Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat die Leitlinien für Anträge auf neuartige Lebensmittel in der EU aktualisiert. Ermolaos Ververis, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Innovationen im Ernährungs- und Lebensmittelbereich der EFSA, gibt in diesem Interview einen Überblick über die wichtigsten Änderungen und deren Auswirkungen auf die Antragsteller. Die Aktualisierungen umfassen sowohl wissenschaftliche als auch administrative Leitlinien, die ab Februar 2025 für alle neuen Anträge auf neuartige Lebensmittel gelten.
Diese Änderungen sollen sicherstellen, dass die Sicherheitsbewertung neuartiger Lebensmittel mit den aktuellen Entwicklungen in der Lebensmittelforschung und den gesetzlichen Anforderungen Schritt hält. Dabei werden nicht nur neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt, sondern auch die Erfahrung aus der bisherigen Bewertung von Anträgen genutzt, um Klarheit zu schaffen und die Qualität der Anträge zu verbessern. Ziel ist es, ein effizienteres Verfahren zu etablieren, das die Verbrauchersicherheit weiterhin an oberste Stelle setzt.
Welche Aufgabe wurde der EFSA gestellt?
Ermolaos Ververis: Die Europäische Kommission beauftragte die EFSA mit der Aktualisierung der Leitlinien für die Erstellung und Einreichung von Anträgen auf Vermarktung neuartiger Lebensmittel in der EU. Diese Aktualisierung besteht aus zwei wichtigen Dokumenten.
Erstens werden in den wissenschaftlichen Leitlinien die von den Antragstellern vorzulegenden wissenschaftlichen Informationen umrissen. Zweitens wird in den administrativen Leitlinien das Antragsverfahren erläutert, das von unserem Front-Desk-Unterstützungsteam abgewickelt wird.
Diese Aktualisierungen gelten für alle Anträge auf neuartige Lebensmittel, die bei der Europäischen Kommission ab Februar 2025 eingereicht werden.

Warum wurden die Leitlinien aktualisiert?
Ermolaos Ververis: Wir haben diese Aktualisierungen vorgenommen, um den Änderungen des EU-Rechtsrahmens für neuartige Lebensmittel und den jüngsten Fortschritten in der Lebensmittelforschung und -innovation Rechnung zu tragen. Die Branche für neuartigen Lebensmittel entwickelt sich rasch weiter und es ist wichtig, dass unsere Sicherheitsbewertungsverfahren auf dem neuesten Stand sind. Die Anträge auf neuartige Lebensmittel sind vielfältiger geworden und dies wird ebenfalls in der Aktualisierung berücksichtigt.
Wir haben auch viel aus der Bewertung von Anträgen auf neuartige Lebensmittel gelernt, seit die Verordnung über neuartige Lebensmittel 2018 in Kraft getreten ist. Diese Erfahrung hat uns geholfen, Definitionen und Datenerfordernisse zu klären, um qualitativ hochwertigere Anträge zu ermöglichen, was wiederum zu einem effizienteren Risikobewertungsverfahren führen sollte.
Insgesamt enthalten die neuen Leitlinien detailliertere Angaben insbesondere zu den wissenschaftlichen Anforderungen, bei denen wir in den letzten sechs Jahren Lücken festgestellt haben.
Welche Informationen müssen die Antragsteller vorlegen?
Ermolaos Ververis: In unseren wissenschaftlichen Leitlinien wird erläutert, wie das neuartige Lebensmittel zu beschreiben und zu identifizieren ist und Einzelheiten zum Herstellungsprozess, zur Zusammensetzung, zu den Spezifikationen und zu den vorgeschlagenen Verwendungen anzugeben sind.
Die Antragsteller müssen auch Informationen über den erwarteten Verzehr, die Verwendungsgeschichte und die Sicherheitsdaten des Lebensmittels vorlegen, einschließlich Angaben zur Verarbeitung des Lebensmittels durch den Körper, zur Toxikologie, zum Nährwert und zu potenziellen Allergenen.
Ergänzend dazu werden in den administrativen Leitlinien die praktischen Schritte zur Erstellung und Einreichung eines Antrags umrissen.

Wird die Aktualisierung den Bewertungsprozess beschleunigen?
Ermolaos Ververis: Wir haben eine Frist von neun Monaten, um eine Risikobewertung abzuschließen, wenn wir jedoch weitere Informationen vom Antragsteller benötigen, unterbrechen wir das Verfahren. Die aktualisierten Leitlinien sollten dazu beitragen, das Antragsverfahren zu straffen, indem die Anforderungen klarer gestaltet werden und die Wahrscheinlichkeit fehlender Angaben verringert wird.
Dennoch steht Gründlichkeit immer an erster Stelle. Die Verbrauchersicherheit ist unsere oberste Priorität, und die Zeit, die für die Bewertung benötigt wird, hängt von der Komplexität und Qualität der übermittelten Daten ab. Die Europäische Kommission und die nationalen Behörden in der EU sind für die endgültige Zulassung und die Vermarktungsregeln zuständig.
Wie wurden die Interessengruppen einbezogen?
Ermolaos Ververis: Im Zuge der Aktualisierung haben wir eine öffentliche Konsultation eingeleitet und Rückmeldungen von einem breiten Spektrum von Interessengruppen erhalten, darunter Hochschulen, Verbrauchergruppen, der Industrie, NRO und die Öffentlichkeit. Insgesamt gingen mehr als 700 Stellungnahmen ein. Alle Rückmeldungen sind zusammen mit unseren Antworten als Anhang zu den Leitlinien öffentlich zugänglich.
Außerdem haben wir im Mai 2023 ein wissenschaftliches Kolloquium veranstaltet, um aktuelle Trends in der Lebensmittelforschung zu erörtern und sicherzustellen, dass unsere Risikobewertungsmethoden weiterhin wirksam sind. Nach der Veröffentlichung der Leitlinien werden wir diese im Rahmen von Workshops, Konferenzen und anderen Veranstaltungen vorstellen. Nutzen Sie unsere Kanäle, um auf dem Laufenden zu bleiben!

Decken diese Leitlinien auch Lebensmittel ab, die aus Zellkulturen gewonnen wurden?
Ermolaos Ververis: Ja, die Leitlinien gelten für alle Anträge auf neuartige Lebensmittel, einschließlich solcher auf aus Zellkulturen gewonnene Lebensmittel und Lebensmittelzutaten.
Werden durch die Aktualisierung weniger Tierversuche durchgeführt?
Ermolaos Ververis: Unser Ziel ist es, im Einklang mit der umfassenderen Strategie der EU zur schrittweisen Einstellung von Tierversuchen die Anzahl der Tierversuche auf ein Minimum zu reduzieren. Wir empfehlen den Antragstellern, wann immer möglich validierte alternative Methoden zu verwenden. Sind Tierversuche erforderlich, müssen sie den EU-Standards entsprechen und die Antragsteller müssen zuerst eine gründliche Literaturrecherche durchführen, bevor sie Tierversuche machen.
Wie werden die Verbraucher dadurch geschützt?
Ermolaos Ververis: Die Lebensmittelsicherheitsstandards der EU gehören weltweit zu den höchsten. Die Aufgabe der EFSA besteht darin, sicherzustellen, dass neuartige Lebensmittel im Rahmen der vorgeschlagenen Verwendungen sicher verzehrt werden können. Sobald unsere Bewertung abgeschlossen ist, obliegt es der Europäischen Kommission und den nationalen Behörden in der EU, Entscheidungen über die Zulassung und das Inverkehrbringen, einschließlich der Kennzeichnungsanforderungen, zu treffen. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass alle auf dem Markt befindlichen neuartigen Lebensmittel sicher und in Bezug auf die Ernährung nicht nachteilig sind.
Weitere Informationen: efsa.europa.eu/de