Außer-Haus-Markt

Im Interview mit dem studierendenWERK BERLIN: „Wenn wir wollen, dass weniger Fleisch gekauft wird, müssen wir auch weniger Fleisch anbieten“

Das studierendenWERK BERLIN ist mit über 1.000 Beschäftigten als Dienstleister für mehr als 170.000 Studierende und 20 Hochschulen tätig. Das studierendenWERK betreibt mittlerweile 55 Mensen und Coffeebars in Berlin und versorgt so über 35.000 Gäste täglich.

Als sozialer Dienstleister im Bereich Verpflegung setzt das studierendenWERK seinen Fokus auf ein ausgewogenes und preiswertes Angebot und verfolgt ein umfassendes Nachhaltigkeitsprogramm. Der Anteil an tierischen Produkten am Menüangebot ist über die letzten Jahre deutlich zurückgegangen und der Anteil pflanzenbasierter Speisen soll auf 90% ausgeweitet werden.

Wie dieses Konzept bei den Studenten ankommt und wie auch anderen Anbieter der Umstieg auf mehr tierfreie Verpflegung gelingt, verrät uns im Interview Jens Grabig, der Bereichsleiter Mensen beim studierendenWERK Berlin.

Herr Grabig, das Berliner Studierendenwerk hat seine Mensen weitgehend auf pflanzliche Speisen umgestellt. Wie kam es dazu und wie verlief der Prozess in den letzten Jahren?

Unser Ziel war es, die Mensen zukunftsorientiert aufzustellen und mit einem deutlich überwiegend vegan/vegetarischen Angebot, den Kundenwünschen der heutigen Studierendengeneration noch mehr gerecht zu werden, auch in dem Hinblick, dass unsere Gäste von heute die Entscheider von morgen sind.

Die Neu-Ausrichtung des Speiseplans hieß: 90% vegetarisch/vegane Gerichte in der Mensa als Standardangebot. Zusätzlich wollten wir mit dem neuen Speiseplan einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten. Der Wunsch nach veganem und vegetarischem Essen steigt stetig an, gleichzeitig ist wissenschaftlich bewiesen, dass die massenhafte Tierzucht wesentlich zur Klimabelastung beiträgt und enormer Handlungsbedarf besteht. Das gab uns dem Impuls zum Handeln.

Eine eigene Umfrage ergab außerdem, dass derzeit 14 Prozent der Studierenden Veganer und weitere 33 Prozent Vegetarier sind. Somit war klar, dass sich dieser Trend weiter fortsetzt. Die Speisebetriebe, als Initiator der Marketingmaßnahme, wollen den Trend weiter unterstützen und haben auch aus diesem Impuls heraus das Projekt gestartet.

© Mara Zemgaliete – stock.adobe.com

Welche Herausforderungen und Learnings gab es bei der Umsetzung des veganen Speiseangebots? 

Das Projekt umfasste die drastische Reduzierung des Fleischangebotes und die weitere Erhöhung des veganen und vegetarischen Anteils in allen Mensen. Lag 2019 der Anteil des Angebots an veganen/vegetarischen Speisen noch bei circa 60%, so liegt er jetzt im neuen Speiseplan bei circa 90%. In unserem Speiseplan ist jetzt jeder Montag ausschließlich vegan und vegetarisch. Dienstag und Donnerstag wird ein regionales oder nachhaltiges Fleischgericht und am Freitag ein Fischgericht aus nachhaltiger Fischerei im subventionierten Standardangebot angeboten. Zusätzlich werden an den Aktionsständen auch Fleischgerichte in hoher Qualität angeboten. Alle anderen Speisen sind vegan oder vegetarisch.

Wenn wir wollen, dass weniger Fleisch gekauft wird, müssen wir auch weniger Fleisch anbieten. Voraussetzung ist, dass die fleischlosen Gerichte so attraktiv und abwechslungsreich sind, dass der Gast gerne das vegane oder vegetarische Gericht einem Fleischgericht vorzieht. Daher wurde auf gute vorhandene Rezepturen zurückgegriffen. Zusätzlich wurden viele neue vegane und vegetarische Rezepte in den neuen Speiseplan aufgenommen.

Das neue Ernährungskonzept startete dann am 18.10.2021. Die Arbeitsgruppe Speiseplan, bestehend aus drei Mensaleitern und einer Köchin, erstellte einen neuen Rasterspeiseplan für 6 Wochen. Sie verwendeten zu 90% vorhandene und neue vegane/vegetarische Rezepturen. Neue Rezepturen wurden vorher Probe gekocht. Der Einkauf war auch beteiligt. Er musste neue Verkaufsgebinde für die veganen/vegetarischen Gerichte anlegen. Auf Grund dieser Verkaufsgebinde kann der prozentuale Abverkauf ermittelt werden. Da sich alle Mensen im Lockdown befanden, gab es keine zusätzlichen Personalkosten. Die Mitarbeiter hatten vorübergehend einen neuen Arbeitsinhalt. Der Zeitumfang umfasste circa ein halbes Jahr.

© barmalini – stock.adobe.com

Wie hoch ist der Anteil an veganen Speisen in Relation zu allen verkauften Speisen?

2022 boten wir 510 Gerichte in einem 6-wöchigen Speiseplanraster an. Davon waren 347 Gerichte vegan (69%), 145 Gerichte vegetarisch (28%) und 18 Gerichte mit Fleisch und Fisch (3%).

Abverkauft wurden 2022 zu 75% vegane, 16% vegetarische und 9% Fleisch und Fischgerichte. Von Januar 2023 bis Ende Mai 2023 wurden 76% vegane, 17% vegetarische und 7% Fleisch- und Fischgerichte abverkauft.

Ziel der Umstellung, war es auch, den CO2-Fußabdruck der Mensen zu senken. Wie viel CO2 konnte bisher durch die Reduktion von Tierprodukten eingespart werden? 

Darüber haben wir keine genauen Zahlen. Seit Mai 2022 lassen wir für unsere Speisen einen ökologischen Fußabdruck durch die Firma Eaternity berechnen. Von Mai 2022 bis April 2023 haben wir Speisen mit einem ökologischen Fußabdruck von 2162 Tonnen CO2 produziert. Die tatsächliche Einsparung können wir nicht nennen, denn die Umstellung erfolgte ja bereits im Oktober 2021. Aber es ist ja ausreichend bekannt, dass die Produktion von Fleisch einen sehr hohen ökologischen Fußabdruck mit sich bringt, gefolgt von Milch und Butter. Bei einem Abverkauf von 75% veganen Speisen, liegt eine enorm hohe Einsparung von CO2 auf der Hand.

Welche veganen Gerichte oder Komponenten kommen besonders gut an?

Der Abverkauf ist von Mensa zu Mensa unterschiedlich. Gut laufen aber das vegane Weizen-Eiweiß-Schnitzel, die vegane Ebly Pfanne, Nudeln mit veganer Bolognaise, vegane Hackrolle mit Weizen-Eiweiß und die Glasnudelpfanne mit Sojastreifen.

© Jacob Lund – stock.adobe.com

Was sind im Hinblick auf Menügestaltung und Prozesse Ihre wichtigsten Tipps, um das Angebot einer Kantine erfolgreich auf ein pflanzlicheres Angebot umzustellen? 

In erster Linie den Mut zum Risiko – gepaart mit abwechslungsreichen guten veganen/vegetarischen Rezepten. Fleischesser sind sehr kritisch und müssen oft von einem guten veganen oder vegetarischen Gericht überzeugt werden. Wenn eine Kantine das Fleischangebot drastisch reduziert und die Mittagspause begrenzt ist, wird oft auf ein gutes pflanzliches Gericht zurückgegriffen. Auch der Preis ist entscheidend und ein Fleischgericht ist in der Regel bei uns teurer als ein veganes oder vegetarisches Gericht. Das liegt schon alleine am hohen Einkaufspreis für Fleisch.

Welche Rahmenbedingungen sind aus Ihrer Sicht erforderlich, damit noch mehr Mensen und Kantinen auf pflanzliche Angebote setzen? Wie können beispielsweise politische Akteure oder der Großhandel unterstützen?

Es sollten bei der Preisfestsetzung die tatsächlichen Wareneinsätze zugrunde gelegt werden. Eine Quersubventionierung ist nicht hilfreich. Politisch wäre es hilfreich, wenn Kantinen des öffentlichen Dienstes eine Vorschrift erhalten, z.B. wieviel Prozent des Angebots noch Fleisch enthalten darf.

Mit der Veggie 2.0 wurde 2019 Berlins erste rein vegane Mensa eröffnet. Wie wird das Angebot angenommen?

Sehr gut. Es gab keine Beanstandungen und auch in der Veggie 2.0 werden sehr abwechslungsreiche vegane Gerichte angeboten. Im Übrigen präsentiert sich auch die Mensa Süd mit einem rein vegan/vegetarischen Angebot.

Was hat sich in Bezug auf das vegane Angebot bei der Gästekommunikation bewährt?

Wir können jetzt schon sagen, der neue Speiseplan wurde sehr gut angenommen. Es gab viel positives mündliches Feedback und mediale Resonanz anderer Studierendenwerke, die unserem Beispiel folgen wollen. Wir haben Anfragen von anderen Universitäten außerhalb Berlins erhalten, die auch Interesse an einer Umstellung haben. Auch wurden wir zur Internorga eingeladen, um das Konzept vorzustellen.

Nach der Wiedereröffnung (nach Corona) kommen unsere Gäste aufgrund unseres attraktiven und vielfältigen Angebots wieder gerne in unsere Mensen. Durch die Speiseplan Umstellung hat sich das Image des StudierendenWERK Berlin mit seinen Mensen als moderner GV-Verpfleger verbessert. Wir sind nun gut gerüstet für die Zukunft einer gesunden Ernährung mit einem sehr hohen veganen und vegetarischen Anteil und haben jetzt schon den Stand laut Studie des WWF „Zukunft Szenario 2050-DEIN ESSEN VON MORGEN“ erreicht. Durch den messbaren hohen Abverkauf leisten wir weiter einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz. Das kommunizieren wir mit der Fachpresse, Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung und Studierenden. Erkennen können Sie unser veganes Angebot an dem Icon „goldene Ähre auf grünem Hintergrund“ auf unseren Speiseplänen im Internet und auf den Bildschirmen über unseren Ausgaben.

Herr Grabig, vielen Dank für das informative Gespräch.

 

Weitere Informationen zum studierendenWERK BERLIN und dem Menüangebot der Mensen finden Sie unter www.stw.berlin.

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