
Der erfolgreiche Impact Investor Blue Horizon möchte den Wechsel hin zu einem neuen nachhaltigen Nahrungsmittelsystem beschleunigen und das Wachstum des Marktes für alternative Proteine und Food-Tech fördern. Um die globale Lebensmittelindustrie zu transformieren, hat Blue Horizon bereits mehr als 850 Millionen USD an Kapital beschafft und ist in über 70 zukunftsträchtige Unternehmen investiert. Björn Witte, Managing Partner und CEO von Blue Horizon, gibt uns im Interview einen Überblick zu den neuesten Entwicklungen im Unternehmen.
Herr Witte, wie ist Blue Horizon ins neue Jahr 2022 gestartet?
Wir hatten einen intensiven Start ins neue Jahr. Vor allem bei unserem Seed-Portfolio waren wir sehr aktiv und haben einige neue, extrem spannende Seed-Investments getätigt. Eins davon ist beispielsweise Arkeon, ein österreichisches Unternehmen, das Proteine aus Kohlendioxid herstellt. Die Technologie von Arkeon ermöglicht es, CO2 direkt in alle 20 Aminosäuren umzuwandeln, die für die menschliche Ernährung essenziell sind. Gleichzeitig eröffnet sich damit eine völlig neue Welt von Lebensmitteln.
Ein anderes spannendes Unternehmen ist California Cultured, eine Firma, die die Zukunft der Schokolade neu erfindet. Wie wir alle wissen, stützt sich die globale Schokoladenindustrie auf eine fragile Kakao-Lieferkette, die die Abholzung von Wäldern in artenreichen tropischen Gebieten verursacht und des Öfteren in Menschenrechtsfragen verwickelt ist. California Cultured benutzt Pflanzenzellkulturen, um, ähnlich wie bei kultiviertem Fleisch, vollständige Zellen in Bioreaktoren anstatt auf Feldern zu züchten. So kann durch zellulare Landwirtschaft eine köstliche Schokolade hergestellt werden, die komplett ohne Gentechnik auskommt und gleichzeitig all die negativen Auswirkungen vermeiden kann. Blue Horizon hat mittlerweile Investitionen in über 70 Unternehmen im Bereich alternativer Proteine und Food-Tech getätigt.

Wie entwickeln Sie die Investments generell?
Wir verfügen über eine sehr starke Deal-Pipeline. Ich glaube, das fußt auf zwei entscheidenden Faktoren. Erstens sind wir schon seit 2016 in diesem Markt aktiv und waren somit einer der allerersten Player im Bereich alternative Proteine. Wir waren ein früher Investor bei verschiedenen Firmen, die sich mittlerweile zu Unicorns entwickelt haben, wie beispielsweise Beyond Meat, Impossible Foods oder EAT Just. Diese Pionierarbeit zahlt sich nun aus, indem Blue Horizon als einer der klaren Leader im Bereich Sustainable Food Investing wahrgenommen wird.
Durch das einzigartige Ökosystem, das wir aufgebaut haben, erhalten wir Zugang zu Deals, die vielen anderen verwehrt bleiben. Der zweite Faktor ist unser Team. Wir haben, gerade über die letzten 24 Monate, das Team mit hochkarätigen Fachleuten ergänzen können und sind mittlerweile auf über 30 Mitarbeitende herangewachsen.
Ein zusätzliches Differenzierungsmerkmal ist die Tatsache, dass das Blue Horizon-Team nun aus Wissenschaftlern, Industrieveteranen und klassischen Finanzexperten besteht. Diese Mischung erlaubt es uns, den Markt nicht nur zu analysieren, sondern bis ins letzte Detail wirklich auch zu verstehen. Nur so können wir die attraktivsten Investments finden, die einen echten positiven Impact für unsere Umwelt bei gleichzeitig außerordentlichen finanziellen Renditen für unsere Investoren generieren.

Wird Blue Horizon in diesem Jahr die 1 Mrd. Funding als angestrebtes Ziel erreichen?
Wir kommunizieren keine detaillierten Zahlen diesbezüglich, aber wir sind auf sehr gutem Wege, diesen Meilenstein zu erreichen. Wir sehen ein steigendes Investoreninteresse an Impact-Strategien, obschon natürlich gerade im jetzigen Umfeld viele etwas vorsichtiger geworden sind, wo genau sie ihre Allokationen tätigen.
Aber insbesondere unser Bereich, in welchem wir auf nachhaltige Nahrungsmittelsysteme fokussieren, hat im Zuge der Pandemie sowie dem Krieg in der Ukraine erhöhte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Themen wie globale Nahrungsmittelsicherheit und Nachhaltigkeit über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg sind nun endlich auf Seite 1 der Zeitungen. Es ist tragisch, dass es oftmals extreme Krisensituationen braucht, bis die Leute wirklich wachgerüttelt werden, aber das geschieht nun und das bietet uns allen die Möglichkeit, wirklich etwas zu ändern. Food ist die größte Industrie unseres Planeten und wenn wir hier den Hebel ansetzen und den Wechsel hin zu einem nachhaltigeren System beschleunigen können, dann haben wir eine reelle Chance, unsere Zukunft in die richtigen Bahnen zu lenken.

Wie sehen Sie die Zukunft? Wird es eine Technologie geben, die das Potenzial hat, unsere Ernährung komplett zu verändern?
Neben der Precision Fermantation wird das Thema zellbasiertes Fleisch (auch ‚kultiviertes Fleisch‘ genannt) Teil unserer Zukunft sein wird. Es ist in Bezug auf Geschmack, Textur und Nährwert identisch mit herkömmlichem Fleisch, aber es wird nicht geschlachtet, da das Tier aus dem Prozess rausgenommen wird. Stattdessen wird es aus echten tierischen Zellen hergestellt, die mit den notwendigen Nährstoffen und Wachstumsbedingungen ausgestattet werden, um zu einem Stück Fleisch zu wachsen, wie wir es alle kennen.
Im vergangenen Jahr hat das Medieninteresse an dieser Technologie stark zugenommen und viele neue Startups versuchen sich in diesem Bereich, was zu einem gesunden Wettbewerb geführt und Innovationen gefördert hat.
Eines unserer Portfoliounternehmen, Mosa Meat, machte kürzlich internationale Schlagzeilen, weil Leonardo DiCaprio in das Unternehmen investierte. Außerdem gab das Unternehmen vor einigen Monaten bekannt, dass es die Kosten für sein Wachstumsmedium, das benötigt wird, um die Zellen im Bioreaktor wachsen zu lassen, um den Faktor 66 senken konnte. Mosa Meat ist eines der bekanntesten Unternehmen in diesem Bereich, weil es im Jahr 2013 den ersten kultivierten Hamburger der Welt hergestellt hat – für schlappe 325’000 USD. Da Mosa Meat die Produktionskosten immer weiter senken wird, führt das letztlich zur Skalierbarkeit eines neuen Produktes auf globaler Ebene.
Ein anderes Portfoliounternehmen von uns, die Firma SuperMeat mit Sitz in Israel, hat letztes Jahr die weltweit erste kommerzielle Plattform für gezüchtetes Hühnchen namens “The Chicken” vorgestellt. Schon heute haben Sie als Konsument die Möglichkeit, im “The Chicken” zu speisen und gleichzeitig einen Blick in die Fabrik von SuperMeat zu werfen, wo Sie sehen können, wie Ihre Chicken-Burger unter demselben Dach hergestellt werden.

Wie schätzen sie die Lage am Markt ein, werden die Lebensmittelpreise steigen oder sinken und warum?
Ich bin davon überzeugt, dass die Preise für tierische Proteine langfristig steigen während sie für alternative Proteine sinken werden. Heutzutage gibt es in vielen Ländern riesige Subventionen für die traditionelle Fleischproduktion und teilweise wird sogar Werbung und Marketing über Steuergelder finanziert. Das muss sich ändern, und das wird es auch.
Die traditionelle Fleischindustrie hat eine natürliche Grenze erreicht, was die Effizienz ihrer Prozesse angeht. Alles ist supereffizient und es bleibt nicht mehr viel Spielraum, um zusätzliche Margen herauszuquetschen. Alternative Proteine hingegen stehen noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung.
Dies, gepaart mit Effizienzsteigerungen, wird zu einer positiven Explosion des Angebots führen. Gemeinsam mit BCG haben wir berechnet, dass alternative Proteine in den nächsten 10 Jahren mindestens 11 % – wenn nicht sogar das Doppelte – des weltweiten Proteinmarktes erobern werden. Das Erreichen der Preisparität wird für die breite Akzeptanz von entscheidender Bedeutung sein, da die Konsumenten umso mehr dazu bereit sein werden, neue pflanzen- oder zellbasierte Alternativen auszuprobieren, wenn diese günstiger sind als die tierischen Originale.

Was sind die sonstigen Pläne für das laufende Jahr 2022?
Wir haben interessante Projekte im Köcher für 2022. Einerseits planen wir neue Vehikel in unserem Asset-Management-Bereich wie den Aufbau unserer Growth Strategie mit einem stärkeren Fokus auf institutionelle Investoren, andererseits arbeiten wir an verschiedenen Optionen für zusätzliche Rollup-Strategien. Dazu bauen wir unser Blue Horizon Seed-Portfolio kontinuierlich aus, was es uns erlaubt, weiterhin nahe am Puls der Zeit und bei innovativen Produkten und Technologien von Beginn weg mit dabei zu sein.
Die Innovationswelle, die über die kommenden Jahre auf uns zurollen wird, ist riesig. Was gerade beispielsweise im Bereich Precision Fermentation passiert, ist besonders spannend. Fermentation ist ein unglaublich effizienter Prozess, der es uns erlaubt, Proteine innerhalb von Stunden oder Tagen zu produzieren anstelle von Monaten oder Jahren, wie das der Fall bei tierbasierten Proteinen ist. Das bedeutet unweigerlich, dass wir durch Fermentations-Technologien zahlreiche negative Umwelteinflüsse entweder komplett aufheben oder zumindest zu einem großen Teil vermeiden können. Wir können Treibhausgase und die Abholzung der Wälder reduzieren, den Verlust der Biodiversität stoppen, den Wasserverbrauch senken sowie zahlreiche gesundheitliche Aspekte für den Menschen verbessern.
Herr Witte, wir bedanken uns für das ausführliche Gespräch.
Weitere Informationen zu Blue Horizon finden Sie unter www.bluehorizon.com.