BLUU Seafood hat sich der Entwicklung und Herstellung von kultiviertem Fisch verschrieben und hat jetzt offiziell die erste Pilotanlage in Europa in Betrieb genommen. Mit dem Umzug von Lübeck an den neuen Standort in der Marzipanfabrik in Hamburg-Altona verlässt das Start-up den Labormaßstab.
Das Unternehmen entwickelt und produziert auf rund 2.000 Quadratmetern vegane Fischprodukte. In den neuen Fermentern ist BLUU Seafood in der Lage, Muskel-, Fett- und Bindegewebszellen von atlantischem Lachs und Regenbogenforelle in deutlich größeren Mengen als bisher zu züchten.
Bei optimaler Temperatur sowie der entsprechenden Sauerstoff- und Nährstoffversorgung wachsen und teilen sich die tierischen Zellen genauso, wie sie es im lebenden Fisch auch geschieht. Die aus der Zellmasse entstehenden Fischprodukte wie beispielsweise Fischstäbchen oder Fischbällchen sind gentechnikfrei und im Gegensatz zu vielen wild gefangenen Fischen frei von Schwermetallen und Mikroplastik. Sie sollen konventionellen Produkten sowohl im Geschmack, Nährstoffgehalt als auch im Kochverhalten gleichen.
Die neue Anlage verfügt über eine derzeitige Gesamtkapazität von 65 Litern und einem Ausbaupotenzial von bis zu 2.000 Liter. Mit der damit einhergehenden Skalierung will BLUU Seafood den nächsten Schritt in Richtung industrielle Produktion gehen.
Innovative Wege in der Fischproduktion
Dr. Sebastian Rakers, Gründer und Geschäftsführer von BLUU Seafood, erklärt: „Mit den Möglichkeiten an unserem neuen Standort können wir die Entwicklung unserer Produkte weiter vorantreiben und den künftigen Markteintritt mit kultiviertem Fisch intensiv vorbereiten. Damit legen wir den Grundstein für die Belieferung erster Märkte. In Hamburg haben wir ideale Bedingungen, weiter zu wachsen und die Herstellungskosten kontinuierlich zu senken.“
„Wir werden nur dann einen echten Wandel zu mehr Nachhaltigkeit in unserer Ernährung erreichen, wenn Produkte auf Basis alternativer Proteine in größerer Stückzahl verfügbar und zugleich auch bezahlbar sind. Daran arbeiten wir bei BLUU“, betont Rakers. „Wenn die Skalierungsmöglichkeiten und Rahmenbedingungen stimmen, werden wir schon in drei Jahren in der Lage sein, kultivierten Fisch zu Preisen des Fischgroßhandels anzubieten. In dieser Entwicklung ist der neue Standort ein wichtiger Baustein.“
Momentan liegen die Kosten für die Produktion von kultiviertem Fisch zwar noch über dem Durchschnittspreis von Wild- und Zuchtfisch, doch mit wachsenden Kapazitäten soll sich das nach und nach ändern.
Obwohl sich kultivierter Fisch auf der Zellebene nicht von Wildfang oder Zuchtfisch unterscheidet, gilt er als neues Lebensmittel und wird in allen Märkten vor der Zulassung gründlich geprüft. In Singapur, in den USA und in Israel gibt es bereits erste Zulassungen für kultiviertes Hühnchen, Wachtelfleisch und Rindfleisch. Auch die Zulassungsbedingungen für kultivierten Fisch sind durch die zuständigen Behörden bereits definiert. Aus diesem Grund rechnet BLUU Seafood Anfang 2025 mit einer ersten Zulassung in Singapur. Die USA sowie die Europäische Union sollen folgen.
Bundesministerium fördert Forschungsvorhaben mit über 1,3 Mio. Euro
Ende letzten Jahres hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit BLUU Seafood 1,32 Millionen Euro für die Entwicklung zellbasierter Fischalternativen in Zusammenarbeit mit der Hochschule Reutlingen und der Universität Vechta investiert.
Dieses Projekt, welches über drei Jahre läuft, zielt darauf ab, durch die Nutzung von Fettzellen lachsartiger Fische, gesunde und nachhaltige Proteinquellen zu schaffen. Es soll eine Antwort auf globale Herausforderungen wie Überbevölkerung und Klimawandel bieten, indem eine umweltschonende Lösung für den Fischkonsum ohne Überfischung und Umweltbelastung entwickelt wird.
BLUU Seafood steuerte 760.000 Euro bei, wobei ein signifikanter Teil vom BMEL gefördert wurde. Die Forschung soll sich auf den Geschmack und Nährwert der Produkte konzentrieren.
„Die in-vitro Erzeugung von tierischen Proteinen zählt zu den großen Innovationen im 21. Jahrhundert. Wir brauchen in Deutschland zwingend mehr Grundlagenforschung und entsprechende Forschungsförderungen, damit wir den Anschluss halten können“, so Professor Nick Lin-Hi von der Uni Vechta
Weitere Informationen: bluu.bio