Nachhaltigkeit

Strategien für fortschrittliche Lebensmittelproduzenten: Best Practices für pflanzenbasierte Nachhaltigkeitsinitiativen

Wo stehen traditionsreiche deutsche Lebensmittelproduzenten bei der Ernährungswende? Immer mehr etablierte Unternehmen erkennen das Potenzial und die Notwendigkeit, alternative Proteinquellen in ihre Produktpaletten aufzunehmen. Zwar wird der plant-based Markt in Deutschland und Europa sogar maßgeblich von Milch- und Fleischproduzenten vorangetrieben, die in den letzten Jahren zunehmend in pflanzliche Alternativen investieren, und trotzdem haben nur wenige dieser Unternehmen bislang konkrete Strategien zur gleichzeitigen Reduktion von tierischen Proteinen entwickelt. Stattdessen wird häufig die Haltung vertreten, dass „der Konsument entscheiden“ müsse oder dass eine Trennung von tierischen und pflanzlichen Angeboten erfolgen muss, ohne ein „Gegeneinander“ zu etablieren. Es stellt sich die berechtigte Frage, wie ernst die Hersteller es mit der Transformation wirklich meinen und warum viele Unternehmen das Potenzial nicht ausreichend nutzen. Denn es gibt eindeutig überzeugende Beispiele für den Erfolg, der mit diesen Strategien in Kombination mit preislich und geschmacklich überzeugenden Produkten erzielt werden kann.

Pflanzliche Strategien für eine zukunftssichere Unternehmensentwicklung

Wir werfen einen Blick auf namhafte deutsche Lebensmittelhersteller, die bereits mit gutem Beispiel vorangehen. Diese Unternehmen haben das Potenzial der Proteinumstellung als Teil ihrer CSR-Strategien erkannt und treiben den Wandel aktiv voran. Sie setzen verstärkt auf pflanzliche Rezepturen, während sie gleichzeitig konkrete Ziele für die Reduktion tierischer Zutaten formulieren. Sie verpflichten sich, Reduktionsstrategien für CO2-intensive tierische Zutaten zu entwickeln, sie widmen ihrem pflanzlichen Sortiment einen Fokus bei den Marketingaktivitäten und/oder kommunizieren die Vorteile pflanzenbasierter Ernährungsformen. Diese Unternehmen helfen damit nicht nur, eine nachhaltige Ernährungswende in Deutschland voranzutreiben, sondern stellen sich gleichzeitig zukunftssicher auf. Ihre Ökobilanzanalysen verdeutlichen, wie groß das Potenzial für die Nachhaltigkeitsstrategien von Lebensmittelherstellern durch die Umstellung auf pflanzliche Rezepturen sein kann.

Rügenwalder Mühle: Über 90 Prozent des Sortiments inzwischen vegan

Die Rügenwalder Mühle wurde 1834 als Fleischerei in Bad Zwischenahn gegründet und entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem führenden Unternehmen in der Fleischverarbeitung, bevor es im Jahr 2014 die ersten vegetarischen Alternativen zu Wurst auf den Markt brachte und damit den Beginn einer nachhaltigen Umstrukturierung einleitete. Dies war Teil einer strategischen Neuausrichtung, um auf die steigende Nachfrage nach fleischlosen Produkten zu reagieren und den wachsenden Trend hin zu pflanzlicher Ernährung aufzugreifen. In den Folgejahren wurde ein konkretes Zwischenziel formuliert und 2022 erreicht: „Wir haben unser Ziel für 2022 erreicht und 85 Prozent unserer Rezepturen sind nun vegan“.

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© Rügenwalder Mühle

Auch nach Erreichen dieses Ziels hat Rügenwalder Mühle das pflanzliche Sortiment stetig erweitert und liegt heute bei einem pflanzlichen Anteil von über 90 Prozent: „Wir haben kontinuierlich daran gearbeitet, unsere Rezepturen auf vegan umzustellen, sodass wir inzwischen bei einem Anteil von 91 % sind. Außerdem haben wir auch unsere neuen pflanzlichen Produkte der letzten Jahre direkt mit einer veganen Rezeptur gelauncht. Zu den CO2-Einsparungen durch die Umstellung von vegetarisch und vegan haben wir eine vergleichende Produktökobilanz exemplarisch an unserem Schinken Spicker durchgeführt.“

Grafik vergleichende ökobilanz für drei varianten des schinken spickers (vegan, vegetarisch, fleisch)
Vergleichende Ökobilanz für drei Varianten des Schinken Spickers, Emissionen je 80g-Packung in kg CO2-Äquivalenten, Screenshot von ruegenwalder.de vom 30.01.2025

Erstmals in der Branche stellte das Unternehmen die Umweltwirkungen von klassischen, vegetarischen und veganen Varianten eines Produkts (Schinken Spicker) einander gegenüber – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung bei den Verbraucher:innen. Neben dem Treibhausgasausstoß wurden auch weitere Umweltfaktoren wie der Wasserverbrauch und die Flächennutzung ermittelt. Die Ökobilanz zeigt für alle Faktoren eine klare Abstufung der Umweltbelastungen vom klassischen zum vegetarischen und veganen Produkt.

Griesson – de Beukelaer: „Auf dem Weg zum plant-based Unternehmen“

Die Wurzeln von Griesson – de Beukelaer reichen weit zurück: Edouard de Beukelaer begann 1850 in Belgien Kekse herzustellen und erfand 1870 den Doppelkeks, während Gottlieb Anton Gries 1892 in Deutschland mit der Produktion von Backwaren begann. 1999 fusionierte Griesson mit De Beukelaer zur Griesson – de Beukelaer GmbH & Co. KG. Viele Jahre und Produktentwicklungen später wurden 2021 die Knusperbrote von LEICHT&CROSS auf vegane Rezepturen umgestellt und 2023 mit Cereola das erste rein pflanzliche Produkt gelauncht und als vegan vermarktet.

Mit seiner Nachhaltigkeitsbroschüre veröffentlichte Griesson – de Beukelaer im Juni 2024 die Entwicklung im Nachhaltigkeitsmanagement für das Jahr 2023 und kündigte für die Zukunft konkrete Ziele für die Umstellung der Produkte auf pflanzliche Rezepturen an. „Genuss steht bei uns immer an oberster Stelle. Unser Genuss soll auch nachhaltig sein und deshalb arbeiten wir daran, die Hälfte unserer Produkte, gemessen an der Gesamtproduktion, bis Ende 2026 auf rein pflanzliche Rezepturen umzustellen. Auch wenn die CO2-Reduktion eines einzelnen Produktes durch den Ersatz von ei- und milchhaltigen Rohstoffen nur gering ausfällt, so zählt in der Summe jede Tonne CO2, die wir einsparen“, hieß es vom Unternehmen.

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© Griesson – de Beukelaer

Ein Beispiel, wie vegane Rezepturen und Innovationen zur Reduzierung von CO2-Emissionen beitragen können, ist Cereola mit ChoViva: Durch den Verzicht auf Kakao- und Milchprodukte reduziert sich im Vergleich zu der Variante mit Milchschokolade der CO2-Fußabdruck um 25 Prozent. Diese Berechnung beinhaltet alle Emissionen, die über den gesamten Produktlebenszyklus anfallen bei Zutaten, Verpackung, Produktion, Lieferung bis hin zur Entsorgung.

Die Einführung der veganen Variante der traditionsreichen Prinzenrolle, die seit Herbst 2024 zum gleichen Preis wie die nicht vegane Variante erhältlich ist, unterstreicht den angestrebten Wandel. Das Unternehmen selbst teilte kürzlich mit, mit der Umstellung des Doppelkeks- und Cookies-Portfolios auf pflanzenbasierte Rezepturen einen wichtigen Meilenstein erreicht zu haben: „Wir liefern, was wir versprechen“, sagt Dany Schmidt. „Auf unserem Weg zu einem ‚plant based‘ Unternehmen arbeiten wir an der ständigen Verbesserung unserer Rezepturen und legen dabei den Fokus immer auf Geschmack und Qualität unserer Produkte. Mit der Rezeptur-Umstellung produzieren wir nun insgesamt 50 Prozent unseres Volumens pflanzenbasiert.“

FRoSTA: „Wir verzichten auf Fleisch, nicht auf Geschmack“

FRoSTA wurde 1961 von Dirk Ahlers in Bremerhaven gegründet und etablierte sich zunächst als Anbieter von Tiefkühlfisch. Im Laufe der Jahre erweiterte das Unternehmen sein Sortiment um Tiefkühlfertiggerichte, Gemüse und Obst.

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© FRoSTA Tiefkühlkost GmbH

FRoSTA machte bereits 2012 die ersten Schritte bei der Veggie-Produktentwickling und brachte vegetarische Tiefkühlfertiggerichte auf den Markt. Damals stellte das Unternehmen vier vegetarische Gerichte vor, die in Zusammenarbeit mit dem Vegetarierbund Deutschland (heute ProVeg Deutschland e.V.) entwickelt wurden. Seitdem hat FRoSTA sein pflanzenbasiertes Sortiment kontinuierlich erweitert und bietet heute eine Vielzahl von veganen Tiefkühlprodukten an – auch für den Außer-Haus-Markt.

Im Nachhaltigkeitsbericht 2020 der FRoSTA AG hat das Unternehmen das Ziel formuliert, den Gesamtfleischgehalt aller Produkte bis 2022 um 20 % zu reduzieren. Ebenfalls 2020 erzielte FRoSTA die höchste Punktzahl bei der ATLAS Challenge von Vier Pfoten und unterzeichnete als erstes Unternehmen des Lebensmittelsektors die Verpflichtung zur Reduzierung von Fleisch und Fisch. Inzwischen umfasst das pflanzliche Produktportfolio neben veganen Gerichte-Klassikern auch vegane Fisch-Klassiker.

FRoSTA wird seine aktuellen und überarbeiteten Ziele in Kürze veröffentlichen. Dazu teilt das Unternehmen mit: „Die messbare Reduktion unseres ökologischen Fußabdrucks erfordert, dass wir den Anteil an tierischen Lebensmitteln in unseren Produkten weiter reduzieren, denn diese haben den höheren Fußabdruck. Unser Ziel ist es den durchschnittlichen Ökofootprint aller unserer Produkte kontinuierlich und messbar von Jahr zu Jahr zu reduzieren. Insgesamt war die Mehrheit der Neueinführungen in den letzten Jahren vegan oder vegetarisch. Auf diese Weise haben wir den Anteil von Fleisch (-38 %) und Milchprodukten (-25 %) an allen Zutaten in den letzten 8 Jahren (2018 – 2024)  kontinuierlich reduziert. Da wir den CO2e Fußabdruck (PCF) für alle Produkte berechnen und auf unserer Internetseite veröffentlichen, wissen wir, dass Produkte ohne tierische Bestandteile einen deutlich niedrigeren PCF haben also solche mit tierischen Bestandteilen.“

Katjes: Pflanzliches Pektin senkt CO2-Emissionen um knapp 20 Prozent

Die Geschichte von Katjes begann 1910 mit einem sizilianischen Lakritzrezept, seitdem wurde das Unternehmen zu einem der drei größten Player im deutschen Zuckerwarenmarkt. Ab 2010 leitete Katjes eine umfassende Transformation zu einem vollständig vegetarischen Sortiment ein. Katjes ist unter den traditionellen Unternehmen damit klarer Pionier in der Süßwarenbranche. Seit September 2016 verzichtet das Unternehmen vollständig auf tierische Gelatine, was zu einer signifikanten Verbesserung der Ökobilanz beiträgt. In Zukunft sollen nur noch vegane Neuprodukte eingeführt werden. Diese Umstellung ist ein Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie von Katjes.

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© Katjes

Anstelle der Gelatine verwendet Katjes beispielsweise pflanzliches Pektin. „Ein Großteil unserer Emissionen, etwa 80 %, entsteht durch den Anbau und die Verarbeitung der Rohstoffe für unsere Produkte. Und hier hat der Verzicht auf tierische Gelatine bei den Katjes Fruchtgummi- und Lakritzprodukten einen großen, positiven Effekt auf unsere produktbezogene Klimabilanz! All unsere Produkte rein vegetarisch und mehr und mehr vegan zu produzieren, fördert nicht nur das Wohl der Tiere, sondern wir übernehmen damit auch Verantwortung für die Umwelt: bei den vegetarischen Grün-Ohr Bärchen werden z. B. knapp 20 % weniger klimaschädliches CO2 freigesetzt als bei einem vergleichbaren Produkt mit Gelatine. Ein großer Effekt, mit dem wir seit der Umstellung in 2016 Vorreiter unserer Branche sind.“

Geschmack- und Preisparität als Schlüssel für pflanzliche Erfolgsgeschichten

Letztlich können diese Transformationen nur dann erfolgreich sein, wenn sie Hand in Hand gehen mit Produkten, die sowohl preislich als auch geschmacklich überzeugen. Untersuchungen zeigen, dass der Preis pflanzlicher Alternativen mindestens gleich oder günstiger sein muss, als der ihrer nicht-veganen Pendants, um eine breite Akzeptanz bei den Verbrauchern zu gewährleisten. Darüber könnte die Kraft einer starken Marke eine entscheidende Rolle spielen. Bei den hier dargestellten Erfolgsgeschichten handelt es sich um Unternehmen und Marken, die zuvor mit ihren nicht-veganen Produkten das Vertrauen der Verbraucher gewonnen haben. Diese Markenkraft ermöglicht es den Unternehmen, den Wandel zu pflanzlichen Alternativen erfolgreich zu gestalten, da die Verbraucher bereits eine positive Assoziation und Vertrauen in die Marke haben. Der Erfolg pflanzlicher Strategien hängt neben mutigen Entscheidungen und konsequenten Zielen auch von der Fähigkeit der Unternehmen ab, Geschmack, Preis-Leistungs-Verhältnis beizubehalten und die Vorteile ihrer Produktentwicklungsexpertise und etablierten Marken zu nutzen.

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