Studien & Zahlen

GFI-Studie zeigt: Alternative Proteine könnten bis 2045 bis zu 250.000 zukunftsfeste Arbeitsplätze in Deutschland schaffen

Mit hinreichender politischer Unterstützung könnte die Branche für alternative Proteine laut Studie in 2045 bis zu 65 Milliarden Euro zur deutschen Wirtschaftsleistung beitragen.

Eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Systemiq hat untersucht, wie sich mit alternativen Proteinquellen in Deutschland das Wirtschaftswachstum fördern und neue Handelsmöglichkeiten erschließen lassen. Sie zeigt, wie viele zukunftsfähige Arbeitsplätze in diesem wachsenden Sektor entstehen könnten, welchen Einfluss eine diversifizierte Proteinversorgung auf den Klima- und Umweltschutz haben könnte und welche Maßnahmen erforderlich sind, um Deutschland als Innovationsführer in diesem Bereich zu positionieren.

Die Studie „A Taste of Tomorrow: Wie sich die deutsche Wirtschaft durch Proteindiversifizierung voranbringen lässt“ wurde von Systemiq durchgeführt und vom gemeinnützigen Think Tank GFI Europe unterstützt. Es ist die erste Studie, die das Potenzial von pflanzenbasierten, fermentationsbasierten und kultivierten Lebensmitteln in Deutschland im Hinblick auf ökonomische, ökologische und soziale Aspekte vermisst. Gleichzeitig zeigt sie auf, welche Herausforderungen es speziell in Deutschland gibt, die einer breiten Markteinführung gegenwärtig noch im Wege stehen.

Ein Kernergebnis der Analyse ist, dass Deutschlands Potenzial in diesem Bereich nicht nur in der Produktion von Lebensmitteln für einen starken Binnenmarkt liegt, sondern auch im Export von Produktionsanlagen und anderen Vorleistungen nach Europa und in die ganze Welt – mit seinen Voraussetzungen könnte Deutschland das industrielle Rückgrat dieser aufstrebenden Branche werden.

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© The Good Food Institute (GFI)

Die Studie skizziert verschiedene Szenarien für die weitere Marktentwicklung, die sich im Umfang der politischen Unterstützung und der Investitionen unterscheiden. In einem konservativen Szenario, in dem der Sektor nur wenig politische Unterstützung erhält und im globalen Wettbewerb in Bezug auf private und öffentliche Investitionen ins Hintertreffen gerät, könnte der deutsche Markt für alternative Proteine bis 2030 ein Volumen von 5 Milliarden Euro und bis 2045 ein Volumen von 8 Milliarden Euro erreichen. Selbst in diesem konservativen Szenario könnte das wirtschaftliche Potenzial, einschließlich der Exportmöglichkeiten, bis 2030 etwa 45.000 Arbeitsplätze und bis 2045 rund 115.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Aufgrund nicht gelöster Herausforderungen würde Deutschland in diesem Szenario jedoch im weltweiten Wettbewerb zurückfallen.

Die Studie beschreibt auch ein mittleres und ein ambitioniertes Szenario. Im High-Ambition-Szenario könnte Deutschland durch umfassende öffentliche Investitionen und Unterstützung im Hinblick auf die Zulassung dieser Lebensmittel eine weltweite Führungsposition im Bereich der Proteindiversifizierung einnehmen. Der heimische Markt für Lebensmittel auf Basis von Pflanzen, Fermentation und Kultivierung könnte bis 2030 auf rund 10 Milliarden Euro und bis 2045 auf rund 23 Milliarden Euro wachsen, was etwa 10 Prozent des heutigen Umsatzes der Lebensmittel- und Getränkeindustrie entspricht. In diesem ehrgeizigen Szenario könnte die Branche bis 2030 bis zu 95.000 Arbeitsplätze und bis 2045 bis zu 250.000 zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen.

Zum einen speist sich dieses Potenzial aus der Produktion von Lebensmitteln, um die Nachfrage im deutschen Heimatmarkt zu decken. Das wirtschaftlich noch größere Potenzial liegt aber in der Nutzung von Deutschlands industriellem Know-how bei der Herstellung von Maschinen wie Extrudern, Fermentern und anderen Vorleistungen im B2B-Geschäft. Als einer der weltweit führenden Maschinenhersteller und Exporteure ist Deutschland in einer einzigartigen Position, um zu einer tragenden Säule des gesamten Sektors für alternative Proteine zu werden, weit über die Grenzen des eigenen Landes hinaus. Das Gesamtpotenzial im Export aus Deutschland könnte 2030 bis zu 15 Milliarden Euro und 2045 bis zu 35 Milliarden Euro betragen, wenn man vom ambitionierten Szenario ausgeht.

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© MauriceNoPhotography – stock.adobe.com

Weitreichende ökologische und gesellschaftliche Vorteile

Ein Wachstum des Marktes für alternative Proteine zahlt auf eine ganze Reihe von politischen Zielen ein, die in Deutschland breit geteilt werden – die Diversifizierung unserer Proteinversorgung trägt dazu bei, Innovationsführerschaft und Wettbewerbsfähigkeit bei Zukunftstechnologien wiederzuerlangen, fördert die Ernährungssicherheit und verringert Deutschlands Abhängigkeit von Importen und volatilen Lieferketten.

Über die wirtschaftlichen Chancen hinaus bergen alternative Proteine für Deutschland auch ökologische und ernährungsbezogene Vorteile. So kann ein vermehrter Umstieg auf pflanzliche Optionen und andere alternative Proteinquellen dazu beitragen, kostspielige ernährungsbedingte Gesundheitsprobleme zu lösen, denn sie ermöglichen eine Ernährung mit deutlich weniger Cholesterin und gesättigten Fettsäuren und können gleichzeitig den häufigen Mangel an Ballaststoffen beheben.

Die Auswirkungen der Proteinwende auf den Klima- und Umweltschutz lassen sich bislang nur schätzen, denn einige der Technologien hinter alternativen Proteinen befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Auf Grundlage der verlässlichsten Studien zu den Umweltauswirkungen von alternativen Proteinen ergibt sich laut der vorliegenden Analyse für das Jahr 2045 im High-Ambition-Szenario folgendes Potenzial:

  • Die Treibhausgasemissionen könnten um bis zu 4,8 Millionen Tonnen CO₂e gesenkt werden (das entspricht den Emissionen von einer Million Autos).
  • Der Flächenbedarf könnte um bis zu 1,2 Millionen Hektar reduziert werden (das entspricht drei Vierteln der Fläche von Schleswig-Holstein).
  • Der Süßwasserverbrauch könnte um bis zu 76 Millionen m³ gesenkt werden (das entspricht dem jährlichen Verbrauch von 420.000 deutschen Haushalten).
Eat for the planet
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Es braucht politisches Handeln und Investitionen, um das wirtschaftliche Potenzial zu heben 

Die Systemiq-Analyse weist darauf hin, dass die weitere Entwicklung der Branche von mehreren Faktoren abhängt, unter anderem vom technologischen Fortschritt, von öffentlichen und privaten Investitionen und von einem effizienten und transparenten Weg zur Markteinführung, also auch von evidenzbasierten Zulassungsentscheidungen für neuartige Lebensmittel. Politische Entscheidungsträger spielen eine entscheidende Rolle dabei, ein förderliches Umfeld für die Diversifizierung unserer Proteinversorgung zu schaffen, damit Deutschland das vorhandene Potenzial ausschöpfen kann.

Derzeit ist der deutsche Markt für alternative Proteine mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert, die das zukünftige Wachstum und die globale Wettbewerbsfähigkeit in diesem Sektor beeinträchtigen könnten. Um diese spezifischen Herausforderungen anzugehen, identifiziert die Studie fünf politische Handlungsempfehlungen, die im Einklang mit breit geteilten Zielen der deutschen Politik stehen:

  • Unterstützung von Unternehmen im Hinblick auf das Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel in der EU, so dass die Unternehmen Anträge von hoher Qualität einreichen können.
  • Erhöhung der öffentlichen Forschungsförderung von derzeit 13 Millionen Euro pro Jahr auf durchschnittlich 140 Millionen Euro pro Jahr, wovon 30 Millionen Euro für die Einrichtung eines neuen Innovationshubs verwendet werden sollten.
  • Investitionen von 120 Millionen Euro pro Jahr, um private Investitionen in die Infrastruktur für alternative Proteine zu fördern und um das Investitionsrisiko mit Instrumenten wie Bürgschaften und zinsgünstigen Darlehen zu senken.
  • Nutzung des öffentlichen Beschaffungswesens, um pflanzenbasierte Lebensmittel und andere alternative Proteinquellen stärker in die Gemeinschaftsverpflegung zu integrieren, also zum Beispiel in Kitas, Schulen und Krankenhäusern.
  • Schaffung von Anreizen für landwirtschaftliche Betriebe, ihr Geschäft in Richtung alternativer Proteine zu diversifizieren, so dass sie als Teil von heimischen Wertschöpfungsketten stärker von der Proteindiversifizierung profitieren können.
Kultiviertes fleisch
© New Africa – stock.adobe.com

Sophie Hermann, Partnerin bei Systemiq, kommentiert „Die Diversifizierung unserer Proteinversorgung kann neue Optionen für Verbraucher schaffen, Deutschlands wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit durch innovative Exportgüter stärken und zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen. Die Branche befindet sich noch in einer frühen Entwicklungsphase, und einige Aspekte sind derzeit ungewiss. In den nächsten fünf Jahren werden technologische Fortschritte sowie Entwicklungen in Regulierung und Investitionen entscheidend dazu beitragen, diese Unsicherheiten zu reduzieren. Mit einer gemeinsamen Anstrengung aller Beteiligten und gezielter politischer Unterstützung kann sich Deutschland als führender Akteur in diesem aufstrebenden Sektor etablieren.“

Ivo Rzegotta, Senior Public Affairs Manager beim Good Food Institute Europe, ergänzt: „Durch mutige politische Entscheidungen kann Deutschland zu einem internationalen Vorreiter im Bereich der alternativen Proteinquellen werden. Die nächste Bundesregierung sollte die hier vorgeschlagenen Maßnahmen aufgreifen und diese im Regierungsprogramm verankern – insbesondere den Ausbau der Förderung von Forschung und Infrastruktur sowie eine stärkere Unterstützung der Unternehmen beim anspruchsvollen Zulassungsverfahren. So könnten mehr private Investitionen mobilisiert und die Innovationskraft der Branche gestärkt werden. Ohne entschlossenes Handeln droht Deutschland, das enorme ökonomische und ökologische Potenzial dieser neuen Technologien zu verspielen und im globalen Wettbewerb zurückzufallen.“

Weitere Informationen: gfieurope.org/de

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