Fleisch- und Fischalternativen

EU-Kennzeichnungsvorschriften könnten den Markt für pflanzliche Produkte neu gestalten – Stimmen aus der Industrie schlagen Alarm

Die europäische Pflanzenindustrie steht möglicherweise vor einer der bedeutendsten regulatorischen Veränderungen seit einem Jahrzehnt. Im Oktober stimmte das Europäische Parlament dafür, fleischbezogene Begriffe wie „Burger“, „Steak“ und „Hühnchen“ bei der Verwendung auf pflanzlichen Produkten zu beschränken – eine Maßnahme, die als Verbesserung der „Verbrauchertransparenz“ dargestellt wird, obwohl seit Jahren nachgewiesen ist, dass Verbraucher durch Begriffe wie „Veggie-Burger“ nicht verwirrt werden.

Der Vorschlag wird nun am 11. Dezember in die Trilog-Verhandlungen eingebracht, in denen die Europäische Kommission, das Parlament und der Rat der EU versuchen werden, den Text vor der Umsetzung im Jahr 2026 fertigzustellen. Wenn der Entwurf verabschiedet wird, würden die Vorschriften 29 gängige kulinarische Begriffe von pflanzlichen Verpackungen verbieten und die Kommunikationsmöglichkeiten der Hersteller auf der Verpackung erheblich einschränken.

Ein neues Whitepaper von ProVeg International versammelt Branchenführer darunter The Vegetarian Butcher, La Vie, Planted, Rügenwalder Mühle und das Start-up für kultiviertes Fleisch Bene Meat, um zu untersuchen, was der Vorschlag für Marken, Verbraucher und die Wettbewerbsposition Europas im globalen Proteintransition bedeuten könnte. Ihre Botschaft ist klar: Der Vorschlag birgt die Gefahr, Verwirrung zu stiften, Kosten zu erhöhen und Innovationen zu untergraben.

© rügenwalder mühle
© Rügenwalder Mühle

Markenidentität auf dem Spiel

Für viele Hersteller ist eine „fleischige” Sprache entscheidend für das Verständnis der Verbraucher. Produkte wie planted.chicken, der pflanzliche Speck von La Vie und das gesamte Sortiment von The Vegetarian Butcher basieren auf funktionalen Bezeichnungen, die Verwendung, Verhalten und Geschmackseigenschaften vermitteln.

„Wenn wir gezwungen wären, vertraute Begriffe wie Burger oder Schnitzel aufzugeben, würden wir Gefahr laufen, die Klarheit und Wiedererkennbarkeit zu verlieren, auf die sich die Käufer verlassen“, sagt Claudia Hauschild von der Rügenwalder Mühle. „Wir würden keine Verwirrung beseitigen, sondern neue Verwirrung stiften.“

Unternehmen warnen auch vor erheblichen Kosten für die Umstellung der Marken, von der Neugestaltung der Verpackungen bis hin zu logistischen Änderungen, wobei einige die Auswirkungen auf mehrere Millionen Euro schätzen. La Vie weist darauf hin, dass Verpackungsbestände oft ein Jahr im Voraus angelegt werden, was bedeutet, dass Lagerbestände im Wert von Millionen über Nacht unbrauchbar werden könnten.

Ein Wettbewerbsnachteil für Europa?

Die befragten Führungskräfte heben weiterreichende wirtschaftliche und strategische Konsequenzen hervor. Europa ist derzeit weltweit führend auf dem Markt für pflanzliches Fleisch, aber restriktive Kennzeichnungsvorschriften könnten Innovationen und Investitionen in andere Regionen verlagern.

„Unternehmen sind auf Sicherheit angewiesen“, sagt Pascal Bieri, CEO von Planted. „Dieser Vorschlag sendet das Gegenteil aus. Wo soll man investieren, wenn sich die Regeln unvorhersehbar ändern?“

Die Auswirkungen könnten über pflanzliches Fleisch hinausgehen. Hybridprodukte – pflanzliche Produkte in Kombination mit kultivierten Komponenten – könnten in eine regulatorische Grauzone fallen und weder die herkömmliche Fleischterminologie noch pflanzliche Beschreibungen verwenden dürfen. Bene Meat merkt an, dass Unternehmen dadurch keine funktionale Sprache mehr hätten, um Produkte wahrheitsgemäß zu beschreiben.

The vegetarian butcher kampagne
© The Vegetarian Butcher

Verwirrung statt Klarheit bei den Verbrauchern

Untersuchungen zeigen, dass Verbraucher Begriffe wie „Veggie-Burger“ und „pflanzliches Steak“ ohne Schwierigkeiten verstehen. Untersuchungen von BEUC und nationalen Verbraucherorganisationen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass keine weit verbreitete Verwirrung herrscht, und Unternehmen, die täglich Hunderttausende von Einheiten verkaufen, berichten dasselbe.

„Jeder versteht, was ‚pflanzlicher Speck‘ bedeutet“, sagt Nicolas Schweitzer, CEO von La Vie. „Aber wenn wir das morgen nicht mehr auf die Verpackung schreiben dürfen, werden wir einfach ein Bild zeigen … und dann könnten die Leute tatsächlich verwirrt sein.“

Ein Rückschlag für die Proteinwende

Da die EU öffentlich das Ziel verfolgt, den Übergang zu nachhaltigen Proteinen zu beschleunigen, argumentieren Branchenexperten, dass der Vorschlag ihren eigenen Klima- und Ernährungssicherheitszielen zuwiderläuft. Die Einschränkung vertrauter Begriffe könnte die Akzeptanz bei den Verbrauchern verlangsamen und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller im Vergleich zu Regionen wie den USA, Israel und Singapur verringern, wo die Innovation im Bereich alternativer Proteine voranschreitet.

„Europa hat die einmalige Chance, weltweit eine Führungsrolle bei der Entwicklung und Einführung von pflanzlichem Fleisch zu übernehmen“, sagt Rutger Rozendaal von The Vegetarian Butcher. „Durch die Förderung von Innovationen und die Unterstützung einer klaren, verbraucherfreundlichen Kennzeichnung kann die EU den Standard für den Rest der Welt setzen.“

Der Weg in die Zukunft

Während die Trilog-Verhandlungen beginnen, beobachten Lebensmittelunternehmen in ganz Europa die Entwicklung aufmerksam. Die Debatte geht weit über Semantik hinaus; das Ergebnis wird die Markenstrategie, die Investitionsströme und das künftige Tempo der Proteinumstellung beeinflussen.

ProVeg schließt mit einem gemeinsamen Appell der Branche: harmonisierte EU-weite Kennzeichnungsvorschriften, evidenzbasierte Politikgestaltung und Regulierungsansätze, die nachhaltige Lebensmittelinnovationen fördern – statt sie zu behindern.

Lesen Sie die vollständige Analyse und Brancheninterviews im Whitepaper von ProVeg International. Wenn Sie weitere Unterstützung bei Ihrer Strategie für alternative Proteine benötigen, wenden Sie sich an die Experten von ProVeg unter corporate@proveg.org.

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