz der Herausforderungen, mit denen einige börsennotierte Unternehmen konfrontiert sind, zeigt der „New Food“-Sektor weltweit ein robustes Wachstum. Im ersten Halbjahr 2024 wurden weltweit 7,3 Milliarden USD in FoodTech-Start-ups investiert, was einem Anstieg von 20 % gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Bemerkenswert ist, dass der Anstieg der Investitionen trotz eines schwierigen makroökonomischen Umfelds stattgefunden hat. Ein Blick in die Details offenbart allerdings, dass dieser Anstieg durch einige Mega-Deals angetrieben wurde, darunter 700 Millionen USD für Wonder, ein Unternehmen im Bereich virtuelle Restaurants, sowie 665 Millionen USD für Zepto, ein indisches Start-up für schnelle Lebensmittellieferungen.

Dies zeigt einerseits, dass Investoren weiterhin großes Vertrauen in die langfristigen Chancen des Sektors haben, insbesondere in den Bereichen Lieferdienste und AgTech, während andere Bereiche, wie alternative Proteine, einen Rückgang verzeichnen.

Europa: Ein gemischtes Bild

In Europa verzeichneten FoodTech-Start-ups im Jahr 2023 Investitionen in Höhe von 4,3 Milliarden Euro, was einem Rückgang von 35 % im Vergleich zu 2022 entspricht. Trotz dieses Rückgangs konnte Europa seinen Anteil am globalen FoodTech-Investitionsvolumen von 14 % im Jahr 2020 auf 32 % im Jahr 2023 steigern. Ein wesentlicher Anteil ist allerdings auch in diesem Fall auf Kategorien wie Delivery und AgTech zurückzuführen. Doch auch Alternative Proteine verzeichneten im Jahr 2023 ein erhebliches Wachstum gegenüber den Vorjahren. Von den rund 550 Millionen Euro ist allerdings ein Großteil auf Oatly zurückzuführen, das im Frühjahr in einer neuen Finanzierungsrunde 425 Millionen Dollar von Investoren sichern konnte.

Ein genauerer Blick auf das erste Halbjahr 2024 zeigt einen Rückgang der Investitionen im Markt für alternative Proteine.

Grafik Europaweite Investment Daten in Alt Protein 2016-2024
© The Good Food Institute (GFI)

Gleichzeitig verändert sich auch die Dynamik innerhalb des Sektors. Während im Jahr 2023 Unternehmen aus dem Bereich klassischer pflanzenbasierter Lösungen noch den Großteil der Deals ausmachten, zeichnet sich in diesem Jahr ein klarer Trend hin zu Fermentationstechnologien ab. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 konnten einschlägige Unternehmen bereits über 164 Millionen Euro an Investitionen anziehen – mehr als im gesamten Jahr 2023. Besonders bemerkenswert ist das Wachstum im Bereich der Biomassefermentation, die bis Mitte 2024 rund 115 Millionen Euro einsammelte, verglichen mit 67 Millionen Euro im Vorjahr. Auch die Präzisionsfermentation verzeichnete mit 49 Millionen Euro im Vergleich zu 33 Millionen Euro im Vorjahr einen signifikanten Anstieg.

Die Lage in Deutschland

Deutschland hat sich als einer der führenden Märkte für alternative Proteine in Europa etabliert. Im ersten Halbjahr 2024 konnten deutsche Start-ups in diesem Bereich 74 Millionen Euro einwerben, was mehr als doppelt so viel ist wie im gesamten Vorjahr. Unternehmen wie Infinite Roots, das sich auf die Entwicklung von Lebensmitteln aus Myzel spezialisiert hat, konnten sich bedeutende Investitionen sichern. Auch im Bereich der Fermentation, einer Schlüsseltechnologie für die Herstellung von Fleischalternativen, hat Deutschland starke Fortschritte gemacht. Das Start-up ProteinDistillery aus Ostfildern konnte beispielsweise 15 Millionen Euro einwerben.

Trotz der positiven Entwicklungen bleibt die Branche in Deutschland und Europa vor Herausforderungen stehen. Die EU-Zulassung für neue Produkte sowie die Skalierung der Produktion sind entscheidende Hürden, die überwunden werden müssen, um die Marktreife und Akzeptanz dieser neuen Lebensmittel zu erreichen und um Investoren davon überzeugen zu können, dass es sich bei ihren Produkten nicht um leere Versprechen, sondern um langfristige Lösungen für eine alternative und zukunftsfähige Lebensmittelwirtschaft handelt.

Philipp Wolf, Autor dieses Gastbeitrags, ist neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit im Private Label Marketing der REWE Gründer und Betreiber von swyytr.com, einem digitalen Food Hub, der relevante Themen des Lebensmittelsektors unter einem Dach vereint und in Form mehrerer Newsletter wöchentlich über Neuigkeiten und Trends berichtet.

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