Das 2022 gegründete Berliner Startup Cultimate Foods hat sich auf die Kultivierung von tierischem Fett spezialisiert. Als Zutat soll das Fett pflanzlichen Fleischprodukten den authentischen Fleischgeschmack und die authentische Textur verleihen. Auf diese Weise entsteht ein Hybridprodukt, also eine Kombination aus pflanzlichem Protein und zellbasierten Inhaltsstoffen. Ende April 2024 hat das Unternehmen bei einer Finanzierungrunde 2,3 Millionen Euro von führenden Biotech- und Foodtech-Investoren erhalten.
Eugenia Sagué, Mitgründerin und Geschäftsführerin von Cultimate Foods, und Dr. Marline Kirsch, Senior Scientist bei Cultimate Foods, sprechen mit uns im Interview darüber, warum sich das Unternehmen für die Kultivierung von Fettzellen entschieden hat, welche Nährlösung hierfür verwendet wird und was aktuell die größten Herausforderungen für das Startup sind.
Cultimate Foods konzentriert sich auf Hybridprodukte, bei denen pflanzliche Produkte mit kultivierten Tierzellen kombiniert werden. Warum setzen Sie auf diese Mischform und nicht auf reines Kulturfleisch?
Im Vergleich zu kultiviertem Fleisch bietet die Verwendung von kultiviertem Fett in pflanzenbasierten Produkten viele Vorteile. Mit dieser kleinen Veränderung beziehungsweise dem Zusatz einer einzelnen Zutat (kultiviertes Fett) kann man die Qualität und das Geschmackserlebnis einer Fleischalternative immens steigern. Fett ist nicht nur ein Geschmacksträger, der nachweislich individuell für eine Tierart stehen kann, sondern hat auch einen großen Einfluss auf die Textur, das Mundgefühl und die Saftigkeit des Produktes. Zusätzlich gibt es auch produktionstechnisch einige Vorteile.
Welche Vorteile sind das?
Bei der Herstellung von kultiviertem Fett wird nur ein einziger Zelltyp benötigt. Er ist außerdem leicht verfügbar und kann minimal-invasiv aus Biopsien gewonnen werden. Gleichzeitig liefert er eine große Ausbeute. Zudem ist die benötigte Komposition des kultivierten Fettes für die Anwendung in einem Hybrid-Produkt weniger komplex als die des kultivierten Fleischs. Auch die benötigten Medien sowie Reifungs- beziehungsweise Entwicklungsprozesse sind leichter umzusetzen beziehungsweise anzuwenden.
Wie kann man sich das zellkultivierte Fett vorstellen? Soll am Ende eine Art Soße entstehen, die über die pflanzliche Trägersubstanz gegossen wird? Oder sind es eher Zellfäden, die mit dem pflanzlichen Produkt verwoben werden können?
Unser Produkt kann in verschiedener Form hergestellt werden. Bislang produzieren wir das kultivierte Fett noch in einer eher viskosen, also zähflüssigen Form. Für die Zukunft kann es aber beispielsweise auch in Form eines granulierten Puders angeboten werden.
Welche Tier-Zellen sind Basis Ihres Produkts?
Wir isolieren Stammzellen aus dem Fettgewebe von Kühen und Schweinen. Diese lassen wir dann mithilfe unserer spezifischen Differenzierungsprotokolle, also einer bestimmten Vorgehensweise, in Fettzellen differenzieren. Das heißt, die Stammzellen entwickeln sich zu Fettzellen.
Welche Nährlösung wird genutzt, um die Zellen zu kultivieren? Wird fetales Kälberserum hinzugefügt?
Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, unsere Produktion vollständig frei von fetalem Kälberserum (FKS) durchführen zu können. Da FKS allerdings leider nach wie vor als Goldstandard in der Zellkultur zählt, verwenden wir es in der Forschung und Entwicklung bislang noch, um die Effizienz unserer neu entwickelten FKS-freien Medien damit zu vergleichen. Unser Ziel ist es, FKS-freie Medien zu entwickeln, die den FKS-haltigen Medien in Bezug auf das Wachstum und der Differenzierung unserer Zellen in nichts nachstehen.
Fertigt Ihr Unternehmen die Hybridprodukte selbst an oder soll das kultivierte Fett erstellt und dann an andere Firmen verkauft werden?
Unser Business-Model ist B2B, also Business-to-Business. Wir wollen unser zellkultiviertes Fett ausschließlich als Zutat an andere Lebensmittelproduzenten verkaufen.
Wäre es auch denkbar, das kultivierte Fett in ferner Zukunft direkt an Konsumenten zu verkaufen – wie eine Art Gewürzpaste ähnlich wie „Maggi“ oder Sojasoße?
Ein sehr interessanter Ansatz und auch in Zukunft sehr denkbar. Zurzeit betrachten wir uns aber als einen Zutatenhersteller, als ingredient producer.
Wie viele Mitarbeiter gehören zu Cultimate Foods und welchen Background haben sie?
Wir werden dieses Jahr voraussichtlich die Zahl von zehn Personen erreichen, hauptsächlich aus den Bereichen Life Sciences, Zellbiologie, Bioprozessengineering und Lebensmittelwissenschaft.
Aus welchen Gründen engagieren sich die Gründer und Mitarbeiter von Cultimate Foods für die zelluläre Landwirtschaft?
Wir haben aus unseren Erfahrungen erkannt, dass es bisher keine perfekte Lösung für Fleischalternativen gibt. Gleichzeitig möchten wir einen Beitrag zur Reduzierung von Abholzung, zur Verringerung von Treibhausgasemissionen und zur Minimierung der Massentierhaltung leisten.
Hat Cultimate Foods schon ein fertiges Produkt? In welchen Mengen kann aktuell produziert werden?
Cultimate Foods hat bereits einen Prototyp. Allerdings arbeiten wir noch stark an verschiedenen Aspekten, um ein fertiges, qualitativ hochwertiges Endprodukt zu entwickeln, das wir auch langfristig in größerem Stil produzieren können. Unser Ziel ist es, bis zum Ende des Jahres erfolgreich im Zehn-Liter-Maßstab produzieren zu können.
Welche Schwierigkeiten müssen überwunden werden, um im großen Stil produzieren zu können?
In diesem Jahr ist eines unserer Hauptziele FKS-freie Medien in Lebensmittelqualität zu entwickeln. Gleichzeitig möchten wir die Gramm-Ausbeute pro Liter im aktuellen Maßstab optimieren, sodass wir gleich mit bestmöglichen Bedingungen in die höhere Skalierung gehen können.
Der Zulassungsprozess für zellkultivierte Produkte in der Europäischen Union (EU) gilt als langwierig und komplex. Denken Sie darüber nach, mit Ihrer Produktion in ein anderes Land zu gehen?
Ja, es gibt auch andere Märkte, die für uns interessant sind und die bereits zellkultivierte Produkte zugelassen haben, wie Singapur und die USA. In Europa werden wir wahrscheinlich die Schweiz und das Vereinigte Königreich anpeilen, da wir dort nicht den langwierigen Prüfungsprozess der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) durchlaufen müssen.
Einige Startups der Branche fanden es in der Vergangenheit schwierig, ein Labor für ihre Arbeit zu finden. Haben Sie diese Erfahrung auch gemacht?
Tatsächlich, es war besonders schwierig, vor allem im Jahr 2022. Zum Glück wurde 2023 in Göttingen die „Life Science Factory“ (LSF) eröffnet. Und im Jahr 2024 wurde das Gründerzentrum „BioCube“ auf dem Campus in Berlin-Buch, ein Wissenschafts- und Biotechpark, fertiggestellt. Dort konnten wir einen Platz bekommen. Darüber hinaus pflegen wir seit vielen Jahren eine enge Partnerschaft mit der Leibniz Universität Hannover. Diese Kooperation ermöglicht es uns, die dort verfügbaren Bioreaktoren für unsere Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu nutzen.
Wir bedanken uns für das Gespräch.
Weitere Informationen: cultimatefoods.com
Dieser Beitrag wurde zur Verfügung gestellt von der Journalistin und vegconomist-Gastautorin Susanne van Veenendaal. Im Rahmen ihres Buchprojekts über kultiviertes Fleisch mit dem Titel „Die neue Fleischkultur – Warum Cultured Meat gut für Tier, Mensch und Umwelt sein kann“, an dem Susanne van Veenendaal gemeinsam mit Christoph Werner und Bastian Huber von cultured-meat.shop arbeitet, spricht sie mit verschiedenen deutschen Unternehmen, Forschern und Initiativen der Branche.