Die aktuelle Utopia-Studie sieht eine steigende Nachhaltigkeitsaffinität bei den Verbrauchern trotz wachsender Herausforderungen.
Nachhaltiger Konsum in Deutschland wird von den aktuellen gesellschaftlichen und ökonomischen Krisen beeinflusst, behält aber seinen Stellenwert in der Mitte der Gesellschaft. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie vom Nachhaltigkeitsportal Utopia, die im April 2024 veröffentlicht wurde.
44 Prozent der Bevölkerung in Deutschland haben demnach eine deutliche Affinität zu nachhaltigem Konsum. Damit hat der „stabile Kern“ der nachhaltigkeitsorientierten Verbraucher in den vergangenen zwei Jahren nicht an Größe verloren, sondern sogar um drei Prozentpunkte zugelegt. Allerdings ist das Preisbewusstsein beim Kauf nachhaltiger Produkte deutlich höher als bei der Utopia-Studie 2022.
Die Studie zeigt darüber hinaus, wie gespalten Deutschland auch in puncto Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist und legt große Gegensätze in den Einstellungen offen. So zum Beispiel bei der Frage, ob es sich bei Berichten über den Klimawandel „oft um übertriebene Panikmache“ handelt: 43 Prozent der Bevölkerung sind dieser Meinung, in einigen Gruppen steigt der Wert auf bis zu 74 Prozent. Sehr weit auseinander gehen die Meinungen auch, wenn es um die Rolle von Staat und Politik beim Klimaschutz geht. Dagegen erwartet die Mehrheit mehr Engagement von Unternehmen. Gegenüber Green Claims zeigt sie sich jedoch zwiegespalten zwischen Nutzwert und Verwirrung.
Die Studie im Überblick
Nachhaltigkeit gehört zum Alltag, gerät aber durch multiple Krisen unter Druck
Seit der ersten Utopia-Studie 2017 hat Nachhaltigkeit stetig an Bedeutung gewonnen. Selbst die Corona-Pandemie hat sich trotz immenser persönlicher und wirtschaftlicher Unsicherheiten wie ein Katalysator auf den nachhaltigen Konsum ausgewirkt. Die aktuellen Krisen haben jedoch den gegenteiligen Effekt: Nachhaltigkeit und nachhaltiger Konsum geraten unter Druck. Das Problembewusstsein für den Klimawandel nimmt etwas ab („Klimamüdigkeit“), wirtschaftliche Sorgen werden größer und die Preissensibilität wächst wegen der Inflation.
86 Prozent der Deutschen suchen beim Einkaufen „vor allem nach günstigen Angeboten“ und nur noch 47 Prozent sind bereit, „einen Mehraufwand auf sich zu nehmen, um nachhaltige Produkte zu kaufen“ (11 Prozent weniger als vor zwei Jahren).
„Ja und Nein“ zu gesetzlichen Regelungen
Menschen mit hoher Nachhaltigkeitsaffinität erwarten von der Politik und dem Staat klare Regelungen für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit, auch wenn dies ihre persönliche Entscheidungsfreiheit einschränkt. Weniger affine Personen lehnen staatliche Eingriffe eher ab. Jüngere Befragte sind deutlich mehr pro Regulierung als ältere.
In den Ost-Bundesländern sind wesentlich mehr Menschen gegen Reglementierung, im Westen sind sie tendenziell eher dafür. Und je höher die Bildung, desto positiver die Einstellung gegenüber staatlicher Einflussnahme.
Green Claims zwischen Nutzwert und Verwirrung
Konsumenten zeigen sich gegenüber umweltbezogenen Werbeaussagen, den so genannten Green Claims, zwiegespalten. Dass gerade so viele Unternehmen mit Nachhaltigkeit werben, macht 67 Prozent der Bevölkerung misstrauisch. 79 Prozent verlieren angesichts der Vielzahl der Claims sogar den Überblick. Dennoch kaufen 55 Prozent lieber Produkte mit grünen Werbeversprechen als vergleichbare ohne. Je nachhaltigkeitsorientierter die Konsumenten sind, umso größer ist ihre Aufmerksamkeit und Wertschätzung für umweltbezogene Aussagen. Umso größer ist bei ihnen aber auch die Skepsis, inwieweit man den grünen Versprechen vertrauen kann.
Sechs verschiedene Nachhaltigkeitstypen
Herzstück der Utopia-Studie ist eine detaillierte „Typologie des nachhaltigen Konsums“ unter Deutschlands Verbraucherinnen und Verbrauchern: Es konnten sechs Nachhaltigkeitstypen identifiziert und charakterisiert werden. Darüber hinaus wurden ihre Anteile in der Gesamtbevölkerung ermittelt:
- Konsequente (11 Prozent der Gesamtbevölkerung)
- Green Shopper (16 Prozent)
- Bedächtige (17 Prozent)
- Gelegentliche (19 Prozent)
- Gleichgültige (19 Prozent)
- Ablehnende (18 Prozent)
Konsequente, Green Shopper und Bedächtige sind besonders nachhaltigkeitsaffin und stellen zusammen 44 Prozent der Bevölkerung ab 18 Jahren, das sind mehr als 30 Millionen Menschen. Sie haben ein hohes Problembewusstsein und sind bereit, für Nachhaltigkeit und Klimaschutz auch Mehraufwand und höhere Preise in Kauf zu nehmen. Den 19 Prozent Gelegentlichen ist Nachhaltigkeit zwar wichtig, aber sie sind eher wechselhaft und opportunistisch. Wenn nachhaltiger Konsum nicht einfach und kostengünstig ist, verlieren sie das Interesse. Die 19 Prozent Gleichgültigen stehen für einen Typ, der Nachhaltigkeit und Klimaschutz zwar wahrnimmt, sich im persönlichen Konsumverhalten aber weniger aktiv dafür einsetzt. Die 18 Prozent Ablehnenden zeigen ein markantes Desinteresse an nachhaltigem Konsum, gepaart mit einer sehr skeptischen Haltung gegenüber der Einflussnahme des Staates.
Nachhaltigkeit als Spiegelbild für die Spaltung der Gesellschaft
Die Gegensätze in den Einstellungen zu Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Umwelt sind sehr ausgeprägt. Die Gesellschaft ist auch bei diesen Themen polarisiert. Eklatant sind die Unterschiede zwischen den drei nachhaltigkeitsaffineren und den drei weniger nachhaltigkeitsaffinen Typen. So blicken 97 Prozent der Konsequenten wegen des Klimawandels sorgenvoll auf die Zukunft des Planeten, bei den Ablehnenden sind es nur 17 Prozent.
Große Unterschiede in den nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen gibt es aber auch zwischen Jung und Alt, Stadt und Land, West- und Ost-Bundesländern sowie abhängig von Bildungsgrad oder Einkommen. Während Jung und Alt beim nachhaltigen Konsum noch viele Gemeinsamkeiten aufweisen, sind sie bei klimapolitischen Fragestellungen oft unterschiedlicher Meinung.
Mehr Engagement von Unternehmen erwartet
Zusätzlich zur Repräsentativbefragung wurde unter den Nutzern von Utopia, bei denen nachhaltigkeitsaffine Menschen in der Mehrheit sind, eine Umfrage mit weiteren Fragen durchgeführt. 8.724 Menschen nahmen an der Onlinebefragung teil. Ein darin behandelter Fragenkomplex betrifft ihre Einstellungen zu Unternehmen.
85 Prozent der Nutzer und Nutzerinnen von Utopia haben den Eindruck, dass Unternehmen ihrer Verantwortung in puncto Nachhaltigkeit nicht gerecht werden. Und zwei Drittel sind der Ansicht, dass Unternehmen sich vor allem auf „Druck von außen“, nicht aber aufgrund eigener Überzeugungen für Nachhaltigkeit engagieren. Ähnlich groß ist die Ambivalenz in Bezug auf die Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen. 80 Prozent der Utopia-Befragten begrüßen es, wenn Unternehmen über Nachhaltigkeit kommunizieren. Gleichzeitig zeigen sich 67 Prozent misstrauisch, dass gerade so viele Unternehmen mit Klimaschutz- und Umwelt-Themen werben.
Fazit der Utopia-Studie 2024
Utopia-Geschäftsführerin Dr. Meike Gebhard kommentiert die Studienergebnisse 2024 folgendermaßen: „Nachhaltigkeit ist stabil genug in der Gesellschaft verankert, um sich auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu behaupten. Fast jeder zweite Konsument hat schon heute eine große Nähe zu nachhaltigem Konsum. Das ist eine solide Basis, die sich in den kommenden Jahren weiter verbreitern wird. Denn mit den jüngeren Generationen wächst eine neue Käuferschicht heran, für die ein nachhaltiger Lebensstil längst eine Selbstverständlichkeit ist. Hier liegen für Unternehmen Chance und Verpflichtung zugleich, um nachhaltigen Konsum bezahlbar zu gestalten, damit Konsumentinnen und Konsumenten, die wollen, es auch weiterhin können“.
Weitere Informationen: unternehmen.utopia.de/utopia-studie-24