Nach dem erfolgreichen Debüt des DIL Technology Day im letzten Jahr lud das DIL wieder Unternehmen und Experten aus der Lebensmittelindustrie nach Quakenbrück ein, um die Technologien für die Lebensmittel von morgen zu präsentieren. Auch viele regionale Firmen folgten der Einladung.
Im Juni versammelten sich rund 250 Experten und Branchenvertreter der internationalen Lebensmittelindustrie zum DIL Technology Day in Quakenbrück, um sich zwei Tage lang über aktuelle Technologien und zukunftsweisende Ideen auszutauschen.
Das Besondere an der Veranstaltung: Neben den Vorträgen namhafter Referenten und Referentinnen aus Industrie und Forschung konnten die Teilnehmer, die aus dem In- und Ausland angereist waren, Lebensmitteltechnik hautnah erleben – mehr als 25 verschiedene Aussteller waren mit ihren Produkten vertreten. Darunter fanden sich auch viele Firmen aus dem näheren Umkreis, etwa die REW Regenis aus Quakenbrück, Big Dutchman mit ihrer Marke Better Insect Solutions aus dem Oldenburger Münsterland oder die im Landkreis Osnabrück ansässige Leiber GmbH.
Zwei im Artland ansässige Unternehmen – Uhde High Pressure Technologies und Elea Technology – luden zur Besichtigung ihrer Produktionshallen ein. Zudem präsentierten die sechs Startups des in Quakenbrück angesiedelten Hightech-Inkubators Growhouse – Kynda Biotech, Bioweg, HS Tumbler, Engineered Food Solutions und Frudist – ihre Technologien und Produkte.
Neu auf dem Programm standen eine Paneldiskussion sowie eine Live-Produktion von Nassextrudaten. Erstmalig konnten die Teilnehmer auch die Insektenfarm des DIL besuchen.
Aktuelle Keynotes und Schwerpunktthemen bilden den Rahmen
Wie können sichere, gesunde und zugleich ressourcenschonende Lebensmittel hergestellt werden? Diese Frage bringe alle Teilnehmer des zweiten DIL Technology Day zusammen, so Dr. Volker Heinz, Geschäftsführer und Vorstand des DIL, in seiner Eröffnungsrede. Die Lebensmittelwissenschaft befinde sich als „Patchwork-Wissenschaft“ im Spannungsfeld vieler unterschiedlicher Disziplinen und die eine Antwort gäbe es nicht. Der DIL Technology Day solle aber dazu beitragen, neue, bessere Impulse für die Gestaltung unserer Ernährung zu geben und nimmt hierzu die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick.
Mit der Eingangsfrage hat sich auch Timo Recker, Geschäftsführer und Mitgründer von TiNDLE Foods, befasst. In der ersten Keynote des Tages präsentierte er die Entstehungsgeschichte von LikeMeat, der die Frage vorausging: Wie bringe ich Innovation in eine Schweineschnitzelfabrik?
LikeMeat (seit Kurzem LIKE) sei hinter der Rügenwalder Mühle mittlerweile die Nummer 2 am deutschen Markt für Fleischersatzprodukte. Von der Idee über den Kauf des ersten Extruders und die Gründung in 2013 bis zum Verkauf des Startups in 2019 sei es ein langer Weg gewesen. Seitdem hat Timo Recker zwei weitere Startups gegründet und einen Wechsel von Deutschland nach Singapur vollzogen, auch weil es auf dem asiatischen Markt kaum Wettbewerb gebe. Während es in 2019 / 2020 einen Peak bei Umsatz und Investitionen in Alternativprodukte gegeben habe, stagniere der Markt momentan; nur in Deutschland gäbe es noch eine gewisse Marktdynamik. „In 10 Jahren bei 10 % Marktanteil – dafür sollten wir kämpfen!“, so Timo Recker.
Prof. em. Dr. Hannelore Daniel von der TU München warf in ihrer Keynote einen Blick auf die aktuellen und kommenden Herausforderungen unseres Ernährungssystems. Wie gehen wir mit der wachsenden Weltbevölkerung, sinkenden Erträgen oder dem Klimawandel um? Lösungsansätze gebe es viele, Offenheit für neue Technologien und Rohstoffe sei essenziell. Ein Beispiel: Wenn in Deutschland 50 % weniger Fleisch und Milch hergestellt würde, wie könnte man das dann freiwerdende Grasland nutzen? Anbauflächen für Soja und andere Proteinpflanzen seien denkbar, ebenso die Wiedervernässung von Mooren, die CO2 binden, oder der Anbau von Mais, nicht aber als Futter-, sondern als Nahrungsmittel. Neue Technologien wie die In-vitro-Produktion tierischer Lebensmittel böten Potenzial, müssten unter dem Aspekt der Effizienz (Marktpreis inklusive!) aber immer auch kritisch hinterfragt werden. Schließlich werfe auch die neue DGE-Empfehlung Fragen auf, etwa danach, woher das Mehr an Obst und Gemüse kommen solle.
Künstliche Intelligenz im Ernährungssektor
Die erste Session des DIL Technology Day stand im Zeichen der Automatisierung. Jens Schröder, Leiter der gleichnamigen Abteilung am DIL, präsentierte, wie sich Prozesse im Agrifood-Bereich automatisieren lassen, betonte aber auch, dass oft nur Insellösungen bestünden, die schwer in andere Produktgruppen zu überführen seien. Momentan arbeite das DIL im Projekt Movi-Q an einem KI-System, das die Lebensmittelindustrie zukünftig produkt- und prozessübergreifend anwenden könne. Das Testfeld, dessen Entwicklung von der Landesinitiative Ernährungswirtschaft (LI Food) begleitet wird, wurde ebenfalls im Rahmen der Demonstrationen vorgeführt.
Dr. Henning Müller vom DFKI ergänzte in seinem Vortrag, dass Künstliche Intelligenz (KI) auch im Bereich des Pflanzenschutzes Anwendung finde. Schwierig sei es, Trainingsdaten – die Grundlage für maschinelles Lernen und KI – in diesem dynamischen Umfeld zu generieren. Abhilfe würden synthetische Trainingsdaten schaffen, so z. B. künstlich erzeugte Bilder.
In einer gemeinsamen Präsentation über den Einsatz von KI in einem Schlacht- und Zerlegebetrieb sprachen Bastian Kaes von Brand Qualitätsfleisch aus Lohne und Jörg Brezl von der Quakenbrücker SLA Software Logistik Artland. Herausforderungen wie dem steigendem Kostendruck oder Fachkräftemangel ließen sich mit vollintegrierten KI- Lösungen gerecht werden. So habe Brand die bisher subjektive Beurteilung des Kisteninhalts im Zerlegeausgang erfolgreich in eine automatische Artikelidentifizierung überführen können.
Proteine aus dem Bioreaktor
Alternative Proteine in zwei Akten – davon erzählte Hermann Sloot der Calysta Germany GmbH in der Session „Food Biotechnology“. Er gab einen kurzen Einblick in die Reise vom Startup in 2012 bis zum multinationalen Biotechunternehmen, das im kommenden Jahr bis zu 15.000 Tonnen Proteine durch Fermentation herstellen könne. Wichtig im Entwicklungsprozess und für den Erfolg am Markt seien vor allem Geduld und das richtige Timing.
Ebenfalls mit alternativen Proteinen befasste sich Wolfgang Kühnl, Geschäftsführender Gesellschafter der InFamily Foods Holding. Er gab einen Einblick in die „integrierte Proteinstrategie“ seines Unternehmens und legte den Fokus, wie sein Vorredner, auf zellbasierte Proteine, d. h. Eiweiße aus dem Bioreaktor. Was bei der sogenannten zellulären Landwirtschaft vor allem die Kosten treibe, seien die Wachstumsfaktoren im Nährmedium. Andererseits könne diese Art der Produktion auch zur Rohstoffsicherung beitragen.
Inhaltsstoffe im Visier, und die Zukunft unserer Ernährung
Die letzte Vortragsreihe an Tag eins begann mit Dr. Alain Graf von der Südzucker AG. Er legte den Fokus auf funktionelle Proteine und betonte die Rolle von texturierten pflanzlichen Inhaltsstoffen wie z. B. Weizenprotein bei der Entwicklung von Ersatzprodukten. Denn nicht nur der Preis beeinflusse, was wir (wieder)kaufen, sondern v.a. auch Geschmack und Textur. Interessant: Die Texturate seien schon heute günstiger als Fleisch; was den Preis treibe, seien die geschmacksgebenden Inhaltsstoffe.
Welcher Farbstoff eignet sich für welche Anwendung? Mit dieser Frage beschäftigte sich Britta Kieselbach, Anwendungstechnologin bei Oterra. Farben würden Emotionen wecken und die Kaufentscheidung signifikant beeinflussen. Die Wahl des richtigen Farbstoffs hinge von vielen Faktoren ab, darunter pH-Wert oder Fettgehalt, und schon die Wahl der Lichtquelle – Tages- oder Supermarktlicht? – ändere grundlegend die Farbwirkung.
Abends lud Dr. Volker Heinz im Artlandkotten zum Gespräch über die Zukunft unserer Lebensmittel. Gemeinsam mit Prof. em. Dr. Hannelore Daniel und Prof. Dr. Nick Lin-hi, Professor für Wirtschaft und Ethik an der Uni Vechta, ging Dr. Heinz der Frage nach, was es braucht, um die viel zitierte Transformation unseres Lebensmittelsystems zu erreichen. Die Biotechnologie biete viel ungenutztes Potenzial; menschliche Schutzmechanismen und die Angst vor dem Unbekannten, Komplexen, seien hingegen große Hemmnisse.
Tag 2: Mehr Nachhaltigkeit im Brauprozess und Innovationen im Extrusionsbereich
An Tag zwei stand die Verfahrenstechnik im Fokus. Jasmin Vollrath von Alfa Laval stellte die Konzentration von Bier als Möglichkeit vor, den CO2-Fußabdruck der Bierherstellung zu reduzieren und Kosten von bis zu 15 Euro pro Hektoliter einzusparen. Eine besonders geeignete Methode zur Abtrennung von Wasser sei die Membranfiltration, bei der Bierkonzentrat und reines Wasser zurückbleiben.
Auch im zweiten Vortrag stand das Bier im Mittelpunkt. Gemeinsam mit Johannes Martin und Dr. Gudrun Steinhage, beide von der NETZSCH Trockenmahltechnik GmbH, gewährte Dr.-Ing Tomas Kurz, Mitgründer der ProteinDistillery, einen Einblick in die Herstellung von veganem Protein aus Brauhefe, konkret aus den Reststoffen des Brauprozesses. Die komplexen Funktionen des so gewonnenen Proteins seien vergleichbar mit den Eigenschaften von tierischem Eiweiß und könnten Anwendung finden in Fleisch-, Milch- und Eiersatzprodukten.
Michael Hampf von der Three-Tec GmbH beendete die Vortragsreihe an Tag zwei und gab einen Überblick über die verschiedenen Dosier- und Mischanlagen im Extrusionsbereich. Extruder oder „kontinuierliche Mischer“ fänden Anwendung in vielen Bereichen der Lebensmittelproduktion und seien sogar für Röstprozesse geeignet.
Der Status quo bei den Umweltlabels und ein Ausblick auf die kommenden Jahre
Am Nachmittag diskutierten renommierte Expertinnen über das Thema Eco-Label. Moderiert von Dr. Mehmet Cicek, Technologie-Berater am DIL, diskutierten Cliona Howie, Geschäftsführerin des NGOs Foundation Earth, Stefanie Sabet, Geschäftsführerin und Leiterin des Brüsseler Büros der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie sowie Dr. Birgit Schulze-Ehlers, leitende Wissenschaftlerin an der Georg-August-Universität
Göttingen, aktuelle Hürden und mögliche Stellschrauben für die Einführung eines europaweiten Eco-Labels. Umweltkennzeichnungen gäbe es schon heute viele, was fehle, seien vor allem Standards und damit eine Vergleichbarkeit bei Methodik und Daten. Wichtig sei es auch, die Einstufung – Foundation Earth etwa hat einen Score von A+ bis G entwickelt – transparent und verständlich zu gestalten, sowohl für die Verbraucher als auch für die Unternehmen. Ein erster Schritt zu einem harmonisierten Kennzeichnungssystem, so das Panel, seien günstige, frei zugängliche Datenbanken, anhand derer zunächst die Umweltauswirkungen objektiv gemessen werden können.
„‚Technology for a changing World‘ – diesem Motto blieb der zweite DIL Technology Day treu und zeigte eindrucksvoll, welche Möglichkeiten die Lebensmitteltechnologie und vor allem die Zusammenarbeit von Forschern und Praktikern bietet. Die Veranstaltung wird nun regelmäßig neue Impulse für die Gestaltung unserer Ernährung geben und am 9. & 10. Juni 2026 wiederkommen. Bis dahin bleiben wir nicht untätig, sondern laden zu unserem neuen Format, der Insects Plus, am 12. & 13. Mai 2025 nach Cloppenburg ein“, so Institutsleiter Dr. Volker Heinz.
Weitere Informationen: dil-ev.de