Markt & Trends

Be Emotional Studie: Genuss statt Moral – welche Emotionen Spots von Fleischalternativen bedienen

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© Mediaplus Gruppe

Die Welten von Fleisch-Liebhabern und Vegetariern scheinen kaum miteinander vereinbar. Doch Fleischersatzprodukte probieren genau dies und sind damit nicht nur bei Vegetariern erfolgreich. Auf welche Emotionen müssen Marken wie Rügenwalder Mühle, Garden Gourmet oder Like Meat in ihrer Kommunikation setzen, um heterogene Zielgruppen anzusprechen? Dieser Frage sind Mediaplus und september Strategie & Forschung mit ihrem Forschungsansatz der Emotionsmessung nachgegangen.

Der Markt für Fleischersatzprodukte boomt. Seit 2015 hat sich der Umsatz fast verdoppelt. Weniger oder kein Fleisch mehr essen, liegt seit Corona mehr im Trend denn je – sei es im Sinne des Tierwohls oder der Umwelt zuliebe. Zwischen veganer und vegetarischer Küche einerseits und den überzeugten Fleischessern andererseits, bilden Flexitarier eine immer größer werdende Zielgruppe, zu der sich bereits mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland zählen.

© aamulya – stock.adobe.com

Worauf Anbieter von Fleischersatzprodukten in ihrer Kommunikation achten müssen, um die Bedürfnisse derart unterschiedlicher Zielgruppen zu treffen, haben Mediaplus und September Strategie & Forschung im qualitativen Forschungsansatz „Be Emotional“ untersucht. Die Kombination von technischer Emotionsmessung und qualitativer Befragung ist ein einzigartiger Ansatz, der eine umfassende und tiefe Analyse von Kampagnen liefert.

Die Ergebnisse des ‚Emotional Checks‘, der kontinuierlich mit weiteren Branchen und Mediengattungen fortgeführt wird, laufen in eine Datenbank ein, die „Emotional Engine“, die ein übergreifendes Benchmarking von Branchen, Mediakanälen und Zielgruppen ermöglicht. Die „Emotional Engine“ erfasst die emotionale Wirkung von Kommunikation auf allen Kanälen. „Pain Points“ werden ebenso erfasst wie emotional elektrisierende Szenen, so können Kunden klare Optimierungsempfehlungen gegeben werden. 

Folgende Fragestellungen werden dabei beantwortet: Welche Story bleibt hängen? Wie wird die Botschaft verstanden? Wie zahlt diese auf Produkt und Marke ein? Welche Hebel gibt es für die Kreation? Und wie sind Fleischersatzprodukte emotional verankert bei den Zielgruppen? Hierzu wurden Spots der Marken „The Vegetarian Butcher“, „Rügenwalder Mühle“, „Garden Gourmet“, „Amidori“ und „Like Meat“ Sequenz für Sequenz untersucht. 100 Testpersonen ließen sich hierfür verkabeln. Wie sich Herzschlag (EKG), Hautleitwert (EDA), Gesichtsmuskeln (EMG) und Pulsvolumen (PVA) beim Schauen der Spots verändern, bildet die Basis für die Berechnung der marketingrelevanten KPIs wie Attraktion, Sympathie und Relevanz. In anschließenden Tiefeninterviews erforschte das Institut, wie die Spots „emotional erlebt“ werden. Erkenntnisse ergeben sich für jeden einzelnen Spot, aber auch für die Gattung.

Meatless Farm Werbeplakat © The Meatless Farm Co.

So tickt die Zielgruppe:  Fleischersatzprodukte als „softer Verzicht“

Es ist ein Spagat zwischen Gelüsten & Gewissen. Viele versuchen, ihren Fleischkonsum bewusst zu reduzieren, um das Gefühl zu haben, etwas Gutes für sich und die Umwelt zu tun und Tierleid zu verringern. „Ernährung bietet dabei gute Ansatzpunkte, sich ,moralisch korrekter‘ und nachhaltiger zu verhalten. Denn wer ab und zu mal etwas richtig macht, darf in anderen Bereichen auch mal sündigen. Doch gleichzeitig fällt der Verzicht auf Fleisch oft nicht leicht, denn in der Kindheit gelernte Muster sind sehr schwer abzulegen“, beschreibt Carmen Schenkel, Geschäftsführerin september Strategie & Forschung, die emotionale Befindlichkeit der potenziellen Käufer. Fleischersatzprodukte können die Konsumenten entlasten, in dem sie einen Verzicht schaffen, der sich nicht so anfühlt.

Beim emotional aufgeladenen Thema Fleischkonsum besteht zudem insbesondere für Flexitarier ein hoher Rechtfertigungsdruck: Von den Vegetariern auf der einen Seite, für die  Fleischersatzprodukte „nichts Halbes und nichts Ganzes“ sind, hin zu den Fleisch-Fans, bei denen sie auf Unverständnis stoßen. Genau an dem Punkt setzen Fleischersatzprodukte an, die immer dann Abhilfe schaffen, wenn die Gelüste zu groß werden oder die Kochgewohnheiten zu stark geändert werden müssten. Andererseits ist den meisten Menschen bewusst, dass die pflanzlichen Alternativen nicht unbedingt gesünder als Fleisch sind. Denn die zumeist stark verarbeiteten Ersatzprodukte widersprechen vor allem dem Clean-Eating-Ansatz, Lebensmittel so unverarbeitet wie möglich zu konsumieren. 

Laut Jens Barczewski, General Manager Insights bei Mediaplus, liefert die Branchenuntersuchung zwei wichtige Handlungsempfehlungen für Markenentscheider: „Die Kommunikation von Fleischersatzprodukten sollte dem gesellschaftlichen Rechtfertigungsdruck entgegenwirken und ‚Leichtigkeit‘ und ein ‚Gemeinschaftsgefühl‘ kommunizieren, anstatt mahnend den Finger zu heben.  Vorzuspiegeln, dass die stark verarbeiteten pflanzlichen Alternativen gesünder als Fleisch seien, wäre zudem der falsche Weg. Stattdessen sollten Genuss und Spaß im Vordergrund stehen.“

Aus dem TV-Spot von LikeMeat © LikeMeat GmbH

Fünf Kampagnen im „Emotional Check“:

1. The Vegetarian Butcher:  Genuss ohne Verzicht

The Vegetarian Butcher inszeniert sich sehr deutlich als spannende und männliche Marke. Das Spiel des Messers, die Musik und eine dunkle, mystische Atmosphäre bauen Spannung auf: Die Botschaft, die die Marke vermittelt, ist klar: Man(n) muss nicht auf Geschmack verzichten und kann männlich bleiben – auch ohne Fleisch! Dabei thematisiert The Vegetarian Butcher geschickt das Genuss-Dilemma: Vegetarisches Fleisch kann nie wie Fleisch schmecken. Der Spot triggert so die relevanten „Pain Points“ der Zielgruppe, verharrt jedoch zu lange im Problem. Die Lösung, auf nichts verzichten zu müssen, dürfte in der Kommunikation deutlich mehr Raum erhalten, um Konsumenten die Möglichkeit zu geben, mehr im Genuss zu schwelgen.   

Fazit: The Vegetarian Butcher benennt die vorherrschenden Defizite deutlich, nämlich dass vegetarisches Fleisch nie wie Fleisch schmecken kann. Dabei lässt der Spot zu wenig Raum für den Genussmoment, dieser dürfte deutlich präsenter sein. Dadurch bleibt der Spot insgesamt eher auf verhaltenem emotionalen Niveau.

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2. Garden Gourmet: Gemeinsamer Vegetarismus 

Garden Gourmet lädt zum gemeinschaftlichen Essen und Grillen mit Freunden und Familie ein. Das trifft besonders nach der Corona-Zeit voll ins Schwarze. Die Atmosphäre wirkt sympathisch und freundlich, das präsentierte Essen wird von den Probanden als äußerst appetitlich bewertet. Vor allem die Produktvielfalt kommt gut an. „Hier ist für jeden etwas dabei, für Groß und Klein“ – so der Tenor. Allerdings verharrt der Spot in einer gewissen Beliebigkeit und könnte zunächst auch für Gartenkräuter oder Ähnliches stehen. Es fehlt das gewisse Etwas, das die Produkte von Garden Gourmet zu etwas Besonderem macht und der Hinweis, woraus die Produkte bestehen. Zumal das Gewächshaus als Ort der Zusammenkunft irritiert, ebenso wie die auf die Schnelle nicht nachvollziehbaren Wortspiele (Vege-tarian, Flexi-tarian, Whatever-tarian). 

Fazit: Garden Gourmet vermittelt Spaß und Gemeinschaft. Allerdings wirken die Umgebung und die Wortspiele, die nicht verstanden werden, stark irritierend, erst die Auflösung über die Produktvielfalt wirkt attraktiv und relevant.

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3. Endori: Genuss pur im Familienleben  

Die Mutter beißt genüsslich in ihren Burger. Der Vater – ganz moderner Mann – brutzelt Köstliches am Herd – alles natürlich auf pflanzlicher Basis. Die Szene vermittelt puren Genuss, keiner muss irgendetwas, jeder darf aber – und dabei läuft den Zuschauern regelrecht das Wasser im Mund zusammen. Pech hat nur die Erbse, die sich entrüstet zu Wort meldet, denn sie ist Hauptbestandteil des Gerichts. Mit ihrer Beschwerde, gegessen zu werden, sorgt sie für ein Schmunzeln ohne erhobenen Zeigefinger und verstärkt die Botschaft, dass für diese Produkte kein Tier leiden musste. 

Fazit: In entspannter Runde wird der Spaß am Essen erlebt. Vegetarisch wird nicht als Problem oder Konflikt wahrgenommen, sondern als Lifestyle, der in der ganzen Familie mit großer Vielfalt unkompliziert umgesetzt werden kann. Die überdurchschnittliche Relevanz kann über den gesamten Spot hinweg auf hohem Level gehalten werden und verleiht der Marke maximale Aufmerksamkeit und ein starkes Produktinteresse.

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4. Rügenwalder Mühle triggert Sehnsüchte

Mit Fleisch kennt die Rügenwalder Mühle sich aus. Und weil Pflanzen wie Soja oder Weizen ebenso wie Fleisch Protein enthalten, stellt Rügenwalder jetzt immer mehr Produkte aus Pflanzen her. Das ist ein Transfer, den man der Traditionsmarke durchaus abnimmt. „Alles lecker und gut fürs Klima“ – schon zum Spoteinstieg ist die Botschaft klar: Rügenwalder stillt die Lust nach Genuss mit reinem Gewissen. Der Spot schafft es in Bild und Ton, die Zuschauer an einen Sehnsuchtsort mitzunehmen, in die „heile Welt“, wo Gemeinsamkeit, Familie und Romantik auf dem Lande mit Freude und Genuss erlebt werden. 

Fazit: Mit Rügenwalder kann man nichts falsch machen, mit einer gewissen Leichtigkeit lassen sich pflanzliche Alternativen leicht in den Alltag integrieren. Vegetarismus ist hier kein Lifestyle, sondern echt. Rügenwalder wird als Familienmarke erlebt, die einfache, authentische Lösungen für eine bewusste Ernährung bietet. Die Relevanz bei Männern und Frauen ist hoch, bei Frauen löst der Spot zudem ein großes Gefühl von Nähe aus.

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5. #LikeMeat: In zehn Sekunden Speichelfluss

#LikeMeat schafft es, in zehn Sekunden ohne jede Verzehrszene und ohne jede Person die Botschaft zu kommunizieren. Die Dramaturgie ist reduziert auf das Wesentliche: das Produkt selbst, verstärkt durch aktivierende Musik und das klare Voice-over: Soooo Goooooood. Aus dem Burger triefen Fleischsaft, Zwiebel und Geschmack geradezu heraus. Auch ohne Hunger zu haben, läuft den Zuschauern das Wasser im Mund zusammen. Wenn es nur immer so einfach zu vermitteln wäre: „Ich bin Genuss.“ 

Fazit: #Likemeat ist erfolgreicher Regelbrecher: Der Spot hat keine echte Handlung, zeigt keine Verzehrsituation, es gibt nur den Auslöser, dass man sofort Appetit bekommt! So punktet der Spot bei Konsumenten innerhalb der kurzen Zeit in den drei Dimensionen Sympathie, Relevanz und Attraktion.

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Fazit des gesamten Emotional Check Fleischersatzprodukte:

Eine Branche erfindet sich gerade werblich neu und wählt dabei sehr unterschiedliche Wege der Ansprache. Dabei zeigt sich im Vergleich der untersuchten Anbieter, dass einige es schon besser verstanden haben, die Diskrepanz innerhalb der Zielgruppen mit einem klaren Produktversprechen aufzuladen. Diesen Spagat müssen auch andere FMCG-Anbieter künftig schaffen, um trendige bzw. nachhaltige Nischenprodukte einer breiteren Zielgruppe schmackhaft zu machen, ohne dabei ihre Identität und Nischenpräsenz zu sehr in den Fokus zu stellen. Es bleibt ein spannender Weg, den Marken und Konsumenten da gehen. 

Weitere Informationen auf www.mediaplus.com/de.

 

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