RESPECTfarms hat die Vision, der erste Bauernhof weltweit zu sein, auf dem Fleisch direkt von Tierzellen kultiviert wird. RESPECTfarms möchte allen Landwirten zukünftig dabei helfen, ihre Geschäftsmodelle weiter zu diversifizieren, um von den ökonomischen, ökologischen und sozialen Vorteilen von kultiviertem Fleisch zu profitieren.
Wir wollten mehr über dieses zukunftsweisende Projekt erfahren und sprachen im Interview mit RESPECTfarms Mitgründerin Florentine Zieglowski.
Frau Zieglowski, RESPECTfarms möchte der erste Landwirtschaftsbetrieb für kultiviertes Fleisch weltweit werden. Was hat Sie dazu bewogen, sich der zellulären Landwirtschaft zuzuwenden?
RESPECTfarms ist aus der weltweit ersten öffentlich finanzierten Forschung zu kultiviertem Fleisch entstanden, die 2002 begonnen hat. Die Forschung wurde vom Vater meiner Partnerin Ira van Eelen geleitet, Willem van Eelen.
Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass kultiviertes Fleisch kein Konkurrenzmodell gegen die Landwirtschaft ist, sondern ein Modell für landwirtschaftliche Betriebe. Kultiviertes Fleisch hat dann über die Jahre aber eher Anklang im zentralisierten Ansatz gefunden. Auf Basis unterschiedlicher Studienergebnisse und der Tatsache, dass sonst niemand den Weg der dezentralen Produktionsweise gegangen ist, haben wir uns gegründet.
Wie sind Sie persönlich zu dem Thema gekommen? Was ist Ihr Background?
Ich habe mich schon früh, auch innerhalb meines Studiums, mit Nachhaltigkeit und Zukunftstechnologien auseinandergesetzt. Lust an einer nachhaltigen Zukunft mitzuwirken haben viele, so auch ich. Und vor Jahren habe ich aus ökologischen Gründen aufgehört, Fleisch zu essen. Aber irgendwie war das nicht genug, der Verzicht. Ich wollte aktiv etwas schaffen, das etwas bedeutet. Und sicherlich bin ich mit 27 Jahren noch jung, aber selbst ich weiß, dass Zeit begrenzt ist und man besser heute Wandel bewirkt als morgen.
Mein Onkel kommt selbst aus der Landwirtschaft, das Thema und die gesamte Problematik habe ich also schon früh mitbekommen. Und dann war ich einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ein paar Leute haben mir eine Chance gegeben, Teil von RESPECTfarms zu werden. Manchmal hat man einfach ein Gefühl, wenn etwas das Richtige ist.
Als ich dann aber in den Niederlanden war, habe ich gesehen, wie weit andere Länder sind und wo wir eigentlich in Deutschland stehen. Aufgrund der vielen Herausforderungen und Notwendigkeiten in der Politik bin ich General Managerin bei CellAg Deutschland e.V. Wir setzen uns als Non-Profit Organisation für die Beschleunigung dieser Transformation ein, engagieren uns aktiv für öffentlich zugängliche Forschung, Wirtschaftsförderung oder die Vereinfachung der Regulatorik. Sagen wir mal so: es gibt viel zu tun und deswegen bin ich wohl hier.
Im September 2022 habt ihr die Arbeit als internationales Forschungsprojekt aufgenommen. Was ist seitdem passiert?
In fünf Monaten ist viel passiert. Wir haben den weltweit ersten Visionsfilm veröffentlicht, wie Landwirtschaft in Zukunft aussehen kann: nämlich zellulär. Wir haben für unser Projekt ein Konsortium mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette gegründet, da auch andere Unternehmen daran interessiert sind, Pionierarbeit zu leisten und sich um die Zukunft unseres Ernährungssystems zu kümmern. Andere Partner sind dabei, weil sie „die Ersten“ sein wollen. Dementsprechend haben wir Rügenwalder Mühle zum ersten Mal in der Geschichte davon überzeugt, mit uns in Richtung zelluläre Landwirtschaft zu gehen und auch die Schweizer Agrargenossenschaft fenaco ist erstmals für ihre Landwirte und Landwirtinnen mit dabei.
Man könnte sagen, wir sind in den letzten Monaten damit sehr europäisch geworden, was mich persönlich ganz besonders freut. Außerdem haben wir jetzt das Funding für die Forschungsstudie zusammen. Mit dem Funding von der Europäischen Union, dem niederländischen Ministerium für Landwirtschaft und Industriepartnern investieren wir rund 900.000 EUR in die Forschung. Ganz besonders stolz bin ich nun auch, dass wir unsere ersten drei Forscher angestellt haben.
Im Januar 2023 startete eine Machbarkeitsstudie. Welche Erkenntnisse soll die Studie liefern?
Wir erforschen die Bereiche Biopsie, Biomasse und Bioreaktor, spezifisch für den Standort „landwirtschaftlicher Betrieb“. Wir bringen die Technologie aus dem Labor in die dezentralen Produktionsstätten, alles verbunden mit einem geeigneten Geschäftsmodell für die Betriebe, innerhalb eines zirkulären Systems und mit kurzen Wertschöpfungs- und Transportketten.
Wie ist die Resonanz auf Ihr Projekt? Wie reagieren Fleischindustrie und Landwirte auf das Projekt?
Die Resonanz fällt bisher positiv aus. Wir machen bereits Studien zur Akzeptanz von Landwirtinnen und Landwirten. Die ersten Ergebnisse in den Niederlanden sehen vielversprechend aus, was den Willen der Landwirtschaft angeht. Diese Studien werden wir in Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Belgien noch ausbauen.
Letzte Woche bin ich bei der DLG-Wintertagung 2023 aufgetreten. Aufgrund des Interesses mussten sogar zwei Räume zusammengetragen werden. Landwirtinnen und Landwirte sind kritisch und das ist auch gut so. Ich wurde beispielsweise im Anschluss an meinen Vortrag von einem Landwirt gefragt, wie das genau im Bereich Biomasse oder konkret bei der Produktion aussieht. Ich habe dann gefragt, ob er glaubt, dass er dazu nicht in der Lage sei, kultiviertes Fleisch zu produzieren. Seine Antwort: „Das habe ich nicht gesagt. Ich möchte wissen, wie ich das künftig machen kann.“ Und das ist ein Paradebeispiel für die Antwort auf diese Frage sowie der Grund, warum RESPECTfarms existiert. Wir kümmern uns um das „Wie“.
Welche Auswirkungen wird die zelluläre Landwirtschaft auf die traditionelle Landwirtschaft haben?
Ich gehe von großen Auswirkungen für die konventionelle Landwirtschaft aus, genauso groß wie die Auswirkungen in verschiedenen Industrien und Transformationen in der Geschichte auch. Bis 2040 sollen etwa 5 % der landwirtschaftlichen Betriebe zellulär sein. Das sind Millionen Betriebe.
Wir beschäftigen uns schon lange nicht mehr damit, ob zelluläre Landwirtschaft wirklich Anklang finden wird. Die Frage ist nur, wann das kommt und wer davon profitiert. Dementsprechend ist es wichtig, sich bereits jetzt damit auseinanderzusetzen, inwieweit man sich in eine sich bildende Industrie einbringen kann. Das wird vielversprechender, je früher man das tut.
Welche Rolle kann die zelluläre Landwirtschaft im Klimaschutz und der Agrarwende spielen? Wie würde der ideale Support aus der Politik aussehen?
Die zelluläre Landwirtschaft kann eine große Rolle im Klimaschutz und der Agrarwende spielen. Es wird zwischen 7-45 % weniger Energie benötigt, 78-96 % weniger Treibhausgasemissionen oder 82-96 % weniger Wasserverbrauch, je nach Produktvergleich. Und bei etwa 99 % weniger Flächenverbrauch könnten die Flächen beispielsweise ganz anders genutzt und Tiere anders gehalten werden.
Auf politischer Ebene wäre dies eine Möglichkeit, Ziele der Bundesregierung effektiver zu erreichen, wie beispielsweise 30 % Ökolandbau bis 2030. Doch um eine solche Transformation voranzutreiben, braucht es eine umfassende Wirtschaftsförderung.
Was die Transformation konventioneller Betriebe hin zu zellulären Betrieben angeht, sind Forschungsförderungen für Projekte wie RESPECTfarms notwendig. Bereits jetzt müssen die Weichen für zukünftige Förderungsprogramme gestellt werden. Es braucht in Zukunft klare Regulationen, Leitlinien und Genehmigungsbestimmungen für zelluläre Bauernhöfe. All das braucht Zeit. Daher sollte man früh mit der Arbeit beginnen und ich lade die Bundesregierung ein, das mit uns als CellAg Deutschland und RESPECTfarms zu tun.
Hinter RESPECTfarms steht ein 4-köpfiges Gründungsteam aus Wissenschaft und Wirtschaft. Inzwischen sind weitere Sponsoren und Partner involviert. Wer sind die Partner?
Ich bin sehr stolz auf mein Team. Wir alle sind Pioniere und ein bisschen verrückt. Man könnte sagen, das ist ein Kriterium, um Teil von RESPECTfarms zu werden. Als Forschungspartner haben wir Mosa Meat, Priva und einen Landwirt. Unsere Sponsoren sind u.a. der deutsche Lebensmittelproduzent Rügenwalder Mühle, die fenaco Genossenschaft aus der Schweiz, die niederländische Rabobank oder GAIA, eine belgische Tierrechtsorganisation.
Können sich weiterhin Unternehmen beteiligen? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Ja, es können sich weiterhin Unternehmen beteiligen. Voraussetzung ist ein finanzielles Commitment für das Projekt sowie Know-How, das wir noch nicht mit unseren Partnern abdecken und für unser Projekt relevant ist.
Frau Zieglowski, wir bedanken uns für das informative Gespräch.
Weitere Informationen zu RESPECTfarms finden Sie unter www.respectfarms.de und www.cell-ag.de.