Politik & Gesellschaft

Burgerrebellion – Petition gegen das geplante EU-Veggie-Burger-Verbot

BurgerRebellion Flyer

EU-weit droht ein Verbot von sich auf „Fleisch“ beziehende Begriffe und Namen für vegane und vegetarische Fleischalternativen – der Veggie-Burger soll also bald nicht mehr Burger heißen dürfen, zumindest wenn es nach dem Agrarausschuss des EU-Parlaments geht. Hersteller pflanzlicher Alternativprodukte wollen sich das nicht gefallen lassen und haben jetzt eine Petition gestartet, welche die zuständigen Politiker dazu auffordert, gegen die Gesetzesvorlage zu stimmen.

Vegconomist sprach mit den Erfindern der Seitan-Wurst: Die Firma TOPAS begann bereits 1993 damit, Fleischalternativ-Produkte auf Basis von Weizeneiweiß, wie sie inzwischen in jedem Supermarkt erhältlich sind, unter der Marke „Wheaty“ zu entwickeln und bekannt zu machen. Chef-Redakteur Peter Link interviewte zum aktuellen Thema Matthias Rude, bei TOPAS zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Recherchen.

Veganer Bacon von Wheaty
Veganer Bacon von Wheaty

Was genau wurde in der Gesetzesvorlage verabschiedet?
Der Agrarausschuss des EU-Parlaments hat am 1. April mit großer Mehrheit für einen Änderungsantrag gestimmt, der vorsieht, dass sich auf „Fleisch“ beziehende Begriffe und Bezeichnungen ausschließlich für „die zum Verzehr geeigneten Teile des Tieres“ gebraucht werden dürfen. Die Fleischindustrie sei ganz offensichtlich „in Panik, weil sich junge Menschen vom Fleischessen abwenden“, kommentierte Molly Scott Cato, eine britische grüne Europaabgeordnete, die Mitglied des Agrarausschusses ist, die Abstimmung. Die Fleischlobby versucht seit Jahren, Bezeichnungen wie „Burger“, „Wurst“ oder „Schnitzel“ für ihre Produkte schützen zu lassen.

In Deutschland hat der damalige Agrarminister Christian Schmidt (CSU) die Belange des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV) und des Deutschen Bauern-Verbands (DBV), welche diese beiden Lobbyorganisationen im April 2016 formuliert hatten, eins zu eins übernommen und im Januar 2017 gefordert, „Fleischnamen für Veggie-Produkte“, wie Bild damals schrieb, zu verbieten – das Handelsblatt bezeichnete Schmidt daraufhin als „Sturmgeschütz der deutschen Fleischindustrie“. Auch in Österreich und in der Schweiz gab es ähnliche Vorstöße von Lobbyorganisationen und Politikern. In Frankreich gilt bereits seit 2018 ein entsprechendes Gesetz – bei Zuwiderhandlungen drohen seither Strafen von bis zu 300.000 Euro. Der Vorstoß zu der Gesetzesänderung kam dort von einem Abgeordneten, der selbst Rinderzüchter ist. Was in Frankreich auf nationaler Ebene schon zu geltendem Gesetz gemacht worden ist, soll nun offenbar auf EU-Ebene durchgesetzt werden.

Was ist das Ziel der Petition?
Wir haben auf change.org, der weltweit größten Plattform für Online-Aktivismus – sowie auf der eigens zu diesem Zweck eingerichteten Website burgerrebellion.eu und auf Facebook – Petitionen in deutscher, englischer und französischer Sprache gestartet, um diesen Vorstoß der Fleischlobby zu verhindern. Dass, während immer mehr Menschen auf die Straßen gehen, um eine lebenswerte Zukunft einzufordern und die Politiker endlich zum Handeln zu bewegen, diese nichts Besseres zu tun haben als ausgerechnet gegen umwelt- und klimafreundliche Alternativprodukte vorzugehen, halten wir für einen Skandal. Alternativen aus pflanzlichen Proteinen, die Ressourcen und Emissionen sparen und zudem gesünder sind, sind dringend notwendig und sollten den Menschen mit vertrauten Bezeichnungen entgegenkommen. Letztere sind auch bereits seit Jahrzehnten etabliert.

Fyler Burgerrebellion
Flyer Burgerrebellion

Wir sind der Überzeugung: Der Zugang zu pflanzlichen Alternativen darf nicht erschwert, sondern muss vereinfacht werden. Die entsprechenden Richtlinien, Vorgaben und geplanten Gesetze, die auf die Lobbyarbeit der Fleischindustrie zurückgehen, sollten also entsprechend revidiert werden. Noch ist es dazu nicht zu spät: Bevor das EU-weite Verbot wirksam wird, muss nach der Europawahl im Mai noch das gesamte Parlament zustimmen – wir fordern deshalb jetzt die EU-Abgeordneten dazu auf, gegen die vom Agrarausschuss eingebrachte Gesetzesvorlage zu stimmen.

Welche Hersteller bio-veganer Produkte haben sich in der Initiative zusammengeschlossen, und welche Organisationen unterstützen Ihr Anliegen zudem?
Um der Lobby der Tierindustrie und ihrem Einfluss auf die Politik etwas entgegensetzen, haben wir uns schon im letzten Jahr mit anderen Herstellern pflanzlicher Bioprodukte zusammengetan und eine Interessengemeinschaft gegründet. Zusammengefunden haben wir auf der BIOFACH 2018, der weltweit größten Messe für ökologische Produkte, im Rahmen einer Veranstaltung, die die Interessenvertretung für vegane Bioprodukte Vegorganic e.V. gemeinsam mit dem Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) ausgerichtet hat. Angeschlossen haben sich namhafte Unternehmen wie unter anderem Taifun Tofu, Purvegan oder Happy Cheeze – Unternehmen, die vegane Bio-Produkte herstellen. Schon damals forderten wir neben der Abkehr von der Massentierhaltung und einer stärkeren Förderung der ökologischen Landwirtschaft den Abbau von gesetzgeberischen Barrieren zur Kennzeichnung pflanzlicher Milch- und Fleischalternativen.

In der Zwischenzeit hat sich die Situation allerdings noch verschärft, auch in Deutschland. Unter Schmidts Nachfolgerin Julia Klöckner (CDU) ist die Deutsche Lebensmittelbuchkommission (DMLBK) dem Antrag des DFV und des DBV, dass „Bezeichnungen von Fleischerzeugnissen“ für fleischlose Erzeugnisse untersagt werden sollen, zumindest ein Stück weit nachgekommen: Ende 2018 hat die DMLBK „Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs“ veröffentlicht, in denen es z.B. heißt, Bezeichnungen wie „Salami“ oder „Lyoner“ sollten fortan nicht mehr für solche Produkte verwendet werden. Auch gegen die neuen Leitsätze, deren Zweck offensichtlich ist, vegane Alternativen durch komplizierte Namensvorschriften weniger attraktiv zu machen, protestieren wir – wir haben zusammen mit den anderen Herstellern beschlossen, sie nicht umzusetzen. Die Vorlage, die der EU-Agrarausschuss nun verabschiedet hat, ist allerdings ist noch strenger. Auch angesichts der kommenden Europawahl gilt es nun erst einmal, die Umsetzung dieses Gesetzes zu verhindern.

Welche Aktionen und Aktivitäten planen Sie?
Zunächst rufen wir dazu auf, die Petition zu unterzeichnen. Dies geht nicht nur als Einzelperson, sondern auch als Organisation. Zudem rufen wir zu einem Online-Protest auf unter dem Hashtag #BurgerRebellion. Zum Start unserer Kampagne schreiben wir vegane und vegetarische, Umwelt- und Klimaschutz-, Nachhaltigkeits-, Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen an – mit der Bitte, den Protest zu unterstützen, die Petition zu unterzeichnen und bekannt zu machen. Wir sind derzeit dabei, uns mit anderen am Thema Interessierten zu vernetzen, um gemeinsam nächste Schritte zu planen. So haben beispielsweise die Vegane Gesellschaft Österreich und die European Vegetarian Union schon angekündigt, zusammen mit weiteren europäischen Organisationen koordiniert vorgehen zu wollen, um die Gesetzesvorlage in der nächsten Instanz zu blockieren. Je nachdem, wie groß und wie vielfältig der Protest gegen die Fleischlobbyisten wird, können wir uns auch vorstellen, dass es, von einzelnen Initiativen oder Organisationen ausgehend, weitere Aktionen wie etwa Demonstrationen oder kreative Straßenaktionen geben wird. Diese würden wir dann natürlich im Rahmen unserer Möglichkeiten unterstützen, etwa mit der Bereitstellung veganer Verpflegung. Wir sind jedenfalls gespannt, was noch alles passieren wird.

Globale Konzerne und große Retailer bieten immer mehr vegane Produkte an. Welcher Platz bleibt da für kleine und mittelständische bio-vegane Unternehmen?
Die fortschreitend erfolgreiche Etablierung und Anerkennung veganer Ernährungsformen hat erwartungsgemäß Nachahmer in den Markt geschwemmt. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sich global agierende Konzerne auf das Thema stürzen. Ganz sicher interessieren sich die wenigsten dieser Konzerne für die originären Ziele der veganen Bewegung, also Tierleid zu minimieren und eine umwelt- und ressourcenschonende Ernährungsweise zu etablieren. Die Konzerne haben viel Schlimmes angerichtet und wollen nun einfach auch auf dem veganen Markt „absahnen“ – dabei haben sie mit ihren bisherigen Geschäften so viel Geld gemacht, dass sie mit ihrer durchrationalisierten Maschinerie uns Vegan-Pioniere preislich locker an die Wand drücken können. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite sind diese Aktivitäten auch ein deutlicher Beleg dafür, dass derzeit in der Gesellschaft ein klares Umdenken stattfindet, von dem – hoffentlich – mittelfristig Tier, Mensch und Umwelt profitieren werden.

Bei den globalen Konzernen, die nun vegane Burger und Würste anbieten, wird man natürlich klar auf die Art der Herstellung und auf die Herkunft der von diesen Unternehmen verwendeten Rohstoffe schauen müssen. Und das ist dann meist der Moment, von dem an verantwortungsbewusste Verbraucher sich wieder dem Original zuwenden. Und diese veganen Originale werden seit Jahrzehnten erfolgreich von mittelständischen Bio-Unternehmen standorttreu produziert, mit nachvollziehbaren Rohstoff- und Lieferketten und unter fairen Arbeitsbedingungen. Qualität und Haltung werden sich sicher auch hier durchsetzen, beziehungsweise mindestens einen relevanten Marktanteil erhalten.

Alle Informationen zur Petition finden sich auf der Website burgerrebellion.eu.

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