Die Bioökonomie-Strategie der Europäischen Kommission hebt das Potenzial moderner Fermentationstechnologien für die Wettbewerbsfähigkeit von Europa hervor.
Die gestern veröffentlichte Bioökonomie-Strategie der Europäischen Kommission enthält eine Reihe von Vorschlägen, die Unternehmen im Bereich moderner Fermentationstechnologien bei der Skalierung der Produktion und bei der Markteinführung von neuartigen Lebensmitteln unterstützen können.
In der Strategie wird ausgeführt, dass der Einsatz von fortschrittlichen Fermentationstechnologien im Lebensmittelbereich ein entscheidender Beitrag für das Erreichen von zentralen Zielen der Europäischen Kommission sein kann – darunter das Ziel, das wissenschaftliche Potenzial der EU für nachhaltiges Wachstum zu nutzen. Die Strategie verweist auch auf die Bedeutung von Bioraffinerien, um erneuerbare organische Materialien in Güter wie Lebensmittel umzuwandeln.
Der gemeinnützige Think Tank Good Food Institute Europe (GFI Europe) begrüßt die Vorschläge, die Skalierung durch einen besseren Zugang zu entsprechenden Anlagen zu verbessern und Startups mehr Orientierung im EU-Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel zu geben. GFI fordert die Kommission dazu auf, diese Vorschläge nun mit konkreten Maßnahmen zu hinterlegen, die es kleinen und mittleren Unternehmen ermöglichen, diese Innovationen erfolgreich auf den Markt zu bringen.
Zwei Fermentationsansätze mit besonders großem Potenzial sind:
- Präzisionsfermentation, die seit Jahrzehnten zur Herstellung von Produkten wie mikrobiellem Lab für Käse eingesetzt wird und nun auch zur Herstellung von Proteinen wie Molkenprotein angewandt wird, sowie für nachhaltiges Palmöl.
- Biomassefermentation, bei der ähnlich wie bei der Produktion von Bier oder Joghurt große Mengen an Proteinen erzeugt werden, die eine fleischähnliche Textur besitzen und mit anderen Zutaten zu Fleischalternativen verarbeitet werden können. Die Biomassefermentation kann dazu beitragen, Abfälle zu reduzieren und landwirtschaftliche Nebenprodukte in nahrhafte und schmackhafte Lebensmittel umzuwandeln.

Effizientere Umsetzung der Zulassungsverfahren für neue Lebensmittel
Unternehmen, die diese modernen Fermentationstechnologien nutzen, müssen vor dem Verkauf ihrer Produkte in der EU in den meisten Fällen eine Zulassung nach der Novel-Food-Verordnung beantragen. Die EU hat die weltweit höchsten Standards für Lebensmittelsicherheit, allerdings dauert das Zulassungsverfahren in der Praxis sehr lange, was eine Hürde für Unternehmen darstellt, innovative Lebensmittel auf den europäischen Markt zu bringen.
Die Bioökonomie-Strategie:
- erkennt an, dass die Sicherheitsbewertung für neue Technologien aktuell sehr lange dauert, und schlägt technische Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen vor, die innovative fermentationsbasierte Produkte entwickeln.
- kündigt an, dass Initiativen wie die beiden anstehenden Biotech Acts regulatorische Anforderungen vereinfachen und den Zulassungsprozess beschleunigen sollen und dass sogenannte Regulatory Sandboxes eingeführt werden sollten.
Regulatory Sandboxes sind kontrollierte Umgebungen, in denen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Behörden Standards und Leitlinien für neue Produkte entwickeln. GFI Europe setzt sich dafür ein, dass solche Regulatory Sandboxes auch für den Bereich neuartiger Lebensmittel eingeführt werden, um sicherzustellen, dass das gesamte Spektrum neuer Produktionstechnologien von diesen Möglichkeiten profitiert.

Hilfe bei der Skalierung der Produktion
Startups haben häufig Schwierigkeiten, fermentationsbasierte Lebensmittel auf den Markt zu bringen, da es in Europa an großskaligen Anlagen zur Produktionsausweitung mangelt – Anlagen, die oft zu teuer sind, um sie über Risikokapital zu finanzieren.
Die Bioökonomie-Strategie:
- schlägt vor, fermentationsbasierten Unternehmen beim Skalieren der Produktion zu helfen, indem der Zugang zu Pilot- und Demonstrationsanlagen verbessert wird, die Unternehmen benötigen, um mit der Kommerzialisierung ihrer Produkte zu beginnen.
- kündigt die Einrichtung einer Bioeconomy Investment Deployment Group an, die Kommission, Europäische Investitionsbankgruppe, private Investoren und weitere Akteure zusammenbringt.
- will Instrumente der Mischfinanzierung einführen, die darauf abzielen, das Investitionsrisiko zu reduzieren, sodass mehr privates Kapital für Projekte wie Fermentationsanlagen und Bioraffinerien mobilisiert werden kann.
Ivo Rzegotta, zuständig für den DACH-Raum beim Good Food Institute Europe, sagt dazu: „Es ist ein gutes Zeichen, dass die Kommission die entscheidende Rolle anerkennt, die moderne Fermentationstechnologie für nachhaltiges Wirtschaftswachstum, für die Verringerung unserer Importabhängigkeit und für die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Europas spielen kann. Damit Europa sich als globaler Vorreiter im Bereich Fermentation etablieren kann, sollte diesen Vorschlägen nun konkretes Handeln folgen. Der anstehende EU Biotech Act sollte auf dieser Dynamik aufbauen – mit klaren politischen Maßnahmen, die es Startups ermöglichen, Europas Innovationskraft zu kommerzialisieren und nachhaltige Lebensmittelprodukte auf den Markt zu bringen.“





