Pflanzliche Ersatzprodukte haben in den letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Was einst oft an püriertes Getreide erinnerte, ähnelt heute zunehmend dem, was es ersetzen soll: dem Fleisch. Geschmack, Konsistenz und Erscheinungsbild dieser Produkte haben sich einer breiteren, aber auch kritischeren Zielgruppe angenähert. Doch während die Produktqualität stetig steigt, wirken die Markenauftritte vieler Unternehmen wie ein Relikt aus der Zeit von Jägern und Sammlern, wobei letztere sich augenscheinlich eher angesprochen fühlen dürften.
Byron Sharp, Professor an der University of South Australia und Leiter des Ehrenberg-Bass Instituts für Marketingwissenschaften, das unter anderem mit globalen Konzernen wie Procter & Gamble, Unilever und Mondelez zusammenarbeitet, hat in seinem Buch „How Brands Grow“ sieben wesentliche Regeln für erfolgreiches Marketing definiert. Darunter die unumstößlichen Grundsätze „Werde bemerkt“, „Baue Speicherstrukturen auf“ und „Schaffe unverwechselbare Markenwerte“.
Ein Blick auf die Markenlandschaft vieler vegetarischer und veganer Fleischalternativen offenbart aber, dass viele Unternehmen, darunter teils große Namen, diese grundlegenden Regeln zu ignorieren scheinen.
Einschlägige Supermarktregale zeichnen ein Bild, gänzlich in Grün. Egal ob die Produkte von Beyond Meat, Garden Gourmet (Nestlé) und Rügenwalder Mühle stammen. Es wirkt, als hätte man sich darauf geeinigt, dass plant-based nur in Grün verpackt werden darf. Doch es endet nicht bei der Verpackung. Marken wie Greenforce, Green Mountain (Hilcona), Green Legend (PHW-Gruppe/WIESENHOF) oder Billie Green war die “pflanzliche Verpackung” nicht genug. Sie mussten ihre grüne Ausrichtung auch gleich in ihren Markennamen integrieren, als ob es das ausschlaggebende Verkaufskriterium sei.
Wer sich an dieser Monotonie noch nicht sattgesehen hat, wird schnell auf etwas Abwechslung stoßen, die sich letztendlich aber als ebenso eintönig erweist: dem initialen “V”, das je nach Marke für vegetarisch, vegan oder einfach nur veggie steht. Von Vantastic, Vegafit, über Veggie Life und Vegini, bis hin zu Vivera… an Beispielen mangelt es nicht.
So verständlich es ist, dass Marketingverantwortliche ihre Produkte durch diesen Auftritt mit Attributen wie gesund und nachhaltig verbinden wollen, so problematisch ist es, dass dadurch eine der wichtigsten Eigenschaften einer Marke ignoriert wird: die Einzigartigkeit.
Diese Eigenschaften mögen die Early Adopters der plant-based Kategorie überzeugt haben, doch um den Mainstream zu erreichen, bedarf es anderer Ansätze. Der durchschnittliche Konsument wird eher von Preis, Geschmack und Werbung beeinflusst als von vermeintlichen altruistischen Mehrwerten.
Das hat auch das US-Unternehmen Impossible Foods erkannt, das Ende letzten Jahres seinen Markenauftritt mit einem auffälligen „blutigen“ Rot, einen neuen Anstrich verlieh. Mit dieser Strategie zielt der US-Marktführer darauf ab, Fleischesser und Flexitarier anzusprechen, statt nur Veganer und Vegetarier.
Auch hierzulande gibt es Beispiele für etwas andere (und damit auffälligere) Marken. The Raging Pig Company, ein Hamburger FoodTech-Startup, das sich auf authentische Schweinefleischalternativen wie pflanzlichen Bacon und Bratwurst spezialisiert hat, fällt durch eine aufmerksamkeitsstarke und moderne Markenkommunikation auf, die eher an ein hippes Metzger-Startup als an pflanzliche Alternativen erinnert. Getreu dem Motto: Fleisch ist Fleisch, egal ob veggie oder nicht.
Doch nicht alle müssen gleich solch extreme Maßnahmen ergreifen. Marken wie Planted und „Like“ zeigen, dass ein Mittelweg ebenfalls dazu beitragen kann, sich von der Masse abzuheben. Letztendlich bringt es auch nichts, wenn sich alle Rot anmalen.
Entscheidend ist, dass sich Unternehmen und Markenverantwortliche jetzt damit auseinandersetzen, mit welchen Attributen sie ihre Marke aufladen müssen, um den nächsten Schritt in eine pflanzliche Zukunft zu gehen. Die Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit der Marke sind essenziell, um in einem wachsenden und zunehmend wettbewerbsintensiven Markt erfolgreich zu sein.
Unser Gastautor Philipp Wolf ist neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit im Private Label Marketing der REWE auch Gründer und Betreiber von swyytr.com, einem digitalen Food Hub, der relevante Themen des Lebensmittelsektors unter einem Dach vereint und in Form mehrerer Newsletter wöchentlich über Neuigkeiten und Trends berichtet.