Am Stand von Schneider Electric auf der Hannover Messe präsentierten Forschende des Hochschulinstituts Institute for Life Science Technologies (ILT.NRW) das mit Unternehmenspartnern verwirklichte Projekt FoodProduction 4.0, das neue Maßstäbe in der Produktion von Pflanzendrinks setzen soll.
Die Präsentation eines neuartigen Haferdrinkdemonstrators, der durch eine Vielzahl von Sensoren tiefe Einblicke in den Herstellungsprozess ermöglichte, bot Fachleuten und Interessierten die Möglichkeit, innovative Technologien und Konzepte für die Zukunft der Lebensmittelindustrie kennenzulernen.
Das Projekt FoodProduction 4.0 kombiniert neueste Entwicklungen in der Automatisierung, Digitalisierung und nachhaltigen Produktion, um eine zukunftsfähige und ressourcenschonende Lebensmittelproduktion zu ermöglichen.
Technische Herausforderungen und Lösungen
Im Rahmen der Messe konnten die beiden Projektmitarbeiter Arthur Gossen und Marc Trilling-Haasler für ein Gespräch gewonnen werden. Sie geben Einblicke in die technischen Herausforderungen und Lösungen des Projekts sowie in die Rolle der Future Food Factory als Innovationslabor für die Lebensmittelindustrie.

ein Beispiel dafür sein, wie ein Lebensmittelproduktionsprozess in Zukunft aussehen kann © Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe
Was ist die Future Food Factory OWL und was ist das ILT.NRW?
Arthur Gossen: Hier in der Future Food Factory OWL der Technischen HochschuleOstwestfalen-Lippe forschen wir vor allem im Bereich der Lebensmitteltechnologie der Zukunft. Unser Standort am Innovation Campus Lemgo gibt uns vom Institut for Life Science Technologies (ILT.NRW) die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Institut für industrielle Informationstechnik (inIT) zukunftsweisende Fragestellungen zu bearbeiten.
In Zusammenarbeit mit verschiedensten Partnerunternehmen aus der Industrie wie zum Beispiel Schneider Electric, mit denen wir nun mit unserem Demonstrator auf der HMI (Hannover Messe) sind, verwirklichen wir anwendungsnahe Projekte.
Aber was genau ist denn Lebensmitteltechnologie und was kann ich mir darunter vorstellen?
Marc Trilling-Haasler: Lebensmitteltechnologie setzt sich mit System und den Strukturen der Produktionsprozesse von Lebensmitteln auseinander. Wir interpretieren die Lebensmitteltechnologie so, dass wir Prozesse im Detail kennen und dann so umgestalten können, dass sie nachhaltiger und zukunftsorientierter sind.
Wer seid ihr und was macht ihr in der Future Food Factory?
Marc Trilling-Haasler: Wir sind Arthur Gossen und Marc Trilling-Haasler und haben Lebensmitteltechnologie im Bachelor und Life Science Technologies im Master an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Lemgo studiert.
Bereits während unseres Studiums konnten wir dabei im Rahmen unserer Abschlussarbeiten an verschiedenen Projekten des ILT.NRW mitforschen und so einen Einblick in die Forschung erlangen. Unter anderem haben wir beide in einem Projekt mitarbeiten können, welches sich damit beschäftigt hat, den Bierbrauprozess neu zu denken und mittels Sensortechnik effizienter, produktschonender und nachhaltiger zu gestalten.
Nach dem Studium konnten wir dieses Know-How in verschiedene Forschungsprojekten im ILT.NRW einbringen. Seit 2024 promovieren wir mit verschiedenen Schwerpunkten auf dem Gebiet der Echtzeitqualitätssicherung.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen im Bereich Haferdrink zu forschen?
Marc Trilling-Haasler: Haferdrinks sind relativ junge Produkte auf dem Markt. Gleichzeitig weisen Haferdrinks in Deutschland den größten Umsatz von allen Kuhmilch-Alternativen auf und die Beliebtheit steigt weiter an.
Haferdrinks sind also schon lange nicht mehr nur ein Trendgetränk, sondern sind nicht zuletzt auch durch das sich verändernde Konsumverhalten, hin zu einer mehrheitlich pflanzlichen Ernährung, in der Gesellschaft angekommen.
Was wollt ihr denn dann an Haferdrinks erforschen?
Arthur Gossen: Da es sich wie bereits gesagt bei Haferdrinks um ein relativ junges Produkt handelt, sind noch viele Fragestellungen in diesem Bereich offen. Wir wollen uns in diesem Forschungsprojekt mit Fragestellungen rund um den Produktionsprozess hinsichtlich der Technologie und der Effizienz auseinandersetzen, aber auch Fragestellungen zu humansensorischen Kriterien sowie Qualitätsstandards erforschen.
Was ist das Besondere an eurem Projekt?
Arthur Gossen: Wir haben zwei Kernthemen im Projekt, zum einen die „ganzheitliche Rohstoffverwertung“ und zum anderen die „autonome Lebensmittelproduktion“.
Bei der ganzheitlichen Rohstoffwertung verfolgen wir den Raffinerie-Gedanken, das heißt wir denken vom Rohstoff und nicht vom Endprodukt.
In Bezug auf Hafer und Haferdrinks bedeutet das, dass wir den Hafer möglichst vollständig ausnutzen wollen. Häufig fallen in der Lebensmittelherstellung Nebenströme an, die nicht weiter verwertet werden. Diese beinhalten jedoch oft noch wertvoll Inhaltsstoffe wie Proteine oder Ballaststoffe. Das ist bei der Haferdrink Herstellung nicht anders und das möchten wir ändern.
Marc Trilling-Haasler: Bei der autonomen Lebensmittelproduktion verfolgen wir das Ziel, dass die Haferdrinkherstellung ohne menschliche Eingriffe auskommt. Wir wollen den Prozess durch geeignete Sensortechnik so transparent machen, dass der Zustand des Prozesses zu jedem Zeitpunkt bekannt ist und die Maschinen darauf reagieren können. So soll die Produktionsanlage beispielsweise selbst erkennen, wie die Qualität des verwendeten Hafers ist und auf dieser Grundlage selbstständig Vorgaben für die Prozesstemperatur, die Verarbeitungszeit usw. vornehmen. Dieser Ansatz soll die Effizienz des Prozesses und die Qualität des Endprodukts verbessern.

Wie kann ich mir euren Demonstrator vorstellen?
Marc Trilling-Haasler: In unserem Demonstrator zeigen wir den Kernprozessschritt der Haferdrinkherstellung – das Enzymieren, ein essenzieller Prozessschritt hinsichtlich des Geschmacks und des Mundgefühls von Haferdrinks.
An diesem Beispiel können wir unsere Konzepte und Lösungen am besten deutlich machen. Wir setzen bei unserem Demonstrator auf bereits etablierte Sensortechnik wie die Nahinfrarotspektroskopie, eine nicht invasive Methode, bei der die Reflektion von Lichtwellen in nahen Infrarotbereich gemessen wird. Wir betrachten aber auch neue Ansätze wie die Messung von Vibrationen und Akustik.
Nicht zuletzt schauen wir uns aber auch Daten an, für die wir gar keine Sensoren brauchen, wie beispielsweise das Drehmoment des Rührer-Motors.
Und was genau bringen euch diese ganzen Daten?
Arthur Gossen: Mit all diesen Daten wollen wir tief in den Prozess hineinschauen und über mathematische Modelle Informationen über den produzierten Haferdrink generieren. So können wir beispielsweise messen, wie hoch der Zuckergehalt oder die dynamische Viskosität, ein Maß für die Zähigkeit, im Haferdrinks ist. Mit der Kenntnis über diese Qualitätsparameter können wir den Demonstrator individuell steuern und sorgen für eine gleichbleibende Qualität.
Wie funktioniert das bisher?
Arthur Gossen: Aktuell werden in der Haferdrinkproduktion starre Prozessparameter vorgegeben, die sich nicht an den Rohstoff anpassen. Dies lässt allerdings außer Acht, dass es sich bei Hafer um einen Rohstoff handelt, der unter anderem durch klimatische Einflüsse natürlichen Schwankungen unterliegt. Die Qualitätsparamter, welche wir mit unserem Demonstrator schon während des Prozesses bestimmen wollen, werden üblicherweise erst nach der Produktion im Labor bestimmt, wodurch es nicht möglich ist eine Anpassung durchzuführen.
Wie genau kann eure Anlage dabei helfen, die Haferdrink-Produktion nachhaltiger zu gestalten?
Marc Trilling-Haasler: Durch die mathematischen Modelle, die in die Prozessteuerung eingebunden sind, können die wesentlichen Qualitätsparameter, wie Zuckergehalt und Zähigkeit, bereits während des Prozesses bestimmt und beeinflusst werden. Dadurch können
Fehlchargen und damit Lebensmittelverschwendung vermieden werden und der Prozess wenn möglich verkürzt werden, was neben Zeit auch Energie einspart.
Zudem wird der Prozess bei uns auf den eingesetzten Hafer angepasst, wodurch mehr der ernährungsphysiologisch relevanten Inhaltsstoffe in den Drink übergehen können.
Ist das Prinzip auch auf andere Drinks anwendbar?
Arthur Gossen: Aktuell wird beispielhaft an der Herstellung von Haferdrinks geforscht. Ein Kernanliegen von uns ist aber, dass unsere Konzepte auch auf weitere Lebensmittelherstellungsprozesse angewendet werden können. Durch den gezielten Einsatz von Sensortechnik kann noch in vielen Prozessen der Lebensmittelindustrie ein Mehrwert hinsichtlich Nachhaltigkeit und Effizienz geschaffen werden.
Wie möchtet Ihr mit Eurer Anlage zu einem Umdenken beitragen?
Arthur Gossen: Wir hoffen mit der Anlage ein Beispiel zu schaffen, wie ein transparenter Lebensmittelproduktionsprozess in Zukunft aussehen kann und welche Vorteile er sowohl für Produzenten als auch für Verbraucher bietet. Durch den Einsatz von inline Sensortechnik, gekoppelt mit mathematischen Modellen, wollen wir eine Möglichkeit aufzeigen, bereits während der Produktion auf schwankende Rohstoffqualitäten zu reagieren.
Wo kann ich mich informieren, wenn ich mehr über die Forschung in der Future Food Factory erfahren will?
Marc Trilling-Haasler: Wer sich näher mit den Projekten der Future Food Factory
auseinander setzten möchte, findet alle Informationen zu unserem und anderen Projekten auf unserer Website www.futurefoodfactory.de oder in den Sozialen Medien auf Instagram und LinkedIn unter Future Food Factory OWL. Für die noch unentschlossenen Schüler empfehlen wir sich auf der TH OWL Website den Studiengang Lebenmitteltechnologie anzuschauen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Weitere Informationen: ilt.nrw und futurefoodfactory.de