Die Vegane Gesellschaft setzt sich für eine nachhaltigere, pflanzenbasiertere Ernährung in Österreich ein.
Die Vegane Gesellschaft ist eine Umweltschutzorganisation mit Ernährungsschwerpunkt, die sich für eine klimafreundlichere Ernährung und Lebensmittelherstellung einsetzt. Die Vegane Gesellschaft kümmert sich in Österreich um die Produktkennzeichnung mit dem V-Label, einem internationalen Gütesiegel zur Kennzeichnung von vegetarischen und veganen Produkten und kooperiert mit allen großen Supermarktketten und den 300 wichtigsten Lebensmittelherstellern des Landes.
Johannes Gilli ist seit 2014 hauptberuflich für die Vegane Gesellschaft Österreich in Wien tätig. Gemeinsam mit 4 weiteren Mitarbeitern ist er dort hauptsächlich für die Vergabe des V-Labels zuständig. In Österreich betreut das V-Label mehrere hundert Unternehmen und erreichte bereits einen beeindruckenden Meilenstein an zertifizierten Produkten, wie uns Johannes Gilli im Interview verrät.
Herr Gilli, wer ist die Vegane Gesellschaft Österreich und wofür steht die Organisation?
Die Vegane Gesellschaft Österreich ist eine sehr aktive und erfolgreiche Umweltschutzorganisation mit Ernährungsschwerpunkt. Wir begeistern Menschen für klimafreundliche Ernährung und Lebensmittelherstellung, die schmeckt, Spaß macht und gleichzeitig gut für die Gesundheit und die Tiere ist.
Viele der weltweit dringendsten Umweltprobleme haben eine Ursache: unsere Ernährung! Wir wollen Bewusstsein schaffen, dass wir durch die Wahl unserer Lebensmittel viel beeinflussen können. Dabei hat Ernährung auch Einfluss auf andere wichtige Bereiche unseres Lebens und kann somit zum Multiproblemlöser werden: FÜR Umwelt, Gesundheit, Tiere und Genuss!
Unser inzwischen über 40-köpfiges Team arbeitet hochmotiviert und mit großer Freude an verschiedenen Projekten und Bereichen – alles mit einem Ziel: die Welt besser zu machen!
Wer sind die Mitglieder, bzw. wer kann Mitglied werden?
Die Möglichkeit, unsere Arbeit mit einem regelmäßigen Beitrag zu unterstützen, steht jeder Person offen! Tausende Menschen tun dies bereits und ermöglichen so wirkungsvolle Projekte, Kampagnen und Medienarbeit, um die Vorteile der veganen Lebensweise bekannter zu machen.
Daneben erhalten wir aber immer wieder auch zahlreiche Spenden von Einmalbeträgen, z.B. um größere Projekte zu finanzieren. Zu unseren Aktivitäten zählen auch Vorträge, Beratungsarbeit und die Organisation von Veranstaltungen wie veganen Messen, Sommerfesten oder dem Tierschutzlauf. Besonders dankbar sind wir auch über die viele Unterstützung in Form von Freiwilligenarbeit, ohne die wir unsere Events in dieser Form gar nicht abhalten könnten.
Wie ist die Lage der veganen Bewegung in Österreich? Welche Entwicklungen sprechen für einen positiven Wandel und welche Herausforderungen gibt es?
Wie auch in anderen Ländern versuchen auch in Österreich einzelne Kreise z.B. aus der Kuhmilchindustrie, pflanzlichen Alternativprodukten unter dem Deckmantel des Konsumentenschutzes Steine in den Weg zu legen. Möglicherweise, um politischen Einfluss zu gewinnen (kein Hersteller hat jedenfalls Interesse daran, dass seine Produkte verwechselt werden). So stößt man sich derzeit an der Produktbezeichnung „Mlik“ für ein pflanzliches Hafermilchprodukt.
Auf der anderen Seite nutzen die meisten Molkereien und Fleischverarbeiter in Österreich längst ihr Know-How um die wachsende Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen zu bedienen. Daher stehen wir mit fast allen großen Molkereien und Fleischverarbeitern in Österreich in positivem Austausch, um Produkte zu entwickeln oder mit dem V-Label zu zertifizieren.
Auch die Zahlen sprechen in Österreich ein sehr klares Bild: In den letzten 10 Jahren ist der Fleischkonsum hierzulande konstant gesunken, insgesamt um knapp 10% (2012: 65,2 kg, 2021: 58,9kg pro Kopf). Noch steiler bergab geht es bei Milch und Milchprodukten, deren Konsum allein im Jahr 2021 um 6,1% beziehungsweise 3,4% eingebrochen ist.
Der österreichische Absatz von pflanzlichen Alternativen ist hingegen laut GFI von 2020 auf 2022 um 24% gewachsen. Besonders stark gestiegen ist in diesem Zeitraum der Umsatz mit pflanzlichen Fischalternativen (250%). Auch in diesem Segment zeigt Österreich hohe Innovationskraft, wie beispielsweise das Unternehmen Revo Foods mit seinen 3D-gedruckten Lachsalternativen beweist.
Bei den Milch- und Fleischalternativen war Österreich immer schon vorne mit dabei, doch auch hier entwickelt sich unsere Unternehmenslandschaft weiter und weiter. Mit Gustl, dem veganen Leberkäse, kam erstmals ein Produkt in die heiße Theke der Supermärkte. Der Speckfabrikant Handl Tyrol investierte viel Geld in einen eigenen Produktionsstandort mit 40 neuen Arbeitsplätzen für seine neuen pflanzlichen Snackwürste, eigentlich ein überfälliges Produkt im Land der Berge, doch die dreijährige Entwicklungsarbeit hat sich ausgezahlt! Etablierte Player wie der Milchalternativenriese Mona mit seinen Marken Joya, Natumi &Co. oder die oberösterreichische VeggieMeat (Vegini) entwickeln ihre Produktpaletten stetig weiter und in die Breite. Überhaupt sehen wir viel Innovation von großen wie kleinen Unternehmen, oder auch in Kooperation, wie z.B. im Falle der neuen Treber-Bällchen von der Salzburger Traditionsbrauerei Stiegl und easyVegan.
Genauso gibt es auch bei allen Einzelhändlern ein nie dagewesenes Augenmerk auf den pflanzlichen Sektor. War es in den letzten Jahren noch ein Wettrennen um die größte Auswahl an veganen Produkten, fokussiert man nun verstärkt auch auf die Qualität und die richtige Kommunikation des Angebots. Während Billa (Rewe) im letzten Jahr eine eigene Abteilung für Plant-Based Business Development geschaffen und die erste rein vegane Supermarkt-Filiale eröffnet hat, entwickelte und produziert Konkurrent Spar in seinen TANN-Fleischwerken erstmals selbst pflanzliche Fleischalternativen. Auch die Diskonter beschäftigen sich im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie seit Jahren intensiv mit dem Thema. Als Ansprechpartner waren wir in diesem Zusammenhang mit unseren Beratungsleistungen noch nie so gefragt wie jetzt. Das freut und motiviert uns enorm.
Für einen positiven Wandel spricht auch die Bestrebung von immer mehr Unternehmen in Österreich, Preisparität zwischen tierischen und pflanzlichen Pendants herzustellen. So entfällt beim Cappuccino immer häufiger ein Aufpreis für Hafer- statt Kuhmilch. IKEA zählt zu den Pionieren, die pflanzliche Lebensmittel sogar bewusst günstiger als jene mit Fleisch anbieten. In Österreich sind etwa die veganen Fleischlosbällchen pro Kilogramm um 1 Euro günstiger, die Gemüsebällchen sogar um 3 Euro. 33% der verkauften Fleischbällchen entfallen dabei bereits auf die rein pflanzliche Variante! Bei IKEA Österreich verfolgt man schon länger diese Preisstrategie, nun hat sich auch der Rest der Ingka Gruppe angeschlossen, die in 32 Ländern Filialen vom schwedischen Möbelhersteller betreibt.
Seit wann gibt es das V-Label in Österreich und wie groß ist das V-Label-Team? Wie viele Produkte und Unternehmen sind bis heute lizenziert?
Das V-Label wurde in Österreich erstmals im Jahr 2002 vergeben. Letztes Jahr feierten wir somit 20-Jahr-Jubiläum. Richtig Fahrt aufgenommen hat die Zertifizierung veganer und vegetarischere Produkte in Österreich in den letzten 10 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete noch eine Person in Teilzeit für das V-Label Österreich, heute besteht unser professionelles Team aus 5 Personen, eingegliedert in ein mittlerweile weltumspannendes, beeindruckendes Netz an nationalen V-Label Vergabestellen. In Österreich prüfen wir jeden Tag zahlreiche neue Produkte und arbeiten bereits mit hunderten Unternehmen zusammen. Ganz besonders freuen wir uns, soeben erstmals die Marke von 10.000 aktiven V-Label Lizenzen überschritten zu haben!
Welche Produktkategorien lizenziert ihr aktuell in Österreich besonders häufig? Was sind oder waren die auffälligsten Trends?
Ein Großteil der zertifizierten Produkte sind Lebensmittel, das größte Wachstum gab es in den letzten Jahren jedoch in anderen Sektoren. So gibt es in Österreich weiterhin eine kleine, aber hochqualitative Textilbranche. Insbesondere auch Heimtextilien wurden vergleichsweise zahlreich mit dem V-Label zertifiziert. Der Hersteller Vossen (einer der führenden Frottierwarenhersteller in Europa) musste für die Zertifizierung einen kompletten Produktionsschritt umstellen, da die Schlichte tierisches Wachs enthielt (das Schlichtemittel schützt den Garn in der Weberei und muss nicht deklariert werden). Nun rollen hier vegane Handtücher und Bademäntel vom Band. Genauso gibt es mittlerweile ein gutes Angebot von veganer Bettwäsche, Bettdecken und sogar Matratzen.
Daneben wuchsen Kosmetikartikel sowie Wasch- und Reinigungsmittel sehr stark. Für Konsumenten und Konsumentinnen ist dies besonders hilfreich, da letztere sehr oft tierische Tenside enthalten und dies nicht deklariert werden muss!
Auf welche Erfolge blickt ihr gerne zurück?
Die Prüfung von Produkten erfordert sehr genaues und konzentriertes Arbeiten. Es ist aber auch unglaublich spannend zu sehen, welche neuen, innovativen Produkte in Österreich entwickelt werden, kleine Unternehmen oder das ein oder andere echte Start-Up zu begleiten. Besonders motiviert es uns wenn wir sehen, wie sich Produktpaletten auch in großen Unternehmen verändern oder Verarbeitungsprozesse von tierisch auf pflanzlich umgestellt werden, um das V-Label zu erlangen. Unternehmen ziehen uns auch über die Zertifizierung hinausgehend immer häufiger für Beratungen hinzu. Darüber freuen wir uns besonders und zeigt ein großes Vertrauen in unsere Expertise auch in Bereichen wie Kommunikation, Zielgruppenanalyse oder Sortimentsgestaltung.
Auch von Außen erhalten wir immer wieder sehr positives Feedback zu unserer Arbeit, sei es von Konsumenten als auch von erstaunlichen Umfragewerten in verschiedenen Ländern. So zeigen diese beispielsweise, wie das V-Label insbesondere bei der jungen Generation neben Netflix oder Tesla als eine der trendigsten Marken wahrgenommen wird. Als das sind Erfolgsmomente für uns, die uns noch mehr antreiben!
Abseits des V-Labels sind wir aber natürlich in zahlreichen weiteren Bereichen sehr aktiv. Besonders stolz sind wir auf unser Projekt zur Ausbildung von Köchen, Vegucation. Durch dieses gibt es bereits seit 2014 an Schulen eine österreichweit einheitliche, offizielle Zusatzausbildung zur vegan-vegetarischen Fachkraft! Auch für ausgebildete Köche bietet Vegucation gemeinsam mit diversen Erwachsenenbildungseinrichtungen eine entsprechende Weiterbildungsmöglichkeit. Aufgrund der sehr fleischlastigen österreichischen Kochausbildung ist das Interesse daran enorm.
Was ist zukünftig geplant? Was sind die wichtigsten Ziele mit dem V-Label?
Unser Ziel ist es weiterhin für große wie kleine Unternehmen gleichermaßen da zu sein und die Auswahl an pflanzlichen Produkten für Konsumenten in Österreich weiter zu steigern. Insbesondere im Nonfood-Bereich gibt es noch einiges Potenzial, um die Kennzeichnung von Produkten sinnvoll zu erweitern und Konsumenten den Einkauf bzw. die Vermeidung versteckter tierischer Inhaltsstoffe zu erleichtern. Hier wollen wir noch mehr Unternehmen erreichen.
Seit kurzem haben wir überdies das Veganuary-Projekt nach Österreich geholt. Eine eigene Mitarbeiterin übernimmt bei uns ab sofort die Kampagnenarbeit für Österreich und die Koordination und Kooperation mit zahlreichen interessierten Unternehmen.
Wo können Interessierte euch persönlich treffen?
Definitiv auf einem unserer zahlreichen Events, die heuer noch stattfinden! Als Highlights seien zu nennen unser Streetfood-Festival Veganmania (Ende August auf der Donauinsel sowie das große 25-Jahr-Jubiläum auf dem Wiener Rathausplatz Anfang Oktober) oder die große Vegan Planet Messe in Wien im November, wo sich jedes Jahr zahlreiche Unternehmen präsentieren.
Wir sind aber immer wieder auch auf Branchenkongressen und- veranstaltungen eingeladen und anzutreffen oder freuen uns auch über persönliche Termine!
Herr Gilli, wir bedanken uns für das Gespräch.
Weitere Informationen über die Vegane Gesellschaft Österreich finden Sie unter www.vegan.at.