Bericht an den Bundestag sieht großes Potenzial von kultiviertem Fleisch und betont die Rolle von öffentlichen Investitionen
Neuer Bericht im Auftrag des Deutschen Bundestages fordert gezielte finanzielle Forschungsförderung im Bereich kultiviertes Fleisch.
Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hat einen Bericht zum Potenzial von kultiviertem Fleisch vorgelegt, den es im Auftrag des Parlaments erarbeitet hat. Das Themenkurzprofil beschreibt das Potenzial von kultiviertem Fleisch für den Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz und nennt einige der zentralen technischen und regulatorischen Herausforderungen auf dem Weg zur Marktreife.
Zur Rolle von öffentlicher Forschungsförderung stellt der Bericht fest: „Zwar ist Deutschland im Bereich der Biotechnologie grundsätzlich gut aufgestellt, investiert aber im internationalen Vergleich (z. B. mit den Niederlanden) in deutlich geringerem Umfang in die spezifische Entwicklung zellkulturbasierter Fleischprodukte. Eine gezielte und in entsprechendem finanziellem Umfang ausgestaltete Forschungsförderung und insbesondere eine Unterstützung des Transfers aus der Wissenschaft in die Praxis können dazu beitragen, die Position Deutschlands zu stärken.“
Das Good Food Institute Europe (GFI Europe), ein führender Think Tank im Bereich kultiviertes Fleisch, begrüßt den Bericht an den Bundestag. Um das beschriebene Potenzial von kultiviertem Fleisch zu heben und um die im Bericht genannten technischen Herausforderungen zu bewältigen, sieht GFI politischen Handlungsbedarf in den folgenden Handlungsfeldern:
Bund und Ländern sollten die Forschungsförderung im Bereich kultiviertes Fleisch deutlich ausweiten, zum Beispiel mit entsprechenden Forschungsaufrufen.
Der Bund sollte ein öffentlich finanziertes Forschungszentrum gründen, das die im Bericht genannten technischen Herausforderungen angeht.
Bund und Länder sollten die Unternehmen beim Skalieren der Produktion unterstützen, indem sie kapitalintensive Infrastrukturinvestitionen absichern.
Die Politik sollte Beratungsangebote für Unternehmen schaffen, die eine Zulassung von kultiviertem Fleisch nach dem Novel-Food-Verfahren anstreben.
Grundsätzlich hat Deutschland alle Voraussetzungen, um im Bereich Zellkultivierung zu einem globalen Innovationsführer zu werden: eine exzellente Forschungslandschaft mit erstklassigen Hochschulen und weltweit einzigartigen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, eine Reihe von vielversprechenden Startups für Zellkultivierung und etablierte Unternehmen aus Lebensmittelwirtschaft und Industrie, die bereits in dem Bereich aktiv sind. Auch als Absatzmarkt ist Deutschland besonders vielversprechend, da die Menschen in Deutschland besonders offen für diese neue nachhaltige Form der Fleischherstellung sind.
Doch trotz der eigentlich guten Voraussetzungen droht Deutschland den Anschluss bei dieser Zukunftstechnologie zu verlieren. In den vergangenen zwei Jahren wurden weltweit rund 2 Milliarden Euro in Startups für kultiviertes Fleisch investiert. Auf Deutschland entfielen davon rund 10 Millionen Euro, also etwa 0,5 Prozent der privaten Investitionen in diesem Bereich. Dabei zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, dass sich das wirtschaftliche und wissenschaftliche Ökosystem für kultiviertes Fleisch dort am Besten entwickelt, wo die Politik den Bereich mit öffentlichen Investitionen aktiv entwickelt.
In den vergangenen Monaten haben zahlreiche Staaten entsprechende Initiativen angekündigt. So haben die Niederlande 60 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um ein Ökosystem für kultiviertes Fleisch aufzubauen. In den USA finanziert das Landwirtschaftsministerium ein Forschungszentrum für kultiviertes Fleisch und der US-Präsident hat per Executive Order erlassen, Innovationen wie kultiviertes Fleisch stärker zu fördern. Israel hat kultiviertes Fleisch und andere alternative Proteinquellen zur zweitwichtigsten nationalen Forschungspriorität erklärt, 18 Millionen US-Dollar in ein Forschungskonsortium für kultiviertes Fleisch investiert und ein neues Forschungszentrum angekündigt. Und erst vor wenigen Tagen hat der Premierminister von Japan erklärt, kultiviertes Fleisch voranbringen zu wollen.
In Deutschland stehen vergleichbare Initiativen noch aus. SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP haben die Förderung von alternativen Proteinen im Koalitionsvertrag angelegt, was nun konkrete politische Initiativen braucht. Kleinere Projekte wie etwa die Förderung des Projekts CELLZERO Meat durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,2 Millionen Euro gehen in die richtige Richtung, können aber nur ein erster Schritt sein.
Ivo Rzegotta, Senior Public Affairs Manager Deutschland bei GFI Europe: „Deutschland hat alle Voraussetzungen, um ein globaler Innovationsführer im Bereich kultiviertes Fleisch zu werden. Der Bericht an den Bundestag zeigt, was auf Seiten der Politik zu tun ist, um das Potenzial von kultiviertem Fleisch für den Klimaschutz und für die Wirtschafts- und Innovationskraft von Deutschland zu heben: Es braucht deutlich mehr öffentliche Forschungsförderung, um die verbleibenden technischen Herausforderungen in dem Bereich zu bewältigen und mehr Unterstützung für die Unternehmen, die in dem Bereich Innovationen voranbringen.“
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