Interviews

Im Interview mit fungtional.bio: „Fermentation ermöglicht sowohl eine kostengünstigere als auch nachhaltigere Produktion“

Das Early-Stage BioTech-Startup fungtional.bio mit Sitz in Berlin und München hat sich auf Lösungen für Herstellungsmethoden der mikrobiellen Fermentation spezialisiert. Das Startup hat sich als Akteur in der Schnittstelle von Biologie, Bioinformatik und Deep Learning positioniert und verfolgt die Mission, die Gesellschaft beim Übergang zu nachhaltigen Nahrungsquellen durch Biotechnologie zu unterstützen.

fungtional.bio möchte die Billionen-Dollar-Bioökonomie erschließen, indem das Startup mit Foundation Models für mikrobielle Fermentationssysteme zahlreiche Vorhersageherausforderungen löst, beginnend mit der Nährmedienoptimierung. Phänotypische Screening-Experimente erlauben es fungtional.bio nach eigenen Angaben kosteneffizient „Virtuelle Zellen“ zu entwickeln, die akkurat das Verhalten ihrer physikalischen Manifestation simulieren.

Wir sprachen im Interview mit Martin Patz, dem Co-Founder von fungtional.bio, und wollten mehr über das noch junge Startup und seine Lösungsansätze erfahren.

Herr Patz, sie betonen die Effizienz und Nachhaltigkeit der Fermentationstechnologie. Könnten Sie Beispiele dafür geben, wie fungtional diese Technologie einsetzt, um alternative Proteinquellen zu entwickeln?

fungtional.bio entwickelt eine Plattform, auf der mikrobielle Fermentationsprozesse simuliert werden können, insbesondere mit einem Fokus auf die Nährmedienauswahl. Damit können unsere Kunden Fermentationsprozesse wesentlich schneller entwickeln und so nachhaltigere und effizientere Produktionsmethoden schneller in großem Maßstab in die Märkte einführen.

Zum Beispiel wollen Kunden oft von dem Nährmedium Glukose, das trotz hoher Kosten, aber wegen der einfachen Handhabung in der Frühentwicklung populär ist, zu einem kostengünstigeren und nachhaltigeren Medium wechseln. Der klassische Ansatz, ein neues Nährmedium zu finden, dauert bis zu einem Jahr und ist oft dominiert durch iterative und Labor-gestützte Experimente und deshalb langsam und kostspielig. Zukünftig wird ein Großteil dieser Experimente mit unserer Plattform digital durchgeführt (Vorhersage) und nur noch am Ende physikalisch im Labor validiert. So kann diese Phase in wenigen Wochen abgeschlossen werden.

Künstliche Intelligenz spielt eine zentrale Rolle in Ihrem Ansatz zur Entwicklung von Nährmedien. Wie genau unterstützt KI den Entwicklungsprozess bei fungtional, und welche Vorteile bestehen gegenüber traditionellen Methoden?

Künstliche Intelligenz ist neben dem Hochdurchsatz-Screening ein technologischer Grundpfeiler in fungtional.bio’s Lösung. Das Verhalten von Mikroben ist sehr komplex und nicht trivial zu beschreiben oder aus Daten abzuleiten. Mit KI sind wir nun in der Lage, solch komplexe Systeme zu verstehen und damit zu modellieren.

Der große Vorteil gegenüber klassischen Methoden ist, dass mit jeder weiteren Modellierung und mit mehr Daten die Vorhersagegenauigkeit steigt, aber der manuelle Aufwand in der Herstellung sinkt! Wir können so immer bessere Simulationsmodelle (Virtuelle Zellen) immer günstiger anbieten.

fungtional.bio logo
© fungtional.bio

Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell in der Skalierbarkeit der Produktion von Proteinen durch Fermentation? Wie adressiert fungtional diese Herausforderungen?

Das Ziel der Skalierung ist die Reduktion von Kosten. Im komplett skalierten Endzustand sind die Produktionskosten gleich den Kosten der Eingangswarenströme. Die Kosten für das Nährmedium können dabei bis zu 60 % betragen. Die Suche nach kostengünstigen Nährmedien ist daher essentiell, um Kostenparität mit den gängigen, nicht nachhaltigen Produktionsmethoden zu erreichen.

fungtional.bio hilft dabei, Nährmedien zu finden, die nicht nur biologisch kompatibel mit dem Fermentationsprozess sind, sondern auch zu einem attraktiven Preis und in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung stehen.

Welche politischen Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach notwendig, um Fermentationstechnologie zu fördern?

Große bürokratische Hürden in der Zulassung von Produktionsmethoden, die auf genetisch modifizierten Organismen beruhen, schrecken sowohl Investoren als auch Gründer und Gründerinnen ab. Schnellere und transparentere Genehmigungsverfahren würden die Planungssicherheit erhöhen, ohne das Risiko einer Fehlbeurteilung zu erhöhen.

Fermentation ermöglicht sowohl eine kostengünstigere als auch nachhaltigere Produktion. Um gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen zu schaffen, sollten wir weitere Schritte in die Richtung gehen, in der Nachhaltigkeitsaspekte eingepreist sind.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Chancen und Herausforderungen für die Food Industrie bei der Nutzung neuer, fermentierter Proteinquellen/Ingredients?

Die größte Herausforderung, auf die wir als Technologieunternehmen am wenigsten Einfluss haben, ist das Kaufverhalten der Kunden. Kunden werden neues mit altbekanntem vergleichen. Wir glauben, die größte Chance bei diesem Wandel ist nicht bei dem Ziel, reine Ersatzstoffe bereitzustellen, stehenzubleiben, sondern Lebensmittelkreation kreativ ganz neu zu betrachten. Wir freuen uns auf eine Zukunft, in der wir Lebensmittel konsumieren, die besser schmecken und nahrhafter sind, aber mit traditionellen Zutaten nicht realisierbar waren.

Herr Patz, wir bedanken uns für das Gespräch.

Martin Patz wird auf dem German Fermentation Summit, am 18. April 2024, zum Thema „KI-gestützte Entwicklung von Nährmedien“ sprechen. Mehr dazu unter: foodcampus.berlin/fermentation-summit-2024

Weiter Informationen: fungtional.notion.site

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